Was passiert mit unserem Geld? Jetzt, wo Abermilliarden an Überbrückungs- und Hilfsgeldern geflossen sind, befürchten manche Experten eine Inflation. Die Konjunktur erreicht vermutlich 2022 wieder Vorkrisenniveau.
Kredite, Rekapitalisierungen, Bürgschaften und Soforthilfen: Das Hilfsprogramm für die unter der Pandemie leidende Wirtschaft ist das größte, das Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelegt hat. Alleine an KfW-Krediten wurden laut dem Bundeswirtschaftsministerium 48 Milliarden Euro ausgeschüttet. Insgesamt veranschlagt der Bund 2021 rund 500 Milliarden Euro. Das kann Deutschland deshalb in dieser Höhe leisten, weil das Land solide gewirtschaftet und damit Vertrauen auf dem internationalen Geldmarkt gewonnen hat. Vereinfacht gesagt: Die „schwarze Null" der vergangenen Jahre und die hohe Wirtschaftsleistung wirken sich positiv auf deutsche Staatsanleihen aus, die Schuldpapiere der Bundesrepublik. Diese sind noch immer sehr begehrt.
Bedeutet das viele Geld nun, dass die Inflation steigt? Eine höhere Inflation hat Auswirkungen auf das gesparte Geld, wovon es gerade in Deutschland sehr viel gibt. Die Sparquote stieg laut dem Statistischen Bundesamt 2020 auf 16,2 Prozent, von 10,9 Prozent im Jahr 2019. „In der Finanzkrise litten die Bilanzen der Haushalte aufgrund des Verfalls der Immobilienpreise über Jahre hinweg. Staatliche Hilfen waren auf den Bankensektor fokussiert", erklärt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank, der Investment-Bank der Sparkassen-Finanzgruppe. „In der Corona-Krise dagegen haben sich die Bilanzen der Haushalte unter anderem durch die direkten staatlichen Hilfen und steigende Vermögenspreise dagegen deutlich verbessert. Entsprechend bergen die zusätzlichen Fiskalprogramme heute deutlich höhere Inflationsrisiken."
Positive Wirkung der soliden Wirtschaft
Der Chefvolkswirt der ING-Bank, Carsten Brzeski, geht davon aus, dass die Deutschen in diesem Jahr mit Inflationsraten von bis zu zwei Prozent rechnen können. Mit dem Einpendeln der Inflation auf das Vorkrisenniveau rechnet er erst Anfang 2022. Auch Bundesbank-Chef Jens Weidmann spricht von Inflationszahlen von bis zu drei Prozent. Das Risiko ist also vorhanden. Die Inflation wirkt allerdings diesmal nur kurzfristig. Denn die Menge des umlaufenden Geldes wird keinen längerfristigen Effekt auf den Markt haben, glauben Experten.
Zunächst ist die Inflation in der Eurozone im Februar stabil geblieben. Die Lebenshaltungskosten lagen unter dem Strich 0,9 Prozent höher als ein Jahr zuvor, wie das Statistikamt Eurostat in Luxemburg mitteilte. Der Anstieg fällt damit so stark aus wie im Januar. Im Monatsvergleich erhöhten sich die Verbraucherpreise im Februar um 0,2 Prozent. Vorläufige Zahlen wurden damit bestätigt. Gedämpft wurde die Teuerung durch die Preise von Lebens- und Genussmitteln, die schwächer stiegen als im Vormonat. Auch die Preise von industriell gefertigten Waren und Dienstleistungen stiegen schwächer. Dagegen bremste der Preisrückgang bei Energie deutlich ab.
Nach wie vor bleibt damit die Inflation unter zwei Prozent – dem eigentlichen Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB). Von dem glaubt sie, dass diese Zahl den Wirtschaftskreislauf stabil halten könnte. Als Treiber der Inflation in Deutschland gilt die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkungen – Waren und Dienstleistungen werden wieder teurer. Als zweites wird der nachgeholte Konsum eine steigende Nachfrage auslösen: Während des Krisenjahres hielten die Deutschen ihr Geld zusammen. Sobald die Läden und die Gastronomiebetriebe wieder offen sind, dürfte vieles nachgeholt werden.
Zusätzlich hängt vieles von der Lohnentwicklung ab: Werden die Gewerkschaften sich im Tarifkampf mit Zurückhaltung zufriedengeben? Die Globalisierung hat weltweit für mehr Arbeitsplätze gesorgt, durch Auslagerung und Verschiebung ergeben sich so neue Möglichkeiten für die Arbeitgeber.
Treiber und Bremser einer Inflation halten sich also derzeit noch mit großer Wahrscheinlichkeit die Waage: Der höhere Mehrwertsteuersatz seit Januar, ein angenommener nachgeholter Konsum und die neue CO2-Abgabe in Deutschland könnten die Teuerungsrate zunächst anheizen. Dem Konsum sowie dem höheren Mehrwertsteuersatz aber steht entgegen, dass die kommenden Lohnsteigerungsrunden der darbenden Wirtschaft künftig vermutlich kleiner ausfallen, der Konsument also mit weniger Geld weniger Produkte nachfragen kann. Der CO2-Abgabe arbeiten derzeit noch günstigere Energiepreise entgegen. Die EZB hat bereits angekündigt, zunächst nicht auf steigende Inflationsraten zu reagieren.
