Kroatien lebt vom Tourismus wie kaum ein anderes Land Europas. Allerdings möchte die Regierung mehr Klasse statt Masse, damit am Ende mehr Geld im Land bleibt.
Kroatiens Strände sollten eigentlich für sich sprechen, doch die Tourismusagentur des Landes rührt zur Sicherheit zusätzlich kräftig die Werbetrommel. Mit einem jährlichen Budget von rund 35 Millionen Euro ausgestattet, ist sie weltweit auf Dutzenden Messen präsent. Kampagnen in TV und Internet werben vor allem in Deutschland mit wunderschönen Landschaften, wobei da nicht einmal übertrieben wird.
Und es funktioniert: Jahr für Jahr lockt Kroatien mehr Touristen an. Nach ersten Unkenrufen im vergangenen Jahr stand zwar bereits ein Ende des Tourismus-Booms vor der Tür, doch es kam anders. Insgesamt reisten 2019 Jahr 18,3 Millionen ausländische Touristen in das Land. Das waren vier Prozent mehr als im Vorjahr und erneut ein Rekord. Die Zahl der Übernachtungen stieg um zwei Prozent auf knapp 95 Millionen. In Griechenland sind die Übernachtungszahlen im vergangenen Jahr dagegen um drei Prozent auf 100 Millionen zurückgegangen, wie die Statistikbehörde der EU mitteilte. In wenigen Jahren könnte Kroatien damit Griechenland als Urlaubsziel überholt haben. Der Tourismus trägt laut World Travel and Tourism Council (WTTC), knapp ein Viertel zur kroatischen Wirtschaftsleistung bei, so viel wie in nur wenigen Ländern.
Die meisten Gäste kommen im Sommer
Sehr lange aber bleiben die Gäste nicht, der Kurzurlaub ist im Trend. Im Schnitt blieb ein Tourist in Kroatien statistisch gerade mal fünf Nächte. Eine der beliebtesten Orte für solche Kurzurlaube ist die „Adria-Perle" Dubrovnik an der südlichen Spitze des Landes, da wo Kroatien sehr eng wird, eingeklemmt zwischen der Adria und den bosnischen Bergen. Der Flughafen von Dubrovnik liegt wenige Kilometer südlich der Stadt auf einer schmalen Hochebene. Er platzt aus allen Nähten, im Sommer kommen die Flieger im Abstand von wenigen Minuten und fliegen im Landeanflug tief über die Urlauber und die Einheimischen weg. Vergangenes Jahr kamen auf dem Flughafen 2,9 Millionen Fluggäste aus dem Ausland an, doppelt so viel wie vor fünf Jahren. 2010 waren es eine Million und 1999 erst 110.000. Das dürfte man als dynamische Entwicklung bezeichnen können.
Die Einwohner haben die tieffliegenden Jets akzeptiert, sind sie doch gefüllt mit meist zahlungskräftigen Gästen. Viele vermieten Privatzimmer und verdienen so innerhalb weniger Wochen im Sommer genug, um damit ganz gut den Rest des Jahres über die Runden zu kommen. Das hält die Klagen über „overtourism" in Grenzen, obwohl es auch diese natürlich gibt. Gerade in Dubrovnik musste der Bürgermeister Handlungsstärke beweisen und eine Regulierung der besonders kritisch beäugten Kreuzfahrtschiffe anordnen. Sie dürfen jetzt nur noch eingeschränkt zur gleichen Zeit ankern. Immerhin. Trotzdem ist es in den Sommermonaten auf der Hauptflaniermeile, dem Stradun, und seinen Eingängen oft so eng, dass die Besuchermassen gesteuert werden müssen. Auch mit einer ziemlich deftigen Preispolitik für die Sehenswürdigkeiten wie die mittelalterliche Stadtmauer versucht man, den Zustrom etwas zu bremsen. Dass dabei zusätzlich die Einnahmen sprudeln, ist natürlich willkommen.
