Die Dokumentation „Schwarze Adler" beginnt mit einem Warnhinweis: Womöglich beinhalte sie traumatisierende Inhalte. Rassistische Beleidigungen könne man sehen, Übergriffe und rassistisch motivierte Gewalt. Doch der Film, der bei Amazon Prime zu sehen ist, ist noch deutlich vielschichtiger.
Für Deutschland. Für Vaterland. Für Kameradschaft", sinniert Jimmy Hartwig und fügt lachend hinzu: „Das sagen die Rechten auch, gell?" Hartwig war der erst zweite dunkelhäutige Fußballer, der für die A-Nationalmannschaft auflief. Die Dokumentation „Schwarze Adler" beschäftigt sich mit der Historie dieser Spieler im deutschen Fußball – mit Fokus auf die Nationalelf, in der die Sportler also mit dem Adler auf der Brust ihr Land vertreten durften und dürfen. Hartwigs Einsätze für die Nationalelf waren 1979, womit er Erwin Kostedde folgte, der 1974/75 für Deutschland auflief. Hartwig erzählt: „Ich will es mal vorsichtig ausdrücken. Was Erwin Kostedde passiert ist, ist mir auch passiert."
Passiert ist – natürlich – Rassismus. Die Dokumentation von Regisseur Torsten Körner („Angela Merkel – Die Unerwartete"; 2016) zeigt, wie Erwin Kostedde bei seinem ersten Spiel beschimpft und beleidigt wird. Der Sohn eines afroamerikanischen US-Soldaten und einer deutschen Mutter erinnert sich noch genau an Hitlergrüße und sagt: „Was das ist, mit so einer Hautfarbe durch Deutschland zu laufen – das können Sie sich gar nicht vorstellen." Er kommt im Endeffekt zu lediglich drei Einsätzen für die A-Elf. Rassismus erlebt er auch abseits des Feldes, als er in seiner Heimat Coesfeld im Münsterland 1990 aufgrund seiner Hautfarbe wegen eines Raubüberfalls festgenommen wird – den er natürlich nicht begangen hatte.
Auch abseits des Feldes
Es sind diese Erzählungen von alltäglichem und strukturellem Rassismus, die betroffen machen und die einem einmal mehr bewusst machen, dass nicht nur offensichtliche Gewalt wehtut, sondern vor allem Worte und auch andere Gesten langfristig schmerzen. Beverly Ranger etwa, jamaikanische Spielerin, erzielte 1975 nicht nur als erste Dunkelhäutige, sondern auch als erst zweite Frau ein „Tor des Monats". Als Begrüßungsmusik in der ARD-Sportschau wird „Schön und kaffeebraun sind alle Frauen" gespielt. Erst viel später wird der zweifachen Deutschen Meisterin klar: „Mir gefiel nicht, wie ich vorgestellt wurde. Aber man lebt und lernt."
„Schwarze Adler" dokumentiert nicht nur den Rassismus im Profisport, sondern auch Vorurteile, mit denen man(n) Frauenfußball anfangs entgegentrat. Showmaster-Legende Wim Thoelkes Chauvinismus als Moderator des ZDF-Sportstudios beispielsweise. Oder Shary Reeves, ehemalige Bundesligistin und U16-Talent, die sich daran erinnert, wie sie von ihrer eigenen Mutter keine Unterstützung erhielt. Der Film funktioniert mit diesen persönlichen Geschichten auch als Sittengemälde sehr gut. Immer wieder erzählen sowohl auf Vereins- als auch auf nationaler Ebene erfolgreiche Spielerinnen und Spieler aus ihrer Kindheit. Von schiefen Blicken, von Verständigungen des Jugendamtes, von Verfolgungen mit einem Auto, von Vätern, die ihre Kinder sitzen lassen. So erschließt sich zum Teil auch die Nachkriegsgeschichte Deutschlands mit dem Einfluss der Amerikaner auf das einst gespaltene Land.
Doku stimmt auch hoffnungsvoll
Wie jede gute Dokumentation zeigt auch dieser Film nicht nur die Schattenseiten, sondern gibt Hoffnung. Denn zwar werden Legenden wie Anthony Yeboah in den 80er- und 90er-Jahren noch immer beschimpft. Aber schlagfertige und rhetorisch gewandte Persönlichkeiten wie Anthony Baffoe meinen ganz einfach: „Ich wollte auch ein bisschen Farbe da reinbringen." Ein „Quantensprung" ist laut Jimmy Hartwig die Berufung von Gerald Asamoah, dem ersten Nationalspieler Deutschlands, der in einem afrikanischen Land geboren wurde, in diesem Fall Ghana. Der Sympathieträger bringt es zwischen 2001 und 2006 auf 43 Länderspiele.
So ist es auf der einen Seite erschreckend, dass sich der Zeitgeist erst in den letzten 20 Jahren zu drehen scheint, vor allem auch im Fahrwasser der Heim-WM 2006. Auf der anderen Seite sind heute dunkelhäutige Spieler wie Antonio Rüdiger, Jérôme Boateng oder Jordan Torunarigha deutlich akzeptierter und vor allem deutlich zahlreicher als „Fans", die mit Affengeräuschen ihrem Rassismus Luft verschaffen.
Doch wie die Protagonisten deutlich werden lassen, wurde seit den 60er-Jahren bereits viel erreicht – und dennoch müsse noch viel weiter gearbeitet werden. Dabei ist es vielleicht die größte Stärke des 100-Minüters, das weder angeklagt noch lamentiert wird. Die Erzählungen und Erinnerungen reichen, um mitzufühlen und vielleicht etwas zu einer Veränderung beizutragen.