Weil die Batteriezellen nicht mit der Kälte zurechtkamen, mussten die Stadtwerke Trier kürzlich ihren 500.000 Euro teuren Elektrobus ins Depot zurückbeordern. Sobald der Fahrer die Heizung einschaltete, verbrauchte der Motor so viel Strom, dass bisweilen sogar die Beschleunigungskraft schwächelte. Das Beispiel zeigt: Die Hürden für E-Busse sind noch hoch.
Die E-Bus-Pleite von Trier markierte „Kinderkrankheiten" mit elektrisch angetriebenen Bussen, heißt es bei den Trierer Stadtwerken. Sie ist aber auch ein Symbol dafür, wie kompliziert die „Entdieselung" von Flotten des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Deutschland ist. Energiewende hin und CO²-Verminderung her – der politisch verordnete Umstieg kommt mancherorts zu schnell. Hauptproblem: die Industrie ist noch nicht auf den Ansturm vorbereitet. Es gibt kaum Anbieter, die E-Busse in technisch einwandfreier Serienreife auf Lager haben.
Obwohl also noch längst nicht alle Probleme gelöst sind, setzen etliche Städte „vermehrt auf elektrische Antriebe", meldet der E-Bus-Radar des Wirtschaftsprüfungsunternehmens PwC Deutschland. Von den republikweit zirka 40.000 Bussen besäßen schon 608 eine elektrische Antriebstechnik. Diese Zahl werde „zeitnah deutlich steigen": Bis Ende 2019 seien in Deutschland über 400 Neuanschaffungen vollelektrisch angetriebener Busse angekündigt. Und dann soll es Schlag auf Schlag gehen.
3.000 E-Busse bis 2030
Allein die fünf größten deutschen Städte wollen bis 2030 mindestens 3.000 E-Busse ordern, zeigt eine Umfrage unter den Nahverkehrsbetrieben in Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt. Der Grund für die politisch befeuerte Eile liegt in den landauf, landab geführten Diskussionen um Feinstaub und Stickoxide. Die Politik als Treiber des ÖPNV möchte, dass der Verkehr auf den Straßen „sauber" wird.
Einer der Vorreiter in Sachen E-Mobilität für Busse ist Hamburg. Die Freie und Hansestadt hat im November den ersten serienreifen Elektrobus in Betrieb genommen, einen eCitaro von Mercedes-Benz. Bei der Einweihung sprach der Chef des Betreibers Hochbahn (1.000 Busse im Einsatz), Henrik Falk, von einer „Zeitenwende": „Hamburg leitet jetzt den Umstieg auf eine grüne Busflotte ein." Plan der Stadt: 29 weitere E-Busse bis Ende 2019 und ab 2020 ausschließlich E-Busse anschaffen. Dafür konstruiert Hamburg den ersten deutschen Betriebshof, der ausschließlich E-Busse wartet, Investition: rund 70 Millionen Euro. Die Hamburger planen noch weiter: ab 2030 sollen in der Hafenmetropole einzig und allein Busse mit neuen Antrieben fahren. Damit macht die rotgrüne Regierung, der Hamburger Senat, der Industrie Beine. Denn obwohl die Fabrikanten − neben Mercedes hat der polnische Bushersteller Solaris Bedeutung − noch nicht so recht für massenhafte E-Mobilität gerüstet sind, müssen sie in der Elbmetropole schon bei der für 2020 geplanten zweiten Kauftranche eine Batteriereichweite von 200 Kilometern pro Batteriefüllung garantieren – und zwar ohne wirtschaftliche Einbußen. Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD): „Wir geben der Industrie Anreize, innovative und alltagstaugliche Fahrzeuge zu produzieren."
Der Hamburger Oppositionspolitiker Stephan Gamm (CDU) hält derlei Ankündigungen für „eine Mogelpackung". Die angekündigte Anschaffung elektrogetriebener Busse verdecke, dass die Stadt sehr wohl verstärkt Dieselbusse anschaffen werde: „Bis weit in die 30er-Jahre werden Dieselbusse den Hamburger Fuhrpark dominieren." Tatsache ist: Allein dieses Jahr stehen 118 Dieselstinker auf dem Hamburger Kaufzettel – neben den bis Jahresende geplanten 30 E-Gefährten.
