Offene Ausbildungsstellen, Fachkräftemangel – die Situation im deutschen Handwerk war dennoch schon schlechter als heute. Für den angehenden Feinwerkmechaniker Tobias Detzler ist daher eine Ausbildung viel solider als ein Studium.
Als Tobias Detzler seinen Freunden erzählte, nach dem Abitur eine Ausbildung machen zu wollen, brachen seine Mitschüler in Gelächter aus. „Meine Kumpels zogen mich damit auf, dass ich den Abschluss einfach so wegwerfen würde, wenn ich auf ein Studium verzichte", erzählt der junge Mann aus St. Wendel. Die handwerkliche Arbeit sei monoton und meistens schmutzig „und verdienen würde man dabei auch kaum etwas", hieß es. Tobias ließ sich trotzdem nicht beirren und startete eine Ausbildung zum Feinwerkmechaniker. Jetzt, zweieinhalb Jahre später, steht der angehende Handwerker kurz vor seiner Abschlussprüfung und zieht schon mal Bilanz: „Es war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte", betont der 21-Jährige.
Tatsächlich zählt das Handwerk in Deutschland zu den vielseitigsten Wirtschaftsbereichen. Alleine im Saarland gibt es etwa 75 verschiedene Ausbildungsberufe – bundesweit sogar über 130 – unter denen die jungen Menschen entsprechend ihren Fähigkeiten und Neigungen wählen können. „Unser Handwerk bietet viele anspruchsvolle Perspektiven und gute Jobs, um gerade auch wohnortnah seinem Beruf nachgehen zu können", sagt Bernd Wegner, Präsident der Handwerkskammer des Saarlandes (HWK). Sogar sein eigener Chef zu sein, ist im Handwerk möglich. „Wir bieten auch viele Wege in die Selbstständigkeit."
Zu viele Vorurteile gegenüber Handwerk
Die Perspektive sieht zunächst gut aus. Trotzdem bangen die Betriebe immer mehr um ihren Nachwuchs. Derzeit verzeichnet die HWK rund 5.000 Auszubildende im heimischen Handwerk. Nach den Angaben der Agentur für Arbeit stehen den jungen Saarländern derzeit jedoch weitere 2.400 offene Lehrstellen zur Auswahl. Die Zahl der potenziellen Azubis beschränkt sich dagegen auf 1.300 junge Menschen. Viele, die sich zwischen Studium und dualer Ausbildung entscheiden müssen, entscheiden sich eben lieber für ein Studium. Das weiß auch Wegner. „Die berufliche Bildung wird als Karriereweg unterschätzt."
Doch warum ist das so? Tobias Detzler wagt eine Erklärung. Zum einen würden viele Vorurteile gegenüber dem Handwerk vorherrschen – nicht nur, dass die Arbeit schmutzig sei oder langweilig, erzählt der angehende Feinwerkmechaniker. Dem sei natürlich nicht so. „Klar tragen wir Arbeitskleidung, wenn wir an Maschinen arbeiten. Aber das gibt’s auch bei anderen Berufsgruppen. Und das Argument Langeweile verstehe ich persönlich überhaupt nicht. Mein Beruf lebt von Abwechslung: schneiden, ausmessen, bohren – mein Job ist vielfältig. Ich lerne täglich etwas Neues und halte abends dann das Ergebnis meiner Arbeit in den Händen. Das ist ein großartiges Gefühl." Aber es gibt noch einen weiteren Punkt, der das Image des Handwerks heutzutage in den Boden stampft. „Da ist dieser Irrglaube, dass ein Studium automatisch auch ein Garant für gutes Einkommen sei", sagt Tobias. „Das ist natürlich totaler Quatsch. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass meine wirtschaftliche Situation wesentlich luxuriöser ist als die der Studenten, schließlich beziehe ich ein Lehrgehalt."
Mit dem angesparten Geld erfüllte sich der junge Mann bereits einen Traum und kaufte sich sein erstes eigenes Auto. „Das wäre natürlich nicht möglich gewesen, wenn ich studieren würde", weiß Tobias. „Dann würde ich vermutlich in einer Kneipe jobben, um meine laufenden Lebenskosten decken zu können. Aber richtig was ansparen, das wäre in einer solchen Situation eher schwierig." Nach seiner Ausbildung hat Tobias übrigens sehr gute Chancen auf ein solides Einkommen. „Aktuelle Studien zeigen, dass der Lebensverdienst eines Handwerkers auf dem Niveau eines Hochschulabsolventen liegt", betont HWK-Präsident Wegner.
Das weiß auch Tobias. „Deswegen würde ich den angehenden Abiturienten erst mal empfehlen, ein Praktikum zu machen und zu schauen, ob ein handwerklicher Beruf etwas für sie wäre. Aber einfach so etwas studieren, um zu studieren, das macht einen nur unglücklich." Den Beweis dafür lieferte ihm sein vergangenes Klassentreffen. Bei dem Wiedersehen mit seinen Klassenkameraden erfuhr Tobias, dass rund 60 Prozent seiner ehemaligen Mitschüler ihr Studium abgebrochen haben, um eine Ausbildung anzufangen. „Kurioserweise waren es hauptsächlich die Menschen, die mich am Anfang für meine Entscheidung kritisiert haben", erzählt der angehende Handwerker. „Ein sehr guter Freund von mir zum Beispiel hat zunächst einmal Jura studiert, um dann nach ein paar Semestern festzustellen, dass das Studium ihm gar nicht liegt. Jetzt macht er eine Ausbildung zum Krankenpfleger und ist wesentlich glücklicher. Hätte er es früher gewusst, hätte er vermutlich gleich mit der Ausbildung begonnen."
Volle Auftragsbücher
An diesen Gedanken knüpft auch der Regionalverband Saarbrücken an. Zusammen mit den Wirtschaftsförderungsgesellschaften im Saarpfalz-Kreis und im Landkreis Neunkirchen und der HWK startete im Frühjahr beispielweise die saarlandweite Kampagne „Hände hoch fürs Handwerk". Ziel der Kampagne, die noch bis Ende des Jahres laufen soll, ist es, das Handwerk und die mit ihm verbundenen Tätigkeiten unter anderem in dem Bereich Energieeffizienz gezielt in die Öffentlichkeit zu tragen und für das Handwerk sowie eine Ausbildung in diesem Berufsfeld zu werben. Denn eins ist jetzt schon sicher, der Fachkräftebedarf im Handwerk wird weiter steigen. Nach den Angaben der HWK verzeichnen die saarländischen Betriebe aktuell volle Auftragsbücher. Die Rückmeldungen aus den Betrieben zeigen jedoch, dass es immer schwerer wird, geeignete Fachkräfte für den eigenen Betrieb zu gewinnen. Dies zieht sich durch alle Bereiche und Gewerke und zeigt sich heute bereits auch bei der Suche eines geeigneten Nachfolgers für das Unternehmen. In den nächsten fünf Jahren stehen im Saarland beispielweise etwa 2.000 Handwerksbetriebe zur Übernahme an.
Das spielt vor allem solchen jungen Menschen wie Tobias in die Hände. „Ich weiß, dass ich nach meiner Ausbildung auf jeden Fall einen Job finden werde", sagt er zuversichtlich. „Und wenn ich später Lust bekommen sollte zu studieren, werde ich parallel zu meinen Job ein Fernstudium belegen und es mit meinem Gehalt finanzieren."