Ändert der Einsatz von Social Media in der Politik nur die politische Kommunikation oder die Politik selbst? Der erste Reflex: natürlich die Politik. Die sozialen Medien treiben sie vor sich her, #Neuland war und ist noch immer ein vielzitiertes Bonmot, wenn die Parteien wieder mal die sozialen Medien missverstehen. Aber ist dem wirklich so?
Youtuber Rezo hat das Konrad-Adenauer-Haus in Berlin gehörig vorgeführt. Auf der Grundlage ganz ordentlicher Recherche propagierte er die „Zerstörung der CDU". Diese wiederum verbot ihrem Vorzeige-Jugendlichen Philipp Amthor, der darauf, natürlich per Youtube-Botschaft, antworten wollte, in letzter Sekunde den Mund. Nur ein Beispiel, wie soziale Medien scheinbar die Politik verändern. Aber tun sie das tatsächlich oder ist es nur die Kommunikation für und über Politik, die sie verändern?
Die Christsozialen schicken nun Polit-Influencer ins Rennen: Die CSU sei die erste Volkspartei, die zu ihrem Parteitag ganz selbstverständlich Influencer wie auch Journalisten einlädt, so Generalsekretär Blume gegenüber dem „Bayerischen Rundfunk". Die Influencer müssen sich allerdings nicht akkreditieren wie normale Journalisten. Stattdessen werden sie eingeladen, hofiert, bekommen Zugang zu einer eigenen Social-Media-Lounge.
Mit dem Kanal „CSYOU" versucht die Partei, jüngere Menschen anzusprechen. Sie will laut Parteichef Markus Söder „cool" sein, erntet dafür aber nur Spott. Mit anderen Worten: Die Volkspartei versucht sich auf die neuen Formen der Kommunikation einzustellen – mal mehr, mal weniger erfolgreich. Ihre Art, Politik zu machen, ändert sich jedoch dadurch erst einmal nicht: Gesetzgebungsverfahren werden nicht per Mausklick entschieden, denn ihre komplizierten Verfahren entziehen sich bislang noch der Digitalisierung.
Die Politisierung von Instagram, Facebook und Co ist jedoch in vollem Gange. Das zeigt der Fall Enissa Amani, Moderatorin und Comedy-Star, die sich mit der Journalistin Anja Rützel wegen einer Äußerung Rützels öffentlich stritt, die Amani als rassistisch empfand. Kurzerhand mobilisierte Amani ihre Follower, mehrere Hunderttausend, und entfachte so einen Shitstorm. Die Fridays-for-Future-Bewegung politisiert und organisiert sich über das Internet. Die Bundeszentrale für politische Bildung engagierte den Youtuber „RobBubble", um eine Webvideoreihe über die Europawahl zu entwickeln. Beispiele dafür, dass sich die politischen Prozesse durch Social Media ändern, gibt es jedoch noch keine.
Allenfalls Hinweise, was passieren könnte. Allein der Blick auf Ideen der einst gehypten Piratenpartei zeigt, wie sich Politik ändern könnte – sprich die Form der Willensbildung, der Abstimmungen oder digitalisierte Abstimmungsprozesse wie Volksentscheide. Sie scheitern derzeit noch an fehlenden politischen Mehrheiten. Dabei spürt der Wähler durchaus, dass sich etwas ändert. Zum Schlechten. Denn wie kann es sein, dass wir auf Instagram Beiträge wie am Fließband liken dürfen, aber nur alle paar Jahre einen politischen Kandidaten oder eine Partei? Verstärkt dies nicht zuletzt den Eindruck des Stillstandes, den wir von der Politik haben?
Die Parteien in Deutschland wie auch im Nachbarland Frankreich wandern derzeit auf einem schmalen Grat – zwischen Authentizität, Wahrheit und Fake News. Dass vor allem der rechte Rand in den vergangenen Jahren gelernt hat, die Reichweite, Schnelligkeit und emotionale Aufgeladenheit des Netzes zu nutzen, macht den Aufbruch in eine neue Welt der Kommunikation für alle Parteien umso brisanter.