Das Motto der diesjährigen Fastnacht ist klar. Was macht das Virus mit dem Karneval? Ralf Wagmann, Matthias Grad und Ralf Stein, die Vereinsvorsitzenden der NKV Elversberger Narrenzunft, sorgen sich nicht nur aufgrund von Corona um die Zukunft des Vereins.
Kein Umzug, keine Prunksitzung, keine Kindersitzung, Die NKV Elversberger Narrenzunft sieht sich vor eine größere Herausforderung gestellt als die bloße Bewältigung der Pandemie. Schon im vergangenen Jahr konnten die Fastnachtssitzungen der NKV Elversberg nicht wie gewohnt stattfinden, da der ursprüngliche Veranstaltungsort, die Glückauf-Halle in Elversberg, im November 2019 aufgrund technischer Mängel geschlossen werden musste. Demnach hat der Verein gleich zwei große Probleme: Auch ohne Pandemie hätte sie keine Halle für ihre Sitzungen. Zu Fasching 2020 konnte der Verein dem noch mit Gastauftritten bei benachbarten Vereinen entgegenwirken, „aber wenn sich das Problem dann in einem zweiten Jahr wiederholt, kommen natürlich Motivationsprobleme auf. Die Kinder kann man da noch am besten mitziehen. Aber bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, wie der Tanzgruppe der Aktivengarde, geht einfach die Lust verloren, wenn man weiß, dass sowieso keine Auftritte stattfinden", erklärt Ralf Wagmann, Vorsitzender der Elversberger Narrenzunft.
„Nachwuchs leidet am meisten darunter"
Seine Mitvorsitzenden Matthias Grad und Ralf Stein stimmen dem zu. Matthias Graf erklärt: „Ich denke, dass der Nachwuchs darunter am meisten zu leiden hat", da Kinder und Jugendliche möglicherweise noch nicht in der Lage seien, die Situation so zu verstehen wie Erwachsene. Ralf Stein fügt hinzu, dass die Hauptmotivationspunkte durch die Pandemie wegfallen: „Als Sportler trainiert man meistens für einen Wettkampf, als Akteur trainiert man für die Fastnachtssitzungen. Irgendwo ist da einfach die Gefahr, dass der ein oder andere abspringt." Über den Sommer konnte das Training der Tanzgruppen zwar zeitweise noch stattfinden, doch auch da mussten Abstände eingehalten werden, jeder durfte sich nur in einem abgemessenen Bereich bewegen. Bei einer Tanzgruppe gestalten sich diese Regelungen eher schwierig. Und mit steigenden Infektionszahlen konnte auch diese Art des Trainings nicht mehr fortgesetzt werden.
Doch die Mitgliedszahlen des Vereins sind während der Pandemie recht stabil geblieben. Und finanziell? Das Land bietet zwar Unterstützung für gemeinnützige Vereine an. Da die Elversberger Narrenzunft allerdings nicht als gemeinnütziger Verein gilt, konnte sie das Geld nicht in Anspruch nehmen. Auch, wenn dem Verein durch die Pandemie keine finanziellen Nachteile entstanden sind, sondern eher Kosten gespart werden konnten, machen sich die Vereinsvorsitzenden Gedanken um die Zukunft der NKV Elversberg. „Für uns ist in unserer Sondersituation, durch den Wegfall der Halle, klar, dass wir in Zukunft, um dorthin zurückzukommen, wo wir mal waren, wesentlich mehr Power und Zeit investieren müssen. Ich glaube, dass der ein oder andere jetzt vielleicht auch merkt, was ihm fehlt. Vorher ist immer alles so automatisiert abgelaufen und so gibt es nächstes Jahr vielleicht einen neuen Motivationsschub, um das Ganze am Leben zu erhalten", erzählt Matthias Graf. Für die Zukunft des Vereins nach der Pandemie hat die Lösung des Hallenproblems deshalb erste Priorität. „Es ist eigentlich traurig, dass es in der gesamten Gemeinde Spiesen-Elversberg mit ihren 15.000 bis 16.000 Einwohnern in der Größenordnung keinen Raum gibt, in dem man mit mehr als 100 Personen eine Veranstaltung organisieren könnte", fügt Ralf Wagmann hinzu.