Die in Hamburg oppositionelle FDP hält es sogar grundsätzlich „für falsch", bei der Verkehrswende einseitig auf Elektroantrieb zu setzen. „Stattdessen müssen auch Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe stärker in den Fokus rücken", bemängelt Ewald Aukes, verkehrspolitischer Sprecher der Liberalen. Für ihn ist es „ein Fakt", dass die E-Technologie noch nicht weit genug ist, um den großen Markt des öffentlichen Personennahverkehrs zu bedienen. Die Politik müsse vielmehr Mittel in die Erforschung von E-Antrieben geben. Das sind Argumente, die man auch bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) gut kennt. Der mit über einer Milliarde Fahrgäste pro Jahr größte deutsche Nahverkehrsbetrieb steht unter massiver Kritik: unpünktlich, überfüllt, dreckig. Das soll sich ändern.
Auch weiterhin Dieselbusse
Das Konzept E-Busse ist in Berlin schon länger ein Plan. Seit 2015 fahren fünf E-Busse im Testbetrieb auf der Linie 204 zwischen Bahnhof Zoo und Bahnhof Südkreuz. Eine Besonderheit: die E-Fahrzeuge werden an den Endhaltestellen mittels elektromagnetischer Induktion kabellos über spezielle Bodenplatten aufgeladen – zu 100 Prozent mit grünem Strom, „sodass tatsächlich von einem emissionsfreien Betrieb gesprochen werden kann", rühmen sich die BVG.
Doch es ist ein Test mit Tücken: die fünf E-Busse stehen anders als die rund 1.500 herkömmlichen BVG-Busse unverhältnismäßig häufig in der Werkstatt, berichten Insider. Dennoch will Berlin, ähnlich wie Hamburg, den E-Regelbetrieb einläuten. Das Ziel: bis 2030 eine komplett elektrische Busflotte mit nach und nach 30 Exemplaren bis Jahresende. Das Auftragsvolumen inklusive Ladestellen beträgt rund 18 Millionen Euro. Lieferanten sind Solaris aus Polen für den Typ New Urbino und die Daimler-Tochter Evobus mit dem Modell E-Citaro.
Die schönen neuen E-Busse werden in Berlin wegen ihrer begrenzten Batteriereichweite nur auf kürzeren Nebenstrecken zu sehen sein. Sie sind nämlich nach 150 Kilometern „ausgelutscht". Herkömmliche Dieselbusse schaffen bis zu 500 Kilometer pro Tankfüllung und sind rasch auftankbar.
Wo der Hase im Pfeffer liegt bei solchen Vorhaben offenbarte die Beschaffung der Fahrzeuge – ein Abenteuer für sich. Auf die Ausschreibung hatte zunächst nur ein einziger Hersteller ein Angebot eingereicht, zwei weitere Busfabriken baten um Aufschub. „Die Hersteller rennen uns nicht gerade die Bude ein", resümierte Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner damals. Die Hersteller sind schlicht nicht auf die Nachfrage vorbereitet. Besonders die Batteriehaltbarkeit ist noch ungelöst.
Eigentlich wollten die beiden größten Städte Deutschlands, Hamburg und Berlin, der Industrie gemeinsam mit fünf kleineren ÖPNV-Anbietern als starke Einkaufsgemeinschaft gegenübertreten, um die enormen Anschaffungskosten zu drücken. Die Hoffnung: Steuerzahler und Kunden vor Kosten schonen. Denn der 2020 zur Wahl stehende rot-grüne Senat in Hamburg scheut ausufernde Kostendiskussionen ebenso wie die Rot-Rot-Grün-Koalition von Berlin. Das Vorhaben eines starken Städtebundes gegen Herstellermonopole ist gescheitert: „Inzwischen gibt es eher einen Wettstreit unter den Städten", sagt ein Senatssprecher.
