Warum Fahrradfahrer nicht immer die besseren Menschen sind
In der Öffentlichkeit – nicht nur der grünen – herrscht inzwischen die Meinung vor, das Fahrrad sei das Verkehrsmittel der Zukunft; seine tägliche Benutzung sei edel, hilfreich und gut. Die selbst erstrampelte Fortbewegung auf zwei Rädern sei gesund und halte fit, die Umwelt werde vor klimaschädlichen Autoabgasen verschont, und letztlich sei das Fahrrad die Lösung schlechthin zur Vermeidung des innerstädtischen Verkehrschaos.
Allerdings sei hier eingeräumt, dass die Menschen auf dem Land zum Fahrrad als Verkehrsmittel durchaus eine andere Bewertung haben als die Stadtbewohner.
In einschlägigen städtischen Milieus ist man felsenfest der Überzeugung, der Radfahrer an sich sei der bessere Mensch. Wer Rad fährt, versündige sich nicht – weder an der Natur, noch an sich selbst. Wohl aber gelegentlich an den automobilen Mitmenschen, wie Selbsterfahrungen belegen und wie es der Begriff „Kampfradler" vermuten lässt.
Fakt ist, dass in den grünen Villenvororten unsere Städte in den letzten Jahren eine wundersame Ergänzung zweirädriger Verkehrsmittel stattgefunden hat. Natürlich gibt es beim Herrn oder der Frau des Hauses weiterhin den obligatorischen leistungsstarken SUV für die Einkaufsfahrt in die Innenstadt oder zum Fitnesscenter, Golfplatz oder zum Kindergarten.
Daneben parkt in der Garage noch der sportliche Zweisitzer für Ausflüge ins Grüne und ans Meer. Doch daneben wiederum ist seit geraumer Zeit ein großzügig angelegter Fuhrpark an Zweirädern getreten.
Unverzichtbar ist dabei das City-Bike oder der Beach-Cruiser für alltägliche Fahrten zum Bäcker und die Altstadt. Fürs Image und gelegentliche Fern-Exkursionen nach Tirol oder auf Wiesen und durch Wälder im Bergland steht natürlich ein Mountainbike bereit, für gelegentliche Wettfahrten mit Vereins-Sportskameraden ein super Carbon-Rennrad und für gemächliche Touren ins Flachland mit der Ehefrau ein Hollandrad.
Alles Schnee von gestern! Wer heute an der Spitze des gesellschaftlichen Fortschritts mitfahren will, muss ein Lastenrad im Fuhrpark haben, ein Cargobike. Ohne Lastenrad keine soziale Akzeptanz im Kreis der intellektuellen Klimaretter. Fahrer von Lastenrädern, gleich ob m/w/d, haben sich in den Großstädten unaufhaltsam zu den Beherrschern der Radwege aufgeschwungen. Mehr noch, zu ihren Königen. Und es werden täglich mehr …
Kein Wunder, schon ihr Auftritt ist imposant. Die nachhaltigste Wirkung erzielen dabei Cargobikes mit Frontladern, deren langgestreckte Vorderteile bei Begegnungen mit feindlichen Radlern oder unwilligen Fußgängern wie Rammböcke eingesetzt werden können. Was manchmal sogar ohne Absicht des Lenkers geschieht, da die Beherrschung eines Cargobikes ob seiner Wuchtigkeit eine gewisse Kunstfertigkeit in der Handhabung erfordert.
Konflikte zwischen Radlern und städtischen Flaneuren sind so unvermeidlich, wenn Letztere die Majestät des Rammbock-Königs durch rechtzeitiges Ausweichen partout nicht anerkennen wollen.
Dafür handelt sich der Lastrad-Besitzer aber viele Vorteile ein, denn auf dem Frontlader hat viel und vieles Platz, vorrangig Kinder, die durchs Viertel gekarrt werden. Für Väter finden dort Biertragerl von Bruchbier und Urpils neben Brennholz, Würsten und Schweinhälften für den obligatorischen Schwenker Platz – ab und an sogar eine ganze Bierbank.
Und noch ein weiterer Vorteil bietet der Rammbock: Sollte sich nach einschlägigen Feierrunden mit Vereinskollegen die Rückfahrt gelegentlich holpriger gestalten als gedacht, erweist sich der Frontlader als sehr nützlich beim Heimtransport des bierseligen „Kindes im Manne". So wird aus der „Leerfahrt" eine „Vollfahrt".
Und noch ein Hinweis. Gelegentlich macht sich bei städtischen Mitbewohnern Unmut breit, wenn das Cargobike zwar sperrig, aber ohne Last unterwegs ist. Wenn also energetisch und klimatologisch wertvolle Muskelkraft nutzlos vergeudet wird.
Wie friedensstiftend und verkehrsentlastend wäre es da, wenn der Rammbock-Radler nach Fußgängern Ausschau halten würde? Nicht um sie zu malträtieren – sondern um sie gratis und franko zu transportieren.