Deutschland ist so etwas wie die Heimat und der Ursprung der wichtigsten globalen Weihnachtstraditionen. Nicht nur der Christbaum hat seinen Siegeszug rund um die Welt von hier aus angetreten, sondern auch der Weihnachtsmann wurde von einem in die USA ausgewanderten Pfälzer erfunden.
Vieles von dem, was wir gemeinhin mit Weihnachten verbinden, war hierzulande noch vor einigen Generationen völlig unbekannt. Denn das klassische Brauchtum rund um das höchste Fest des Jahres im trauten Familienkreis wurde erst im Bürgertum des 19. Jahrhunderts entwickelt und standardisiert, während Weihnachten früher ein öffentliches Ereignis mit Märkten oder Krippenspielen war. Genau in dieser Zeit bekam das Christkind wieder gehörige Konkurrenz durch den Heiligen Nikolaus. Obwohl Martin Luther es doch einige Jahrhunderte zuvor nicht nur erfunden, sondern auf die Siegesstraße gebracht hatte. Dem Reformator hatte der Kult um den Geburtstag von Nikolaus von Myra am 6. Dezember so missfallen, dass er stattdessen um 1535 die Figur des „Heiligen Christ" schuf, die sich bald zum Christkind mit engelsgleicher Erscheinung abwandeln und deren Fest samt Gabenverteilung, zunächst vor allem in protestantischen Landeseteilen, am 24. oder 25. Dezember gefeiert wurde. Doch Mitte des 19. Jahrhunderts feierte der Nikolaus sein Comeback, und zwar in der neuen Gestalt des Weihnachtsmanns, durch Hoffmann von Fallersleben in dem Lied „Morgen kommt der Weihnachtsmann" im Jahr 1835 besungen und wenig später von Künstlern wie Moritz von Schwind malerisch visualisiert. Dem in die USA ausgewanderten Pfälzer Thomas Nast, der in seiner neuen Heimat als Karikaturist arbeitete, verdankt Santa Claus nach 1863 sein bis heute gültiges Aussehen als alter, weißbärtiger Mann in den Farben Rot und Weiß sowie mit Pelzhabit. Doch ob Christkind oder Weihnachtsmann ‒ beide kommen ohne die typischen Accessoires rund um die schönste Festivität des Jahres, deren Geschichte wir im Folgenden kurz aufzeichnen möchten, nicht aus.
Äpfel und Backwaren als Baumschmuck
Tannenbaum: Als Vorläufer des Weihnachtsbaums gilt der mit Äpfeln, Backwaren und bunten Papierblüten geschmückte Paradiesbaum, der bei mittelalterlichen Paradiesspielen am 24. Dezember verwendet wurde. Allgemein gilt das Elsass im frühen 16. Jahrhundert als Geburtsstätte der Weihnachtsbaum-Tradition. Doch erst die Zünfte sollten den Baum, der sich zunächst nur in protestantischen Kreisen und erst ab Ende des 19. Jahrhunderts auch bei den Katholiken durchsetzen konnte, von den öffentlichen Plätzen auch in die heimischen Stuben verpflanzen. So geschehen in Bremen 1570, in Basel 1597. Im 17. und 18. Jahrhundert verbreitete sich der Brauch mit dem geschmückten Baum von Stadt zu Stadt, aber noch nicht auf dem Lande. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Weihnachtsbaum über die deutschen Grenzen hinaus dank der versippten Adelsgeschlechter schnell in ganz Europa beliebt.
Weihnachtskrippe: Bis ins 19. Jahrhundert war die Krippe und nicht der Weihnachtsbaum der Mittelpunkt der katholischen Weihnachtsfeiern. Figürliche Darstellungen der Weihnachtsgeschichte sind zwar schon seit dem Spätmittelalter bekannt. Doch richtig populär wurden sie erst dank den die Reformation bekämpfenden Orden der Jesuiten oder Franziskaner. Die kostbaren Figuren fanden sich allerdings fast ausnahmslos in Kirchen oder Klöstern. Erst die serielle Herstellung aus verhältnismäßig preiswerten Materialien machten sie Ende des 19. Jahrhunderts auch für das private Heim von Otto Normalverbrauchern erschwinglich. Vor allem im Erzgebirge waren die Krippe-Figuren häufig auch Bestandteil der Schwibbögen oder der Weihnachtspyramiden, von denen es inzwischen Riesenexemplare beispielsweise auf dem Dresdner Striezelmarkt gibt.
Christbaumschmuck: Vor dem 19. Jahrhundert wurden die Christbäume vor allem mit (teils mit Gold- oder Silberfarbe überzogenen) Äpfeln, Nüssen, Gebäck und Zuckerzeug geschmückt. Gemeinhin wurden sie daher häufig Zuckerbäume genannt. Nach und nach kamen dann auch noch Zierate aus Papier, Pappmaché, Watte oder Stroh hinzu, die in jeder Familie in Heimbastelei hergestellt wurden. Neben den Bilderbogen waren vor allem Sterne beliebte Elemente. Wobei die Sterne später auch abseits des Weihnachtsbaums dank Thüringer Manufakturen als eigenständige Deko weltweit bekannt werden sollten, beispielsweise der Hernhuter Stern oder der Annaberger Faltstern. In Thüringen wurde seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch gläserner Christbaumschmuck angefertigt. Lametta aus Staniol, das das Schimmern von Eiszapfen nachahmen sollte, wurde 1878 in Nürnberg entwickelt. Ein Patent für Wunderkerzen wurde 1907 in Hamburg angemeldet. Zwar soll die Herzogin Sibylle von Schlesien bereits 1611 den ersten Weihnachtsbaum mit Kerzen bestückt und einige Adelshäuser diesen Brauch übernommen haben. Doch erst im 19. Jahrhundert nach Erfindung von Stearin und Paraffin zur Herstellung preisgünstiger Kerzen und vor allem auch dank der Entwicklung von speziellen Kerzenhaltern nach 1867 wurden brennende Lichter fester Bestandteil des Christbaumschmucks. Elektrische Christbaumbeleuchtung wurde erst seit den 20er-Jahren zunehmend gebräuchlich.