In ihrer Not suchten die Berliner Verkehrsmacher voriges Jahr die Erkenntnisse in der Weite. Gemeinsam reisten Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) und BVG-Chefin Sigrid Nikutta nach China, wo Tausende E-Busse im Einsatz sind. Allein in der Millionenstadt Shenzhen wuseln mehr als 14.000, alle vom eigenen Hersteller BYD, dem inzwischen weltweit größten Hersteller. Der Erkenntnisgewinn des Fernosttrips war freilich gering für die Berliner. Auch in China können Elektrobusse nur kürzere Strecken bewältigen − noch. Sie sind auch keineswegs Wunderwerke der Technik, sondern störanfälliger als Dieselbusse. Und obendrein teuer. Nur eines machen die Chinesen anders als die Deutschen. Sie pumpen massiv Staatsgeld in erwünschte Projekte – nicht nur bei der E-Mobilität. In Deutschland undenkbar. Tatsache ist: Es braucht noch Zeit, Busse zu entwickeln und marktreif zu machen. In Europa stellen derzeit neben Mercedes unter anderem Linkker (Finnland), Solaris (Polen) und VDL (Niederlande) Elektrobusse her. Aber alle sind mit großen Stückzahlen der Städte überfordert, die sich wegen drohender Dieselfahrverbote in Elektromobilität flüchten wollen.
Hersteller noch überfordert
Bei den Berliner Grünen gibt es Sympathisanten für die Idee, anstatt komplett auf E-Busse zunächst auf Erdgasbusse zu setzen. Elektrobusse kosten um die 600.000 Euro – ein Selbstzünder zwei Drittel weniger. Da könne Erdgas als Brückentechnologie für die Senkung der Stickoxidwerte „durchaus sinnvoll" sein, meint Matthias Dittmer, Berliner Grünen-Sprecher für Mobilität. Mit demselben Geld könne man „ein Vielfaches an Erdgasbussen anschaffen".
Vielleicht wären Biogas-Motoren ein Ausweg – im Fuhrpark der Berliner Stadtreinigung (BSR) packen bereits 300 der gut 1.700 Fahrzeuge das brennbare Produkt aus vergorenen Abfällen und nachwachsenden Rohstoffen in den Tank. „Das gewonnene Biogas entspricht 2,5 Millionen Litern Diesel pro Jahr", bilanziert man bei der BSR. „Insgesamt sparen wir durch die Aufbereitung des Bioabfalls jährlich mehr als 9.000 Tonnen CO²."
Kritiker bemängeln, dass E-Busse in Wirklichkeit eine schlechte Ökobilanz hätten. Allein die Batterie könne mehr als fünf Tonnen wiegen und fast die Hälfte ihrer Kapazität für Heizung beziehungsweise Klimaanlage zerrinnen. Manche deutschen Regionen wollen von E-Bussen nichts wissen: In der von einer GroKo regierten Stadt Oldenburg sind nur Busse mit Bio-Erdgas im Tank unterwegs. Deren Laufleistung sei hoch und der Treibstoff günstig, berichtet der Chef der Verkehrsbetriebe, Michael Emschermann. „Umweltpolitisch sind Erdgasbusse ganz weit vorn." Der Regionalverkehr Köln (RVK) setzt auf die Brennstoffzelle. Mit 30 Fahrzeugen vom belgischen Bushersteller Van Hool zum Stückpreis von 650.000 Euro soll dieses Jahr die „größte emissionsfreie Busflotte Europas" entstehen.
Die Technologie mit Wasserstoff gilt bei Fachleuten als weniger ausgereift, als die für Batteriebusse. Aber: Sie braucht nur kurze Tankzeiten und kommt pro Füllung weiter. Erst dieser Tage hat der US-amerikanische Lkw-Hersteller Nikola einen Wasserstoff-Lkw für Europa vorgestellt, der etwa 1.200 Kilometer zurücklegen kann, ohne neu zu tanken.
Warum setzen dann fast alle auf die E-Mobilität? Antwort: auf Druck der dieselgeschädigten Politik. „Senatorin Regine Günther hat auf den Wechsel von Diesel in Richtung Elektrobus bestanden", bestätigt Jan Thomsen, Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Verkehr. Dabei setzt die Behörde auf das Prinzip Hoffnung: „E-Busse werden dann angenommen, wenn sie funktional und komfortabel sind – und vor allem, wenn sie zuverlässig fahren." Das ist so noch nicht bewiesen.
Jörg Wellnitz, Bauprofessor an der TH der Audi-Stadt Ingolstadt, erklärt sich den Run vieler Städte auf E-Busse so: „Zum einen lassen sich Milliarden an EU-Fördergeldern kassieren. Daneben bewahren E-Autos die großen Hersteller vor Strafzahlungen wegen Nichterreichens der EU-Klimavorgaben." Seine Prognose: „Das Wasserstoffauto wird ganz sicher kommen."