Über 30 Prozent der saarländischen Landesfläche sind nicht bebaut oder Ackerfläche, sondern Wald. Bei richtiger Nutzung kann er einiges gegen den Klimawandel beitragen, auch wenn er durch denselben bedroht ist.
Wald gibt es im Saarland viel: Rund ein Drittel der Landesfläche, circa 90.000 Hektar, besteht aus Forst. Dieser lässt sich grundsätzlich in drei Kategorien einteilen: den Staatswald, den Kommunalwald und den Privatwald – für Tiere ein wichtiger Ort als Wohnraum, für die Futtersuche und für den Mensch, um sich zu erholen. Aber der Wald bietet noch deutlich mehr. Er ist zum Beispiel ein wichtiger Rohstoffgeber und erhält und schafft dadurch Arbeitsplätze in der Wirtschaft. Außerdem spielt er eine enorm wichtige Rolle als CO2-Senke: Während des Wachstums nehmen Bäume jeden Tag Kohlendioxid aus der Luft, nehmen dieses in sich auf oder verwerten es durch Photosynthese zu Sauerstoff. Das passiert in einer Größenordnung, die man nicht unterschätzen sollte. Michael Klein, Vorsitzender des saarländischen Waldbesitzerverbandes (WBV), sagt: „Um mal die Dimensionen greifbar zu machen: Deutschlandweit bindet der existierende Wald so viel CO2, wie der Verkehr mit Bahn, Flugzeugen Schiffen und Autos im Jahr verursacht." Er ist also ein Raum, den es zu schützen und zu pflegen gilt.
Gleichzeitig setzt der immer weiter voranschreitende Klimawandel den Forst einem unglaublichen Stress aus. Jedes Jahr erreichen uns Meldungen von Schädlingsbefall, Schäden durch die enorme Trockenheit oder andere Extremwetterereignisse. Der Bestand vieler Baumarten, die es im Saarland gibt, weist deutliche Spuren der letzten Jahre auf, allen voran die Fichte, die durch die Verbreitung des Borkenkäfers bedroht ist. Das niederschlagsreiche und kühle vergangene Jahr 2021 bot zwar für viele Baumarten die Möglichkeit, kurz aufzuatmen, kann aber nicht die außergewöhnlich großen Schäden, die beispielsweise in den drei enorm heißen und trockenen Jahren 2018 bis 2020 entstanden sind, kompensieren. Wie aber könnte man den Wald trotz Klimawandel und Schädlingen erhalten?
Das Zauberwort heißt dabei Substitution, die Verwendung von Holz statt von Rohstoffen wie Glas, Metall oder Zement. Waldbesitzer Klein erklärt das so: „Jeder Kubikmeter Holz bindet während seines Wachstums Kohlenstoff und entlastet damit unsere CO2-Bilanz. Wenn wir dieses Holz dann nehmen und zum Beispiel eine Tischplatte daraus herstellen, bleibt das vom Baum aufgenommene CO2 gebunden. Das heißt, ein Holztisch ist ein natürlicher CO2-Speicher." Durch den Einsatz von Holz als Baustoff spart man also nicht nur CO2 gegenüber der energieintensiven Herstellung von Metall oder Glas ein, sondern man zieht dauerhaft Kohlenstoff aus dem Kreislauf heraus. Genau das Gegenteil dessen, was wir bei dem Verbrennen von fossilen Energieträgern, wie Öl oder Gas tun.
„Wald, der nicht genutzt wird, ist verschenktes Potenzial"
Deshalb setzten sich der Waldbesitzerverband und Michael Klein für nachhaltiges Wirtschaften im Wald unter dem Slogan „Forstwirtschaft ist nicht das Problem, sondern die Lösung!" ein. Er fordert, dass im großen Stil wieder mehr Holz verwendet wird, zum Beispiel in der Bauwirtschaft, die global für einen bedeutenden Teil des CO2-Ausstoßes verantwortlich ist. Klein: „Würden wir da mehr auf den natürlichen Rohstoff Holz setzen, kann das für das Klima eine nachhaltige positive Wirkung haben. Deswegen ist meiner Meinung nach jedes Stück Wald, das nicht genutzt wird, das man sich einfach selbst überlässt, verschenktes Potenzial. Auch wenn es einige gibt, die sich das wünschen. Denn verrottendes Holz setzt sein Kohlenstoffdioxid genauso wieder frei, wie wenn man das Holz verbrennt, nur im Zeitlupentempo."
Mit dem saarländischen Umweltministerium stimmt er dabei nicht zu 100 Prozent überein. Mit dem Masterplan für den Wald aus dem Jahr 2019 und bekräftigt durch die Befunde der jährlichen Waldzustandsberichte verfolgt das Ministerium unter Reinhold Jost den Plan, die Gesamtfläche des Waldes trotz industrieller Nutzung weiter wachsen zu lassen. Konkret sollen pro Hektar Wald 42 Festmeter (ein Festmeter entspricht einem Kubikmeter) Holz bis 2029 hinzukommen, um einen Wert von 400 Festmeter pro Hektar zu erreichen. Davon erhoffen sich die Beteiligten ein gestärktes Waldökosystem und ein geschütztes Waldinnenklima, welches den Herausforderungen des Klimawandels besser gewachsen ist. Denn der Wald befindet sich weiterhin im „Klimastress": 37 Prozent aller saarländischen Bäume weisen deutliche Schäden zum Beispiel an ihren Kronen auf.
