Der Saar-Ringer Kosta Schneider geht nach China – zumindest vorerst. Dort soll er als Trainer Talente fördern. Langfristig will er aber wieder im Saarland arbeiten. Und er findet deutliche Worte.
In China war Konstantin Schneider schon einmal. Damals 2008 gehörte der ehemalige Kapitän des Ringer-Bundesligisten KSV Köllerbach sogar zu den deutschen Medaillen-Hoffnungen bei den Olympischen Spielen von Peking. „Die Reise war lang, die Sicherheitsvorkehrungen gewaltig", erinnert sich „Kosta" im Gespräch mit FORUM, „das olympische Dorf war eine Stadt für sich. Und diesen Moment, als ich bei der Eröffnungsfeier ins ausverkaufte Stadion einmarschieren durfte, werde ich wohl mein Leben lang nicht mehr vergessen. Gänsehaut pur. Einfach atemberaubend. Und ich habe irgendwie nur gehofft, dass meine Familie und Freunde mich vielleicht für einen kurzen Moment im Fernsehen sehen können."
Für eine Medaille hat es damals nicht gereicht. Der Druck zu groß, die Konkurrenz zu stark. Wie schon vier Jahre zuvor in Athen. Platz neun wurde es am Ende – zu wenig für die eigenen Hoffnungen und hohen Erwartungen des Umfelds. Dennoch: Schneider gehörte zu den Aushängeschildern des deutschen Ringkampf- und natürlich des Saarsports. Geboren wurde der Zweite der Weltmeisterschaften 2003 und Dritte 2005 allerdings nicht in Deutschland. Als kleiner Junge übersiedelte er mit seiner Familie aus Funse in der Sowjetunion nach St. Ingbert im Saarland. Dort begann er mit dem Ringen, der Papa war der erste Trainer. 1995 machte er als Zweiter der Junioren-WM im griechisch-römischen Stil in Teheran erstmals von sich reden. In der Bundesliga ging Schneider für die Traditionsvereine VfK Schifferstadt, KSV Köllerbach und zuletzt den TuS Adelhausen auf die Matte. Bei den Saarland Spielbanken erlernte er den Beruf des Croupiers, auch darum ist das Saarland für Schneider „Heimat".
Doch jetzt zieht es ihn erneut nach China – vorerst für ein halbes Jahr wird Schneider an der Sportschule in Guangzhou als Trainer für den chinesischen Ringerverband arbeiten. „Der Kontakt kam über einen Sportmanager", erzählt Schneider, „ich musste nicht lange nachdenken." Zumal das Angebot deutlich weitergeht. Sollte sich die Zusammenarbeit in der Probezeit bewähren, wird Schneider die chinesischen Talente auch auf dem Weg zu den nächsten Spielen 2020 nach Tokio begleiten. „Das ist natürlich eine große Herausforderung und eine Chance, mir als Trainer einen Namen zu machen", sagt der St. Ingberter. Das Niveau des chinesischen Ringens ist derzeit eher zweitklassig. „Ich habe mir schon verschiedene Videos angeschaut. Körperlich sind sie sicher sehr weit, aber technisch und taktisch gibt es noch deutliches Entwicklungspotenzial. Ich denke, dass man gerade bei den jungen Sportlern schneller Fortschritte erzielen kann als bei denen, die Abläufe bereits verfestigt haben." Schneider hat in Deutschland die Trainerlizenzen B und C gemacht, arbeitet auch am Erwerb der A-Lizenz. „Doch das ist halt zeitintensiv", erklärt Schneider, der noch immer 83 Kilo auf die Waage bringt und wirkt, als könne er selbst noch sofort mitringen. „Das ist, denke ich, auch ein Vorteil – ich kann vieles noch vormachen, damit werden dann auch Sprachbarrieren deutlich nierdriger", sagt Schneider, der neben Deutsch und Russisch auch Englisch spricht. Die chinesischen Gastgeber stellen ihm einen Dolmetscher zur Seite. „Ich hatte ja selbst einige sehr gute Trainer, und von jedem habe ich mir etwas abschauen können. Das Wichtigste ist, die eigene Technik im Wettkampf erfolgreich anzuwenden. Das ist das ganze Geheimnis." Er lächelt, wohlwissend, wie schwer das am Ende ist.
Noch viele Freunde beim KSV
Die Sportschule in Guangzhou ist eine der größten Chinas und gilt neben dem Trainingszentrum in der Nähe der Hauptstadt Peking als die Medaillen-Schmiede im Reich der Mitte. Über 18.000 Athletinnen und Athleten aus nahezu allen Sportarten leben, lernen, studieren und trainieren dort unter hervorragenden Bedingungen. Schneiders Familie dagegen bleibt im Saarland. „Meine Söhne sind elf und 16. Sie hatten sich schon gefreut, weil sie dachten, sie dürfen gleich mit", so der Saarländer, „aber sie werden in den Ferien sicher einmal zu Besuch kommen." Bei seinem Arbeitgeber hat er sich freistellen lassen. „Dafür bin ich sehr dankbar." Denn schließlich will Schneider irgendwann wieder zurück nach Deutschland – natürlich am liebsten als Trainer. „Ich hatte dem Saarländischen Ringerverband schon vor einiger Zeit meine Dienste angeboten", sagt Schneider, „wir werden sicher noch mal sprechen, wenn ich zurück bin."
Seit über drei Jahrzehnten ist Schneider im Ringersport unterwegs. Zur aktuellen Lage des Sports hat er eine klare Meinung. „Wir brauchen in Deutschland wieder eine 2. Bundesliga. Alle Sportarten sind pyramidal aufgebaut, der Zwischenschritt ist gerade für den Nachwuchs sehr wichtig", sagt Schneider, der als Aktiver auch in der international nicht anerkannten deutschen Profi-Liga für Ispringen angetreten ist. „Die Bundesliga-Clubs könnten sich im Bereich Vermarktung verschiedene Dinge abschauen. Das ist sicher nötig", sagt Greco-Spzialist Schneider, erteilt der Profi-Liga in der derzeitigen Ausprägung aber eine klare Absage: „Der Ansatz dort ist halt total falsch. Man versucht, nur mit ausländischen Sportlern zu arbeiten. Der deutsche Nachwuchs interessiert dort keinen. Das kann es nicht sein. Die ausländischen Athleten können noch so gut sein, am Ende möchte das doch keiner sehen."
Dass „sein" KSV Köllerbach in dieser Saison bereits im Viertelfinale ausgeschieden ist, sei „nicht gut für das Ringen im Saarland. Ich habe noch viele Freunde beim KSV. Es gab dort schon früher immer mal wieder interne Probleme, gerade mit eigenen Sportlern. Man muss sich einfach an einen Tisch setzen und Klartext reden."
Dass man ihn auf sarländischen Ringermatten wiedersehen wird, hält Schneider für „sehr, sehr wahrscheinlich". Doch jetzt ist er aufgebrochen nach China. Zu einem Stück „Völkerverständigung durch Sport" und zur vielleicht größten Herausforderung seines Lebens: Der Saarländer mit russischen Wurzeln will chinesische Sportler an die Weltspitze führen.