Adventskranz: Den ersten Adventskranz verdanken wir dem evangelischen Theologen Johann Hinrich Wichern, der 1839 als Leiter einer Hamburger Kindererziehungseinrichtung Kerzen auf einem alten Wagenrad anbrachte, damit seine Zöglinge anhand der Zahl der Flammen die Tage vom ersten Advent bis zum Weihnachtsfest abzählen konnten. Dieser erste Kranz hatte allerdings 19 kleine rote und vier dicke weiße Kerzen. Aus Tannengrün wurde der Adventskranz, der sich zunächst vor allem bei den Protestanten großer Beliebtheit erfreute, aber nach 1925 auch in katholischen Haushalten Einzug hielt, erst seit 1860 gefertigt, und die Zahl der Kerzen wurde auf vier beschränkt.
Die alten Römer machten schon gerne Geschenke
Adventskalender: Die ersten in Heimbastelarbeit hergestellten Kalender stammten aus der Zeit um 1850. Dabei handelte es sich um 24 Bildchen, die nach und nach an der Wand aufgehängt wurden. Eine noch einfachere Variante bestand aus 24 Kreidestrichen, von denen die Kinder Tag für Tag einen wegwischen durften. In katholischen Familien wurden Strohhalme in einer Krippe postiert, an jedem Tag kam einer hinzu. Der erste gedruckte Adventskalender tauchte 1902 auf, ein Jahr später brachte ein Münchner Verleger einen Kalender heraus, der aus einem Bogen mit 24 Bildern zum Ausschneiden und einem Bogen mit 24 Feldern zum Aufkleben bestand. Nach 1920 gab es die ersten Kalender mit aufklappbaren Fenstern. Die erbaulichen Bildchen wurden erst nach 1958 immer häufiger durch Schokolade ersetzt, und die Kalender wurden dank Massenproduktion für jedermann erschwinglich.
Weihnachtsmarkt: Die Tradition der Weihnachtsmärkte reicht bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts zurück. Damals erhielten die Städte die Erlaubnis, innerhalb ihrer Mauern zu Winterbeginn spezielle Märkte oder Verkaufsmessen abhalten zu dürfen, auf denen nicht nur Alltägliches wie Lebensmittel oder Kleidung, sondern auch Besonderes wie Spielzeug oder Zuckerbäcker-Köstlichkeiten angeboten werden durfte. Für den kleinen Appetit konnte man sich damals schon an gerösteten Kastanien, Nüssen oder Mandeln gütlich tun. 1310 ist ein Nikolausmarkt für München urkundlich belegt. Der Dresdner Striezelmarkt wird seit 1434 in der Adventszeit abgehalten. Die Geschichte des weltberühmten Nürnberger Christkindlesmarkts reicht bis ins Jahr 1628 zurück.
Mistelzweig: Neben Tannenreisig erfreuen sich in der Weihnachtszeit auch Mistelzweige, die dekorativ an Türrahmen oder Decken befestigt werden, seit jeher großer Beliebtheit. Vor allem unter Verliebten, weil der Legende nach ein Kuss unter einem Mistelzweig die Gewähr für ewiges Glück sein soll. Woher der Brauch stammt, lässt sich nicht eindeutig klären.
Weihnachtsbäckerei: Kein Weihnachten ohne die beliebten Plätzchen oder köstliche Lebkuchen. Das Plätzchenbacken, wie wir es heute kennen, kam erst Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Allerdings reichen die Anfänge der süßen Gaumenfreuden bis ins Mittelalter zurück. Damals wurde es in Klöstern Usus, in der kalten Jahreszeit Weihnachtsbrote, Stollen, Lebkuchen oder auch Plätzchen als Dauerbackwaren herzustellen. Die für einfache Menschen unerschwinglichen Zutaten wie Zucker, Zimt, Nelken, Muskat oder Kardamom konnten sich nur die betuchten monastischen Gemeinschaften leisten. Der Lebkuchen in seiner heutigen Form wurde im belgischen Dinant entwickelt und gelangte im frühen Mittelalter von dort über Aachen in die fränkischen Klöster, wo sich im 14. Jahrhundert vor allem der Nürnberger Raum zu einer Hochburg der „Pfefferkuchen" entwickelte. Die erste Rezeptur für einen Stollen heutiger Machart stammt aus dem Jahr 1730, Kurfürst August der Starke von Sachsen hatte die Köstlichkeit damals für seine Truppen backen lassen.
Weihnachtsgeschenke: Der Brauch, Mitmenschen zum Jahreswechsel mit Gaben zu erfreuen, wurde schon von den alten Römern gepflegt. Die Christen übernahmen diese Tradition. Bis Luther war Weihnachten allerdings nicht mit Geschenken verbunden, sondern die kleinen Gaben wie Nüsse oder Früchte wurden den Kindern am Nikolaustag überreicht. Erst mit dem Aufstieg des Bürgertums im 19. Jahrhundert wurde Weihnachten immer mehr zum üppigen Geschenkefest, insbesondere mit pädagogischer und geschlechtsspezifischer Zielrichtung. Im Biedermeier mussten sich die Kinder fragen lassen „Wart ihr auch schön brav?" Jungen fanden unter dem Weihnachtsbaum häufig Zinnsoldaten, Steckenpferde oder Säbel, Mädchen Puppen, Spielzeugküchen oder kleine Nähmaschinen.