Allerdings ist das reine Anwachsenlassen von Baumbestand keine Dauerlösung. Für Klein verliert ein zu dichter, ungenutzter Wald ab einem gewissen Zeitpunkt seine Fähigkeit, weiterhin effizient Kohlenstoffdioxid zu speichern. „Wenn man einen Wald immer weiter wachsen lässt, wird er logischerweise immer dunkler", so der Waldbesitzer, „das bedeutet dann aber, dass der Baumbestand deutlich länger braucht, um sich zu regenerieren und nachzuwachsen, da die Samen und Triebe Licht brauchen, um zu wachsen." Irgendwann sei so der Punkt erreicht, an dem mehr Holz im Wald verfault als nachwachsen würde, so Klein. Für ihn überwiegen die Vorteile, die eine moderne Waldnutzung mit sich bringt – eben auch für das Waldbiotop. Klein: „Man muss dazu wissen: Die meisten heutigen Fauna-Flora-Habitat-Gebiete, kurz FFH-Schutzgebiete, sind das Ergebnis einer nachhaltigen Bewirtschaftung, nicht vom Nichtstun. Das mag auf den ersten Blick komisch wirken, aber es zeigt ganz klar, dass Bewirtschaftung keinesfalls das Ende von Biodiversität und Naturschutz im Wald bedeutet. Das Gegenteil ist der Fall."
Forststrategie wird an aktuelle Erkenntnisse angepasst
Außerdem sei eine zeitgemäße Forstwirtschaft in Deutschland auch nicht unbedingt so, wie man sie sich in unserem hoch technisierten Wirtschaftssystem vorstellt. Denkt man bei bewirtschaftetem Walde an Monokulturen, die in einem festgelegten Abstand zueinander wachsen und alle circa das gleiche Alter haben, dann sucht man im Saarland lange danach. Die Realität, sofern sie überhaupt irgendwann so ausgesehen hat, ist eine andere. Klein: „Natürlich haben wir auch aus den Fehlern in unserer Vergangenheit gelernt. Wenn man heute in einen Nutzwald geht, sieht man eigentlich keine Monokulturen mehr, sondern immer häufiger eine Mischung verschiedener Baumarten." Was auf den ersten Blick unwirtschaftlich wirkt, gerade weil man zum Hieb manchmal nur per Handarbeit statt mit schwerem Gerät weiterkommt, birgt Vorteile, die diesen kleinen Nachteil bei Weitem überwiegen. „Langfristig gedacht ist es für uns Förster wesentlich sinnvoller und wirtschaftlicher, weil dieser Wald stabiler ist." Stabil heißt: Sollte eine Baumart durch einen Schädling oder die sich ändernden Umweltbedingungen angegriffen werden, gibt es noch genug andere Baumarten im selben Gebiet, die von den neu entstandenen Lücken profitieren und so den Holznachschub stabilisieren. Außerdem spart es Geld, wenn der Wald in einem Zustand gehalten wird, in dem er selbstständig in der Lage ist, Holz, das aus ihm gewonnen wird sowie Bäume, die beispielsweise einem Sturm zum Opfer fallen, zu regenerieren. Denn auch Setzlinge aus der Baumschule haben ihren Preis. So gehen für Klein die bestmögliche Nutzung seines Eigentums und ein gesunder Wald miteinander Hand in Hand, statt sich gegenseitig auszuschließen.
Wie sich die Zukunft des saarländischen Waldes konkret darstellen wird, ist wie ein Blick in die Glaskugel. Es wird dauerhafte Veränderungen geben, denn manche Prozesse wie das Sterben der Fichte sind wahrscheinlich schon so weit fortgeschritten, dass sie kaum noch auf ein früheres Maß rückgängig zu machen sind. Das bedeutet aber nicht, dass die Zukunft düster sein muss. Wie bei vielen wichtigen Fragen dieses Jahrhunderts geht es im Kern darum, ob wir den Klimawandel aufhalten können und, falls wir das schaffen, wie viel wärmer es dann bei uns geworden ist. Sowohl vonseiten der Politik als auch vonseiten der privaten Waldbesitzer gibt es ein großes Interesse, den saarländischen Wald bestmöglich zu erhalten. Aber es gibt kein Patentrezept und der beste Weg ist vielleicht auch noch nicht gefunden oder, wie Minister Jost im Rahmen der Vorstellung des Waldzustandsbericht feststellte: „Diese Forststrategie ist natürlich nicht in Stein gemeißelt, sondern unterliegt einem stetigen Prozess der Evaluierung und des Nachbesserns."