Nicht nur die Autoindustrie hat ihre Sorgen. Die deutsche Wirtschaft insgesamt spürt die Abschwächung der Weltkonjunktur. So dürfte sie im kommenden Jahr wohl etwas schwächer wachsen als im vergangenen. Dennoch entstehen weiter neue Jobs, und die Einkommen steigen.
Die sehr die deutsche Wirtschaft inzwischen von einem einzigen Produkt abhängig ist, muss spätestens im Herbst allen klar geworden sein. Da hatten die Autohersteller offenbar etwas Schwierigkeiten, und schon schrumpfte die ganze Wirtschaft. Wenigstens ein bisschen, und nur kurzzeitig. Aber was war da los? Kann die Automobilindustrie die ganze deutsche Wirtschaft aus dem Takt bringen? Was bedeutet das für nächstes Jahr?
Tatsächlich ging es 2018 in den Schlagzeilen und den Wirtschaftsnachrichten – und den Tweets und Hashtags – viel um Autos. „Dieselkrise" hieß es dann meist. Gemeint war weniger der wirkliche Skandal um die geschönten Abgaswerte, als vor allem die neuen Dieselfahrverbote in einigen Städten. Autokäufer waren unsicher: Diesel oder nicht Diesel? Dann brachen im September die Neuzulassungen für Pkw um ein volles Drittel ein.
Gleichzeitig kamen die deutschen Autohersteller auch beim Export unter Druck. Schon 2017 sind die Exportzahlen leicht gesunken, wobei der Rückgang praktisch komplett auf ein Land zurückzuführen war: die USA. „Schon in den letzten Jahren ging der Export in die USA sichtbar zurück. Das liegt insbesondere daran, dass die deutschen Autokonzerne erhebliche Produktionskapazitäten in den USA geschaffen haben", sagt Thomas Puls vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Schon lange vor der Drohung von US-Präsident Donald Trump mit höheren Zöllen für europäische (sprich deutsche) Autos, sanken die Exporte, weil die Firmen zunehmend in den USA selbst produzieren.
Geht es nun abwärts mit der deutschen Autoindustrie? Das wäre kritisch für die deutsche Wirtschaft, immerhin macht sie allein fast fünf Prozent der gesamten deutschen Wertschöpfung aus. Aber so weit sind wir nicht. Tatsächlich sind die Probleme des Herbstes 2018 eher Ausnahmen, bedingt vor allem durch eine neue Prüftechnik bei den Pkw-Zulassungen. Darum haben die Autohändler im Juli und August noch verkauft, was sie konnten, und nach dem Einbruch im September ging es im Oktober und November bereits wieder kräftig nach oben. Insgesamt dürfte es dieses Jahr daher nur ein minimales Minus gegeben haben, kündigte der Automobilverband VDA an. Das Jahr sei daher insgesamt „erfreulich" verlaufen.
Rückgang bei Neuzulassungen
Auch von Dieselkrise gibt es eigentlich keine Spur: Der Selbstzünder hat bei den Zulassungen wieder einen Anteil von einem Drittel. Das, was derzeit an Umweltschutz in den Städten diskutiert wird, dürfte den Absatz neuer Autos daher nicht hemmen, sondern eher noch als Verkaufsprogramm wirken. Was langfristig, in den nächsten Jahrzehnten, aus dem deutschen Auto wird, das ist allerdings eine ganz andere Frage.
Für das nächste Jahr dürfte das alles noch ziemlich egal sein. Aber offenbar macht sich bei den Managern doch eine gewisse allgemeine Unsicherheit breit. Die deutsche Industrie verliert seit etwa einem Jahr an Dynamik. Wird sie sich nur noch mit „Tempo 30" bewegen?
Ähnliches gilt für Frankreich und besonders Italien. Die deutsche Exportwirtschaft zeigt sich derzeit generell skeptischer, ihre Exporterwartungen, die man in Umfragen erfasst, sinken seit über einem Jahr. Phil Smith, ein Ökonom von der Analysefirma IHS Markit hat beobachtet, dass die deutsche Volkswirtschaft zuletzt erheblich an Dynamik verloren hat. Insbesondere die Schwäche der Exportmärkte sei zu spüren. „Wegen rückläufiger Ausfuhren nach China, Italien und in die Türkei schlug beim Exportneugeschäft in der Industrie das höchste Minus seit fast sechs Jahren zu Buche", sagt Smith. Was passiert, wenn es jetzt weiter abwärts geht?