EZB will nicht auf Inflation reagieren
„Trotzdem wird die Inflation in diesem Jahr ein Thema bleiben", ist sich Chefvolkswirt Ulrich Kater sicher. Ein wichtiger Grund: Nach der Wiedereröffnung von Restaurants oder Kinos werden dort Preise wahrscheinlich heraufgesetzt werden, um ein wenig verlorenen Boden wieder gutzumachen. „Zudem fällt noch ein weiterer Basiseffekt an: Ab Juli 2021 werden im Jahresvergleich Monate mit wieder normaler Mehrwertsteuer mit Monaten mit abgesenkter Mehrwertsteuer aus dem Jahr 2020 verglichen. Das kann die monatliche Inflationsrate in den Sommermonaten tatsächlich vorübergehend über die drei Prozent treiben, sodass im Durchschnitt des Jahres 2021 wohl eine Inflationsrate von etwa 2,3 Prozent herauskommen dürfte." Ein Effekt des Zwölf-Monats-Vergleichs, den Experten mit Blick auf die Inflation anstellen. „Allerdings muss man dies vor dem Hintergrund sehen, dass die Inflation im Corona-Jahr 2020 mit 0,4 Prozent fast eine Nullrunde eingelegt hatte. Es sind also hauptsächlich die Aufholeffekte nach dem tiefen Corona-Loch, die sich nicht nur in der Wirtschaft mit hoher Produktion, sondern eben auch in der Inflationsrate zeigen." Ein Mini-Boom, sozusagen.
Kein Grund also, mittel- bis langfristig Angst vor einer plötzlichen Entwertung des Gesparten zu haben. Und dann ist da noch die Konjunktur. Geringe Inflationsraten führen zu mehr Investitionen, weil die Unternehmen weitere Teuerungen in der Zukunft scheuen und damit die Konjunktur vorantreiben. Auf die jetzige Krise bezogen sind die privaten Banken in Deutschland laut ihrem Verband zuversichtlich, dass die Konjunktur im zweiten Quartal deutlich zulegen wird. Durch die hohen Infektionszahlen und den anhaltenden Lockdown werde die Wirtschaftsleistung in Deutschland zu Jahresbeginn allerdings zunächst noch schrumpfen, teilte der Bankenverband mit. So rechneten die Chefvolkswirte der Institute in ihrer Frühjahrsprognose für das erste Quartal dieses Jahres mit einem Rückgang des Wirtschaftswachstums von etwa minus 1 bis minus 1,5 Prozent.
„Die Wachstumsdelle zum Jahresstart wird umso besser verkraftbar sein, je schneller die Politik die lähmenden Unsicherheiten in den Griff bekommt", erklärte Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands, mit Blick auf die Prognose. Für das gesamte Jahr 2021 erwarten die privaten Banken den Angaben zufolge ein Wirtschaftswachstum von 3,8 Prozent. Für das kommende Jahr werde mit einem Plus von rund vier Prozent gerechnet. 2022 könnte die Wirtschaft so ihr Vorkrisenniveau wieder erreichen, hieß es.
Mehr Insolvenzen durch Nachholeffekt
Treiber seien auch die USA. Die Gelder, die unter Präsident Biden an jeden US-Haushalt gehen, wirkten wir ein massives Konjunkturpaket und werden die Konjunkturerholung beschleunigen, hieß es. Auch das für das zweite Halbjahr angekündigte Infrastrukturprogramm der US-Regierung sollte belebend wirken. Allerdings könnten die Konjunkturspritzen auch die Inflation in den USA beschleunigen – mit Auswirkungen auf den Euroraum.
Hier erwarten die Volkswirte der Privatbanken ebenfalls eine anziehende Inflation, die auch durch steigende Rohstoffpreise beeinflusst wird. Fossile Rohstoffe wie Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas wurden durch die CO2-Abgabe ohnehin bereits teurer. Mit dem Abschwächen der Pandemie zur Mitte des Jahres wird ein kräftiger Aufschwung erwartet. Sobald allerdings wie bisher das Verzögern der Insolvenz nicht mehr möglich ist, wird mit einer großen Pleitewelle gerechnet. Die könnte das positive Klima eintrüben. „Die Anzahl der Insolvenzen wird steigen, allein aufgrund von Nachholeffekten, denn im vergangenen Jahr mussten selbst insolvente Unternehmen keinen Antrag stellen", sagt Deka-Bank-Chefvolkswirt Ulrich Kater dazu. „Dies wird aber zum überwältigend großen Anteil kleine Unternehmen aus den von Corona besonders betroffenen Branchen betreffen wie die Gastronomie oder den Einzelhandel." Vor allem die kleinen Einkommen hätten in der Krise besonders gelitten, „weil viele davon in den von Corona besonders betroffenen Branchen wie der Gastronomie oder im stationären Einzelhandel verortet sind. Das wird wahrscheinlich durch Lohnsteigerungen ausgeglichen werden, in diesen Bereichen sind Aufholdiskussionen berechtigt. Der überwiegende Teil der Wirtschaft ist jedoch einkommensmäßig mit einem blauen Auge davongekommen. Die verfügbaren Einkommen liegen mittlerweile wieder über dem Niveau von vor Corona."