Die Kontaktstelle Wissens- und Technologietransfer (KWT) unterstützt Universitäts-Start-ups oder investiert gleich selbst. Gegründet werden an der Uni etwa 25 Firmen pro Jahr, sagt KWT-Chef Axel Koch – doch die Gründermentalität im Land hat noch deutlich Luft nach oben.
Herr Koch, im Frühjahr hat die Landesregierung die Unterstüzungsgelder für Start-ups von Frauen, Migranten und Handwerkern angehoben – der richtige Schritt aus Ihrer Sicht?
Das ist grundsätzlich zu begrüßen und zeigt: Der Stellenwert der Gründungsförderung gewinnt gerade an Wichtigkeit. Das sollte mit Blick auf die Zukunft noch wichtiger werden, da ich glaube, dass wir hier an der Saar einen erneuten Strukturwandel erleben werden. Daher müssen wir sicherstellen, dass Gründungen nicht nur entstehen, sondern auch gut und schnell wachsen und Arbeitsplätze generieren.
Die KWT hilft dabei, universitäre Ideen über Start-ups in marktreife Produkte zu verwandeln. Wie sehen die konkreten Zahlen der Uni-Gründungen aus?
Derzeit sitzen im Starterzentrum rund 100 Leute. Im Uni-Umfeld gab es früher etwa 15 Gründungen im Jahr, jetzt 25, also das Engagement des Landes zahlt sich aus. Von diesen Gründungen geben nur wenige in den ersten Jahren wieder auf, aber auch nur wenige wachsen schnell. Wir wissen, nach fünf Jahren haben diese Firmen oft maximal 20 Mitarbeiter. Alle Firmen mit skalierbaren Geschäftsmodellen brauchen eine bessere Finanzierung und eine stärkere internationale Ausrichtung, hierauf müssen wir in Zukunft noch stärker achten. Damit können wir dem Land helfen, Arbeitsplätze zu schaffen, wenn woanders welche wegfallen.
Woran liegt es, dass hierzulande nur wenige Start-ups schnell wachsen und an Wert gewinnen?
Nun, das ist eine Kulturfrage. Auf der einen Seite ist es gut, dass der Saarländer eher risikoavers ist, also nachhaltig, solide und vorsichtig agiert. Wir würden uns aber auch den „Silicon-Valley-Typen" wünschen, den es in Metropolen wie Berlin gibt. Je stärker und schneller eine Firma wachsen will, desto risikofreudiger müssen die Unternehmer sein. Umso größer ist aber auch die Chance zu scheitern. Das sind die negativen Seiten. Es gibt allerdings auch wenige Vorbilder im Saarland, die erfolgreich gegründet haben, stark gewachsen sind und nun mit ihren Firmen fest am Markt etabliert sind. Hinzu kommt, dass Gründungsaktivitäten rund um große Firmen sehr dynamisch sind. Auch diese fehlen uns im Saarland.
Gibt es denn Positivbeispiele?
Die gibt es. Fanomena zum Beispiel hat es geschafft, mit einer ganzen Reihe von Unternehmen im Saarland Kooperationen einzugehen und dadurch zu wachsen. Deren Idee, über ihre Plattform digitale Zusatzinhalte für Veranstaltungen wie Rabatte, Sonderaktionen zu vertreiben, soll die gute alte Messetasche mit Werbegeschenken ablösen. Zugegeben, das ist ein Mehrwert fürs Marketing, der sofort erkennbar ist, während das bei anderen Gründungen nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist.
Sie haben eben die Finanzierung als einen Faktor genannt, auch Vorbilder im Mittelstand– welche Rolle spielen diese in der Gründungsdynamik?
