1,5 Billionen Euro – so viel wird die Pandemie laut Schätzungen des Finanzministeriums in diesem und im nächsten Jahr kosten. Trotzdem fallen noch immer Menschen durch das Hilfsraster, die Automobilindustrie ächzt unter einer Doppelbelastung.
Der Bund gibt Billionen Euro im Laufe der Pandemie aus – von der Maske über Corona-Soforthilfe bis zu Überbrückungskrediten. Gewaltige Summen, die den Konjunktureinbruch allerdings kaum abmildern können. Preisbereinigt zum Vorjahresquartal ist das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Vierteljahr um 11,3 Prozent gefallen, teilte das Statistische Bundesamt mit. In der Finanzmarktkrise 2009 sank es nur um 5,7 Prozent. Und laut dem Wirtschaftsinformations-Unternehmen Creditreform hat sich der Geschäftsklimaindex in Deutschland dramatisch verschlechtert. Im Herbst ist er nun auf den niedrigsten Stand seit dem Finanzcrash 2009 gefallen. „Unsere Erhebung aus dem September fällt in eine unübersichtliche Zeit", sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Denn eigentlich sieht bislang alles gut aus. „Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist mitten in der größten Krise stark rückläufig, der Arbeitsmarkt weitgehend stabil und die Finanzierungssituation der Betriebe noch immer positiv. Die – in Anbetracht der historischen Rezession – scheinbar entspannte Situation ist jedoch die Folge fiskalpolitischer, geldpolitischer und regulatorischer Maßnahmen, die derzeit massiv auf die deutsche Volkswirtschaft einwirken", so Hantzsch weiter. Beispiele dafür sind die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, das Kurzarbeitergeld, die staatlichen Hilfskredite und Überbrückungshilfen sowie umfangreiche Garantien für Unternehmen.
Dennoch zeigen sich auch innerhalb von Branchen große Unterschiede in Abhängigkeit von Geschäftsmodell und Kundensegment. Dort wo digital weitergearbeitet werden konnte, ergaben sich kaum Verwerfungen – Homeoffice sei Dank. Im Dienstleistungs- und Unterhaltungssektor dagegen schon: Tontechniker, Sänger, Fitnesstrainer, Grafikdesigner, viele Solounternehmer stehen mit dem Rücken zur Wand – oder beziehen bereits jetzt schon Hartz IV.
Insolvenzen sind gerade stark rückläufig
Auch die Automobilindustrie, einst Deutschlands Aushängeschild in der Welt, kämpft an mehreren Fronten; eben nicht nur mit den Auswirkungen der Pandemie, sondern vor allem mit den technologischen Veränderungen. Das Geld für den Umbau hin zu Elektro, Wasserstoff, Hybriden soll aus dem Kerngeschäft, dem Autobau, kommen – und der steht wegen der Pandemie unter Druck. Neuzulassungen in Deutschland sind rückläufig. Im September stieg in diesem Jahr erstmals die Zahl der neuen Pkw um 8,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat wieder an, vermeldete das Kraftfahrtbundesamt. Die Trendwende? Noch nicht sicher. Zusätzlich wirkt sich das Absatz-Tal auf die Zulieferer aus, die, wie das Beispiel Schaeffler zeigt, an manchen Stellen den Trend zur internen Veränderung auch schlicht verschlafen haben. Jetzt plötzlich soll die Belegschaft nach Ausdünnung von 4.400 Stellen globaler ausgerichtet werden, der Schwerpunkt in Deutschland passt nicht mehr zur Realität des Schaeffler-Geschäfts. Branchenumbruch plus äußere Krise machen das Unterfangen an einigen Stellen fast unmöglich – für den Unternehmer und den Angestellten.
Immerhin, einen Lichtblick gibt es: Besonders belastete Unternehmen können ab sofort weitere Überbrückungshilfen beantragen. Dabei geht es um Zuschüsse zu betrieblichen Fixkosten wie Mieten für die Monate September bis Dezember. Voraussetzung ist, dass ein Unternehmen hohe Umsatzausfälle hat, teilt das Bundeswirtschaftsministerium mit. Mit den Hilfen soll vor allem Firmen geholfen werden, die durch behördliche Anordnungen oder Hygieneregeln weiter geschlossen seien oder nur mit halber Kraft fahren könnten. Der Bund wird also weiterhin Geld ausgeben müssen, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Bislang zeigen die reinen Zahlen, dass die Auswirkungen noch beherrschbar sind – bis jetzt. Jedem, der in der einen oder anderen Krise seinen Job verloren hat, wird das kein Trost sein. Nun gilt es, auch diejenigen aufzufangen, die bislang durch das Hilfsraster gefallen sind – bis nach der zweiten Welle.