Nenad Zakošek sieht den Wahlsieg von Zoran Milanovi´c bei den Präsidentschaftswahlen als „ein Steinchen in der Verteidigung der Demokratie". Zakošek ist Professor für Politikwissenschaften an der Universität Zagreb und berät die Friedrich-Ebert-Stiftung.
Herr Zakošek, alle Experten waren vom Wahlsieg Zoran Milanovic´s überrascht. Sie auch?
Ich war ebenfalls überrascht. Noch in der letzten Woche vor der Wahl führte die aktuelle Präsidentin in allen Meinungsumfragen. Deswegen war schon der Vorsprung Milanovićs im ersten Wahlgang von fast drei Prozentpunkten für alle eine Überraschung. Auch sein Wahlsieg im zweiten Wahlgang mit 52,7 zu 47,3 Prozent fiel deutlicher aus als man erwarten konnte.
Liegt sein überraschender Erfolg an seiner Person oder an besseren Inhalten?
Der Erfolg Milanovićs war nicht das Ergebnis der Inhalte seines Wahlprogramms. Er tat sich sogar hervor durch die Betonung der sehr begrenzten Zuständigkeiten des Präsidenten. Er hatte allerdings zwei Botschaften an die Wähler, die auch in seinem Wahlkampfmotto betont wurden: Er wolle ein „Präsident mit Charakter" sein und durch seine Amtsführung Kroatien zu einem „normalen Land" machen. Damit setzte er sich deutlich gegenüber Kolinda Grabar Kitarović ab, die in ihrer Amtszeit und besonders im Wahlkampf immer wieder skandalöse und teilweise bizarre Aussagen machte. Milanović war auch in den TV-Duellen der amtierenden Präsidentin klar überlegen. Und Milanović konnte zeigen, dass er als Person gegenüber seiner Amtszeit als Premier erfahrener, klüger und zugleich bescheidener geworden ist.
Was heißt das für die Lebendigkeit des Nationalismus in Kroatien?
Nationalismus ist sehr lebendig in Kroatien, aber ist eben doch nicht so stark wie in Ungarn oder Polen. Die kroatische Gesellschaft und Politik ist tief in das rechte und linke Lager gespalten, die ungefähr gleich stark sind. Man darf nicht vergessen, dass Kroatien im Zweiten Weltkrieg (im jugoslawischen Rahmen) eine authentische und starke antifaschistische Partisanenbewegung hatte (das hatten Ungarn, Polen oder Slowaken nicht), auf die sich die heutige Linke beruft. Andererseits hatte Kroatien natürlich auch das faschistische Ustaša-Regime, auf das sich kroatische Nationalisten nicht offen berufen können (obwohl extrem rechte Nationalisten dies tun). Zusätzlich ist das rechte Lager gespalten zwischen moderaten Konservativen um Premierminister Andrej Plenković, die klar europäisch orientiert sind, und den konservativen, stark katholisch geprägten Nationalisten. Diese Spaltung schwächt die regierende nationalistische Partei HDZ.
Korruption war ein wahlentscheidendes Thema. Kann Milanovic´ beim Kampf gegen die Korruption erfolgreicher sein als die Vorgängerin?
Ja, Milanović hat im Wahlkampf immer wieder die Nähe der aktuellen Präsidentin zu korrupten, teilweise kriminellen Personen hervorgehoben und das scharf kritisiert. Er kann durch einfache symbolische Gesten in seiner Amtsführung den Kampf gegen Korruption stärken.
Hat Milanovic´ ein Rezept gegen den Populismus, das auch für andere Länder in Mittel-Osteuropa funktionieren könnte?
Ich glaube nicht, weil die Situation in den Ländern Mittel- und Osteuropas eben unterschiedlich ist. Aber er hat gezeigt, dass man mit klaren Worten und Leidenschaft auch demokratische Wähler mobilisieren kann. Sein Sieg ist ein Steinchen in der Verteidigung der Demokratie gegen rechtspopulistische Nationalisten (wie in Ungarn und Polen) oder auch gegen korrupte linke Nationalisten (wie in der Slowakei und Rumänien).