Gerade mal zwei Stunden braucht der Schnellzug von der saarländischen in die französische Hauptstadt, wo die Olympischen Spiele 2024 stattfinden. Dies und „herausragende Bedingungen“ an der Hermann-Neuberger-Sportschule sollen Weltklasse-Athleten ins Saarland locken.
So etwa könnte ein klassischer Fußball-Schlachtruf im Jahr 2024 umgedichtet werden: „Paris, Paris, wir fahren nach Paris“ – Ergänzt mit dem sperrigen Zusatz „…am besten von Saarbrücken aus“. Im kommenden Jahr werden die Olympischen und Paralympischen Spiele in der französischen Hauptstadt ausgetragen. Die Spitzenfunktionäre des Sports im Saarland wollen diese Gelegenheit nutzen, um den Sportstandort weltweit bekanntzumachen. Unter anderem mit der Strategie, Sportverbände aus aller Welt für sogenannte „Precamps“ an der Hermann-Neuberger-Sportschule zu gewinnen. Demnach sollen Nationalmannschaften unterschiedlichster Sportarten im Vorfeld, aber auch während der Olympischen Spiele, ihre Trainingslager und Lehrgänge vor wichtigen Wettkämpfen hier einrichten. Zur Zielgruppe dieser Strategie gehören nach Johannes Kopkow, Vorstand Sport und Vermarktung des Landessportverbandes für das Saarland (LSVS), „jede und jeder Sportlerin und Sportler. Egal, ob es dabei weit nach vorne oder hoch hinaus gehen soll, ob etwas geworfen oder ob gesprungen wird: Wir möchten hier jeden herzlich willkommen heißen und befinden uns deshalb mit vielen Akteuren im Austausch.“ Erste Verbände haben sogar schon zugesagt.
Hervorragende Infrastruktur
Ein Argument, das für die saarländische Landeshauptstadt spricht: die kurze Anreise in die französische Metropole. Oder anders ausgedrückt: „In den Vorort von Saarbrücken“, wie es der saarländische Innen- und Sportminister Reinhold Jost scherzhaft betont. „Wenn man in Saarbrücken in den Zug steigt, ist man schneller an den Olympischen Sportstätten, als wenn man am falschen Ende von Paris mit dem Auto losfährt.“
Darüber hinaus bietet die herausragende Sport-Infrastruktur mitten im Saarbrücker Stadtwald alles, was das Sportlerherz begehrt. Das bestätigen jedenfalls diejenigen, die schon einmal hier trainiert haben. Zum Beispiel der südkoreanische Hochspringer Woo Sang-hyeok. Der Vize-Weltmeister von Eugene/USA 2022 und Hallen-Weltmeister hatte sich 2022 erstmals in Saarbrücken auf Wettkämpfe vorbereitet und war zu Beginn des Jahres 2023 mit weiteren Nationalmannschaftskollegen erneut hier zu Gast. „Ich persönlich denke, hier in Saarbrücken ist es wirklich nett. Hier herrschen perfekte Trainingsbedingungen. Es ist auch einfach, sich hier besonders gut auf die Aufgaben zu konzentrieren, die vor uns liegen. Deshalb bin ich sehr froh, wieder hier zu sein“, sagte Woo Sang-hyeok Mitte Januar im SR-Fernsehen und verriet schon mit Blick auf die Olympischen Spiele in Paris: „Wir wollen hier trainieren, damit wir wettbewerbsfähig sind. Sowohl in der Halle, als auch bei Freiluft-Wettkämpfen. Wenn sich nichts Grundsätzliches ändert, werden wir im Vorfeld der Olympischen Spiele von Paris erneut hier in Saarbrücken Station machen.“ Vor ihm gastierten unter anderem schon Speerwurf-Olympiasieger Neeraj Chopra aus Indien und auch der ukrainische Weltklasse-Schwimmer Andrij Howorow zu Trainingszwecken im Saarland. Die deutsche Triathlon-Nationalmannschaft hat schon zugesagt, ihre „Precamps“ zu den Paralympischen und Olympischen Spielen in Saarbrücken zu absolvieren.
