Die Übernahme des Ford-Werks in Saarlouis ist wieder einmal vertagt. Noch immer gibt es offenbar kein Angebot von Ford, das dem Investor zusagt. Aber es werde weiter verhandelt, heißt es. Nein, sagt dagegen Ford, die Verhandlungen sind zu Ende. Ausgang unklar.
ie Spannung vor der Betriebsversammlung am 5. Oktober in Saarlouis war hoch. Keine der an den Verhandlungen beteiligten Seiten hatte zuvor auch nur Andeutungen über den möglichen Investor fallen lassen. Gerüchte, es handele sich um ein chinesisches Automobilunternehmen, machten dennoch die Runde. BYD womöglich, das Tesla unlängst vom E-Mobilitäts-Thron gestoßen hat; SAIC, das größte Automobilkonglomerat Chinas aus Shanghai; oder Chery, das nach Berichten bereits über Produktionsstätten in Deutschland verhandelt.
Nichts dergleichen. Ein zustande gekommener Geschäftsabschluss hätte 2.500 Arbeitsplätze sichern können. 4.500 Menschen sind derzeit bei Ford in Saarlouis beschäftigt, hinzu kommen etwa 1.500 Jobs in umliegenden Zulieferfirmen. Damit bleibt die Werksübernahme und die Zukunft Tausender Beschäftigter in der Schwebe, die Enttäuschung riesig, die Angst in der Werksbelegschaft groß. Und nicht nur dort. Kommt kein Automobilunternehmen nach Saarlouis, das externe Dienstleistungen benötigt, heißt dies auch für einige Unternehmen aus dem Supplier Park „Licht aus“. Spätestens 2025 will der Konzern die Fertigung in Saarlouis einstellen. Danach verbleiben noch 1.000 Beschäftigte bis ins Jahr 2032.
Die Verantwortung, was nun geschehe, liege bei Ford, betonte der saarländische Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) – und es werde weiter verhandelt. „Wir haben insistiert: Der Investor wird nun weiter verhandeln, erwartet jedoch ein besseres Angebot von Ford.“ Noch immer gehe es um eine Lösung, die es einer Investorengruppe mit einem gewaltigen Landesbeteiligungspaket von deutlich mehr als 500 Millionen Euro ermöglichen soll, die Automobil-Produktion in Saarlouis fortzusetzen. „Das Joint Venture ist festgezurrt und es besteht bis heute“, sagt Barke. 3.000 Menschen sollen so weiter arbeiten können. Ein tragfähiges Angebot seitens Ford fehlt nach Aussage des Wirtschaftsministers bis heute. Dies sei „enttäuschend“, so Barke. Es wird erwartet, dass sich Ford, wenn es denn schon die immensen Abwicklungskosten einer Werksschließung spart, an dem Übergangsprozess mit der Investorengruppe finanziell beteiligt und Sicherheiten bietet – kein unüblicher Vorgang in dieser Situation. Die Frage ist nun: Welches Ziel verfolgt Ford? Laut dem Deutschlandchef des Konzerns sei der Investor kurzfristig abgesprungen, erklärte Martin Sander dem „Handelsblatt“. Man werde bald in Verhandlungen mit den Sozialpartnern einsteigen.
Auf nochmalige Nachfrage nach dem Stand der Verhandlungen teilt eine Ford-Sprecherin mit: „Im letzten Jahr hat Ford erhebliche Ressourcen aufgewendet und viel Zeit investiert, um einen Investor für die Übernahme unseres Werks in Saarlouis zu finden, und im Juni dieses Jahres eine unverbindliche Vereinbarung mit einem potenziellen Investor unterzeichnet. Nach einer eingehenden Machbarkeits-Prüfung und intensiven Verhandlungen, an denen auch die saarländische Landesregierung beteiligt war, hat der Investor nun entschieden, die Verhandlungen nicht fortzusetzen. Ford wird nun einen alternativen Plan verfolgen. Wie bereits angekündigt, werden wir in Saarlouis 1.000 Ford-Arbeitsplätze erhalten beziehungsweise schaffen. Diese können auch als Basis für ein künftiges Technologiezentrum in Saarlouis dienen, das ein erhebliches Potenzial für die Entwicklung des Werks und die Gewinnung anderer, kleinerer Investoren bietet.“
Die Frage ist: Was will Ford?
Eine offizielle Stellungnahme des Investors selbst liegt aus Geheimhaltungsgründen nicht vor – außer der Versicherung des Wirtschaftsministers, der als Vertreter der Landesregierung an den Verhandlungen beteiligt war, dass laut einem Schreiben des potenziellen Investors weiter verhandelt werden sollte.
Um sich nicht das Heft des Handelns aus der Hand nehmen zu lassen, strebt das Wirtschaftsministerium nun eine andere „Art der Zusammenarbeit“ an. So soll Ford im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen nach und nach die Kontrolle über einzelne Teile des Geländes und der Hallen an das Land übergeben – so könnten rascher Nachfolgelösungen, neue Investoren und Standorte für Unternehmen gefunden werden, ohne dass der US-Konzern bis zuletzt Einfluss nehmen könnte.
Indessen beginnen die Sozialtarifverhandlungen des Betriebsrates mit Ford – dieser zeigte sich auf der Betriebsversammlung sehr verärgert darüber, dass noch immer keine Lösung auf dem Tisch liegt. Jörg Köhlinger, Bezirksleiter der IG Metall Mitte, drohte, es werde für Ford „teuer werden. Wir werden ein Zeichen setzen, dass andere Unternehmen davor zurückschrecken lässt, Standorte platt zu machen.“ 2014 schloss Ford zuletzt ein europäisches Werk: Im belgischen Genk mussten 4.000 Beschäftigte gehen. Ford zahlte dafür 750 Millionen US-Dollar an Abfindungen.
Der Konzern hat die Elektromobilität schlicht verschlafen. Die Marktanteile von Ford in Europa sinken, von acht Prozent im Jahr 2015 auf 5,7 Prozent 2023. Gleichzeitig strukturiert der Konzern massiv um. Dabei geht es auch um Arbeitsplätze im Kölner Werk, das vollständig auf Elektroproduktion umgerüstet wurde. Bis diese jedoch anläuft, vergeht noch Zeit: Die Elektroplattform MEB, auf der Ford seine Autos bauen will, stammt von Volkswagen. Erfolgreich ist diese aber nicht, wie sich gerade herausstellt. Daher ändert der Wolfsburger Autokonzern gerade seine Strategie – und Ford wartet lieber auf die neue Batteriegeneration, bevor sie mit der aktuellen weiter dem Erfolg hinterherfahren.
Ob in dieser Situation der Konzernleitung in Dearborn ausgerechnet ein weiterer Wettbewerber auf dem europäischen Markt gelegen kommt, der ein ehemaliges Ford-Gelände als Sprungbrett auf den deutschen und den EU-Markt nutzt, bleibt eine Frage, die letztlich nur Ford beantworten kann. Und zwar möglichst bald, damit die existenzielle Hängepartie für 6.000 Menschen endlich endet.