Kroatiens Touristiker jedoch sehen hauptsächlich ein anderes Problem: Der hiesige Tourismus beruht viel mehr als in anderen Ländern auf eher einfachen Dienstleistungen, die von Privathaushalten erbracht werden: Knapp 50 Prozent der Übernachtungen erfolgt in privaten Apartments und Zimmern. In Spanien sind das gerade einmal 19 Prozent und in Griechenland 17 Prozent. Sie spülen zwar Milliarden in die Kassen von Hunderttausenden von Haushalten. Aber die Hotels haben wenig davon. Und es entstehen keine „echten" Jobs dabei, und das, was der Fiskus davon abkriegt, hält sich auch in Grenzen.
In der Sprache der Touristiker und Politiker heißt das: Man will mehr Qualität und mehr Wertschöpfung. „Eine neue Tourismusstrategie wird fokussiert sein auf nachhaltigen und verantwortlichen Tourismus, basierend auf Qualität und größerer Wertschöpfung. Tourismus soll in Form von speziellen Nischenangeboten besser mit anderen Dienstleistungen verzahnt werden. Wir wollen auch Nachhaltigkeit und Verantwortlichkeit im Tourismussektor stärken", sagte Tourismusminister Gary Capelli vor wenigen Tagen bei einer Pressekonferenz in Zagreb. Wichtig war Capelli besonders eine Zahl: „Das durchschnittliche tägliche Budget eines Touristen ist innerhalb von zwei Jahren um 20 Prozent auf 97 Euro gestiegen." Das ist es, was am Ende zählt.
Mehr Wertschöpfung: Damit sind zum Beispiel Hotels gemeint. Die Hoteliers des Landes müssen sich mit rund 20 Millionen Übernachtungen begnügen. Und hier gab es zuletzt kein Wachstum mehr.
Entweder sind die Herbergen zu teuer, oder die wahlweise groß angelegten Betonburgen treffen wie die schicken, früher einmal trendigen Edelhotels nicht mehr auf einen sich verändernden Kundengeschmack. Obwohl sie sich redlich bemühen und von Komfort bis Unterhaltung und Bespaßung oft sehr viel geboten wird.
Flieger und Schiffe: Dubrovnik platzt aus allen Nähten
Größter Hotelkonzern des Landes ist Valamar aus dem Küstenort Poreč in Istrien. Sein Ursprung rührt aus den 1950er Jahren, als in Jugoslawien die Wirtschaftspolitiker des sozialistischen Staatschefs Josip Tito nach Entwicklung und Deviseneinnahmemöglichkeiten suchten. Nach dem Unabhängigkeitskrieg wurde der Staatsbetrieb privatisiert. Heute verfügt der Konzern über 30 Hotels und Resorts sowie 15 Campingplätze. Im Jahr kann der Konzern über sieben Millionen Übernachtungen vorweisen, eine recht stolze Zahl. Aber das Unternehmen ist nur noch teilweise in kroatischem Besitz. 44 Prozent von Valamar gehören inzwischen der Wiener Investmentholding EPIC Investments. Historisch passt das, könnte man sagen, denn die Anfänge des kroatischen Tourismus Ende des 19. Jahrhunderts wurden auch schon von Wien aus betrieben, als die höhere Wiener Gesellschaft Erholung an der Adria suchte, wenngleich damals eher im Winter.
Das würden sich die Touristiker heute wiederum wünschen, denn das eigentliche Problem Kroatiens ist, dass alle nur im Sommer kommen wollen. Fast zwei Drittel aller Übernachtungen finden nur in den Monaten Juli und August statt. Das tut aber nicht der Gesundheit der Gäste gut, denn Hitze und Sonne sind in dieser Zeit oft objektiv zu viel. Es tut vor allem auch der kroatischen Volkswirtschaft nicht gut, weil sie in dieser Zeit eine hohe Zahl von Saisonkräften braucht und alle Infrastruktur, von Ärzten und bis Einzelhandel extrem ausgelastet sind, während im Rest der Zeit des Jahres meist kaum etwas zu tun ist.
Darum investierten die Hotelkonzerne Hunderte Millionen Euro in neue Unterhaltungsformen, Spaßparks und die Veredelung ihrer Anlagen. Sonne und Meer reichen bei Weitem nicht aus, sagt Tourismuspolitiker Capelli immer wieder bei vielen Gelegenheiten. Wenn er sich da mal nicht täuscht.