Auch die Landespolitik hat das Potenzial dieser „Paris-Strategie“ des organisierten Sports im Saarland erkannt und sieht darin eine große Chance. Die Mega-Events in der unmittelbaren Nachbarschaft sollen genutzt werden, um das Image des kleinsten Flächenlandes der Republik nachhaltig zu beeinflussen. Um diese große Aufgabe zu meistern, hat das Ministerium für Inneres, Bauen und Sport eigens eine Koordinierungsstelle eingerichtet. Zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Julia Hübner wird Leiterin Katrin Thomas „die vielen Ansätze und Ideen der einzelnen Ministerien zu diesem Thema zusammenbringen, eine solide gemeinsame Basis errichten und von dort aus in die konkrete Umsetzung starten“, wie Thomas sagt. Eine Imagekampagne soll die Saarländerinnen und Saarländer, aber auch mögliche Touristinnen und Touristen für das Vorhaben und das kleinste Flächenland der Bundesrepublik begeistern. „Wenn uns das gelingt, wird es hier ein Feuerwerk spannender Events geben – und zwar nicht erst im Olympiajahr 2024, sondern schon im laufenden Jahr“, ist sich Katrin Thomas sicher.
Einheimische Sportler sollen profitieren
Das hört man wiederum beim LSVS gern. „Grundsätzlich sind wir zunächst einmal froh darüber, wie das Saarland und auch der LSVS über das Vehikel der Olympischen Spiele in Paris wahrgenommen werden“, sagt der für die Vermarktung und den Sport zuständige Vorstand. Die frühe Zusage des indischen Speerwurf-Olympiasiegers von Tokio 2021, Neeraj Chopra, seine jeweils dreimonatigen Sommertrainingslager der Jahre 2023 und 2024 in Saarbrücken abzuhalten, „war im wahrsten Sinne des Wortes nur die Speerspitze. Wir haben hier ja deutlich mehr Kapazitäten für unterschiedliche Sportarten und die versuchen wir jetzt, gemeinsam auszureizen.“ Allerdings sollen auch die saarländischen Sportlerinnen und Sportler von der Strategie profitieren. „Wir wollen unsere eigenen Olympia- und Paralympics-Kandidatinnen und -Kandidaten bestmöglich unterstützen. Hier sind wir sehr dankbar darüber, dass uns die Landesregierung dabei mit bis zu 600.000 Euro unterstützen wird“, sagt Kopkow und kündigt an: „Die entsprechenden Maßnahmen sind bereits gestartet und werden dann bis zu den Spielen ihre volle Wirkung entfalten.“
Diese Maßnahmen betreffen die Infrastruktur der Sportstätten, aber auch die notwendige Sanierung und Modernisierung der Unterkünfte. Alles muss im Eiltempo über die Bühne gehen, schließlich sollen die Weltklasse-Sportlerinnen und -Sportler schon in diesem Jahr die bestmöglichen Rahmenbedingungen vorfinden. Vieles hat sich schon getan, manches ist noch in Arbeit. Doch wie kann der gerade erst wirtschaftlich sanierte LSVS diese Maßnahmen überhaupt finanzieren? „Wir sind der Auffassung, dass bei der Bezuschussung durch den Bund beispielsweise für Kommunen andere Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie der LSVS auch eine ist, hintenangestellt werden können“, sagt LSVS-Präsident Heinz König und ergänzt: „Wir sind der Meinung, dass wir – genauso wie eine Gebietskörperschaft – ebenfalls vom Bund gefördert werden könnten und sollten. Der neue Innen- und Sportminister Reinhold Jost hat diese Auffassung in die Länderkonferenz eingebracht, und wir werden sehen, was dabei herauskommt.“