Neben der Autoindustrie ist es vor allem die große Weltpolitik, um die sich die Volkswirte sorgen. „Es macht derzeit einfach keine Freude, nach vorne zu blicken", resümiert Andreas Scheuerle von der Deka-Bank. „Es droht eine Eskalation der Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China, beziehungsweise der EU, es droht ein Haushaltsstreit mit Italien im Vorfeld der Wahlen zum EU-Parlament, und es droht der Brexit." Da es keine Erfahrung mit solchen Austritten aus der EU gibt, kann niemand sagen, wie sehr die deutsche Industrie betroffen sein wird, wenn die Ausfuhren nach Großbritannien nicht mehr so laufen wie bisher. Großbritannien liegt bei den Hauptexportländern der Deutschen auf Platz vier, gleich nach China.
Nur in Deutschland selbst wird derzeit gekauft wie nie. Immer noch entstehen neue Jobs, wieder sind eine halbe Million in einem Jahr dazugekommen. Es scheint genug Arbeit zu geben, auch für Zugewanderte und Flüchtlinge. Es gibt inzwischen fast 45 Millionen Erwerbstätige, ein historischer Rekord. Die Arbeitslosigkeit sinkt weiter, sie liegt nur noch bei etwas über fünf Prozent. Viel besser geht es wirtschaftlich gesehen eigentlich nicht.
Weiterhin entstehen neue Jobs
Aber die Wachstumsprobleme sind jetzt deutlich sichtbar: Der Zuzug in die großen Städte macht Wohnungen knapp, die Mieten steigen bei Neuabschlüssen immer noch deutlich, und die Baufirmen haben Probleme, mit den Bauaufträgen für neue Wohnungen nachzukommen. Dabei steigen die Reallöhne seit Jahren. Viele Menschen haben genug Geld in der Tasche, um einzukaufen, bis hin zu Wohnungen und Häusern. Die Folge: Die Preise von Wohnimmobilien sind in den vergangenen zehn Jahren deutschlandweit um knapp 50 Prozent gestiegen, in den Metropolen sogar um 80 Prozent. Zwar dürften sich diese Preisanstiege 2019 nicht in gleichem Maße fortsetzen. „Ein Ende des Aufwärtstrends für Deutschland insgesamt ist aber nicht so schnell zu erwarten", sagt Marco Bargel, Chefvolkswirt der Postbank. Bei Baufirmen und Handwerkern gibt es Engpässe und lange Wartezeiten, die sich auch in deutlich steigenden Preisen für ihre Arbeit widerspiegeln.
Eigentlich wäre es höchste Zeit für die Notenbank, darauf zu reagieren und die geldpolitischen Zügel anzuziehen, also den Leitzins zu erhöhen. Aber die Währungshüter in Frankfurt müssen die ganze Eurozone im Blick behalten, nicht nur Deutschland. Und da gibt es vor allem Italien, dessen Wirtschaft seit zehn Jahren nicht richtig auf die Beine kommt und es den Banken daher auch nicht besonders gut geht. Die Regierung in Rom will darum mehr staatliches Geld ausgeben als ursprünglich vereinbart, um die eigene Wirtschaft am Laufen zu halten. Das will die EU-Kommission in Brüssel wiederum nicht. Sogar die eigene italienische Industrie stellt sich wegen der hohen Marktzinsen dagegen. Sie kritisiert außerdem, dass die Regierung Geld für Konsumausgaben verschwende und so ein Defizitverfahren heraufbeschwöre.
Unterdessen dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) noch abwarten. Frühestens im nächsten Herbst sei mit Zinserhöhungen zu rechnen, glauben Volkswirte. Das bedeutet aber erst mal nicht mehr als dass aus den negativen Einlagezinsen, die die Banken bei der EZB zahlen müssen, wieder eine Null wird. Bis zuletzt kaufte die EZB Anleihen auf, erst nächstes Jahr wird sie wohl damit aufhören – solche Käufe sind eigentlich für Krisenzeiten gedacht. Bis die Sparzinsen für die Sparer steigen, wird es noch lange dauern: frühestens ab 2020.
Wobei alle davon ausgehen, dass es bis dahin nicht zu einem echten Abschwung kommt. Denn dann kann die Notenbank die Zinsen auch wieder nicht erhöhen. So hat sich Deutschland seit Jahren an einen, historisch gesehen, extremen Niedrigzins gewöhnt. Viel Geld fließt in Bauprojekte und riskante Start-ups. Die brauchen den niedrigen Zins, weil Investoren dann viel Geld übrig haben und recht freizügig damit umgehen. Bis auf Weiteres wird das wohl so bleiben.