Was die Finanzierung angeht – wir sehen, dass uns bei kleinen Beträgen etwas fehlt, sie sollten flexibel und möglichst unkompliziert sein. Wenn Kredite von 25.000 Euro einen Prüfungszyklus von mehreren Monaten haben, hilft dies dem Gründer nicht, der jetzt seinen Job hinwerfen müsste, um sich ganz dem Start-up zu widmen. Er müsste diese lange Zeit finanziell überbrücken. Rheinland-Pfalz besitzt beispielsweise einige EU-gespeiste Fonds, darüber wird hierzulande schon lange geredet. Aber auch bei wohlhabenden Einzelpersonen gibt es sicher noch Potenzial, Investitionskapital zur Verfügung zu stellen, von ihnen gibt es ja auch einige im Saarland. Dennoch gibt es nur wenige Firmen und Privatleute, die wie zum Beispiel Prof. Scheer oder die Familie Holzer von Ursapharm schon heute in Start-ups investieren und offen mit den Ideen, die Start-ups haben, umgehen. Wenn ich mich in anderen Starterzentren umsehe, gibt es dort Teams von Firmen, die mit den Gründern zusammensitzen und diskutieren. Hierzulande scheitert dies oft an Skepsis und der Angst, gute Ideen könnten geklaut werden. Hier haben wir Nachholbedarf, und an dieser Verbindung zum Mittelstand arbeiten wir gerade. Aber ich merke nun, dass Mittelständler auch im Saarland aktiver werden. Zum Beispiel Hager oder Villeroy und Boch. Auch der Marktzugang ist wichtig und alles andere als trivial. Unsere wissens- und technologiebasierten Gründungen von Wissenschaftlern sind vor allem produktorientiert. Deshalb ist es wichtig, dass sich etablierte Unternehmen in deren Umfeld bewegen, um die Kundensicht in die Start-ups hineinzutragen. Da sehe ich eine wichtige Aufgabe für uns beim Zusammenbringen beider Welten.
Wie sähe denn eine solche Verbindung aus?
Es gibt positive Signale, dass unser Innovationszentrum Realität werden könnte. Ein Zentrum, in dem sowohl Start-ups als auch Innovationsteams aus etablierten Unternehmen sitzen werden, die sich ungezwungen austauschen und gemeinsam kreative Ideen entwickeln und prototypisch umsetzen können. Unsere Räume im Starterzentrum sind, so wie sie gebaut wurden, zwar schön und günstig, fördern aber nicht den kommunikativen Austausch untereinander. Das Zentrum soll für alle Besucher offenstehen, ein Showroom für all jene guten Ideen, die hier an der Uni entstehen.
Die Linke im Saarland liebäugelt mit einer Art Technologieplattform, die die fast ein Dutzend Technologietransferstellen im Land nach außen vermarktet. Könnte dieses Zentrum diese Plattform werden?
Das wäre ein spannendes Ziel, dürfte aber aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen der Einrichtungen schwierig zu realisieren sein. Grundsätzlich habe ich mit dem Plattformgedanken meine Schwierigkeiten, denn er impliziert mir, dass über alle Transferstellen nun noch eine koordinierende Organisation geschaltet wird. Ich würde mir eher wünschen, dass wir es schaffen, die existierenden Stellen schärfer inhaltlich voneinander abzugrenzen, Schwerpunkte zu schaffen und sie so zu profilieren.
Wie bringen Sie denn die Saarländer nun dazu, mehr zu gründen?
Es bleibt eine Frage der Kultur, insbesondere sollte von Politik und Wirtschaft das Scheitern als Teil des Gründungsprozesses akzeptiert werden. Alle Beteiligten, Wirtschaft und Politik, müssen an einem Strang ziehen, statt viele kleine, unabhängige Projekte anzugehen. Die Grundeinstellung muss stimmen: Start-ups heute arbeiten mit einer ganzen Reihe von neuen Methoden: Agiles Arbeiten nach der „Scrum"-Methode, Versuch und Irrtum oder das „Fail Fast" sind nur ein paar Beispiele. Wir sehen im Mittelstand im Saarland immer deutlicher, dass sich Unternehmen, für diese Art zu arbeiten und für die Methoden und Inhalte der Start-ups zu interessieren beginnen. Und das ist ein guter Anfang.