Als Alternative wollte der Verein für die aktuelle Session ein großes Zelt anmieten, doch diese Pläne hat Corona schnell durchkreuzt. „Wir haben die Planung dann in der relativ frühen Anfangsphase eingestellt, weil das unter diesen Umständen ein absolutes finanzielles Desaster geworden wäre. Wir hätten alleine für das Zelt Anschaffungskosten in Höhe eines fünfstelligen Betrages gehabt. Mit den Einschränkungen für Faschingsveranstaltungen, von denen im Sommer noch die Rede war, Personenbegrenzungen und Abstandsregelungen, hätten wir uns das zwar leisten können. Aber danach hätten wir den Laden dichtmachen können. Jetzt ist davon ja sowieso keine Rede mehr, da keine Veranstaltungen irgendeiner Art stattfinden dürfen", erklärt Ralf Wagmann. Diese Entscheidung hält der Vereinsvorstand allerdings auch für richtig. Eine Fastnacht mit Abstands- und Hygienemaßnahmen wäre einfach nicht möglich, denn die fünfte Jahreszeit sei vor allem eine Zeit zum feuchtfröhlichen Feiern. Alkohol spiele dabei keine unerhebliche Rolle, erklärt Ralf Wagmann freimütig.
Keine Online-Veranstaltungen
Sein Mitvorsitzender Ralf Stein versucht, das Ganze positiv zu sehen: „Ich sage immer, es ist nichts so schlecht, dass es nicht für etwas gut ist. Wir hatten schon die ganzen letzten Jahre das Problem, dass die Besucher immer weniger wurden. Das hat nichts speziell mit Corona zu tun, aber die Leute besuchen die Veranstaltungen einfach nicht mehr so gern wie früher. Auch die Motivation, die Vereine zu unterstützen, ist nicht mehr so, wie sie mal war." Deshalb hofft er, dass die Menschen die Fastnacht mit allem, was dahintersteckt, nach der Pandemie wieder mehr zu schätzen wissen. Matthias Graf sieht das ähnlich: „Ich glaube schon, dass man durch diese Zeit insgesamt geerdet wird. Wir hatten viel Operetten-Publikum, und wenn eine Büttenrede nicht gut war, standen die Leute auf und gingen wieder. Ich glaube, dass sich das wieder ändert, und man auch merkt, dass man gemeinsam etwas auf die Beine stellen muss. Es reicht nicht, nur die Top-Comedians im Fernsehen zu sehen, sondern es gibt einem selbst viel mehr, wenn man gemeinsam in einer Halle feiert. Es ist vielleicht nicht genau wie beim Kölner Fasching, aber man macht es gemeinsam, und ich glaube schon, dass dafür das Bewusstsein wieder geschärft wird."
Das gemeinsame Feiern steht für die Vereinsvorsitzenden im Mittelpunkt der Fastnachtszeit, weshalb sie sich auch, anders als andere Vereine, gegen eine Online-Fastnachtssitzung entschieden haben. Zwar hatte auch die Narrenzunft darüber nachgedacht, letztlich jedoch entschieden, dass dem Verein für so ein Vorhaben einfach die Erfahrungen fehlen. „Die Leute über längere Zeit online bei der Stange zu halten, ist schon echt schwer. Für mich ist Fastnacht ein Zusammenkommen in der realen Welt und hat nichts mit Digitalem zu tun. Das transportiert für mich einfach nicht dieselbe Stimmung wie in einem Saal. Deshalb glaube ich, dass es weiterhin so sein wird und es keine Digitalisierung der Fastnacht geben wird. Für unseren Verein ist das einfach nichts – das wäre nicht meine Fastnacht", erklärt Matthias Graf, und Ralf Stein fügt hinzu: „Fastnacht liegt in der dunklen Jahreszeit, um die Leute aus ihren dunklen Zimmern herauszuholen. Das funktioniert digital einfach nicht. Das hat mit Zusammensein zu tun, mit Emotionen und einfach damit, sich gegenseitig zu fühlen."
Für die NKV Elversberg bedeutet die Pandemie aber auch mehr Zeit für Gemeinde und Verein, um das Hallenproblem zu lösen, dass den Verein bedroht. Der Nachwuchs kann nicht gefördert werden; bei den Erwachsenen schwindet die Motivation, da jegliche Perspektive fehlt. Am Ende geht es darum, gemeinsam in der echten Welt eine gute Zeit zu verbringen. Bis dies wieder möglich ist, müssen die farbenfrohen Erinnerungen der vergangenen Jahre reichen.