Im Saarland stehen nur vier Frauen an den Verwaltungsspitzen – von 52 Städten und Gemeinden. Die Aussicht auf Veränderung bei den Kommunalwahlen ist überschaubar.
Vor 100 Jahren durften Frauen in Deutschland erstmals wählen. Seit 18 Jahren steht mit Angela Merkel eine Frau an der Spitze der Bundesregierung. Als CDU-Chefin wurde sie inzwischen von Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) abgelöst, die zuvor mehr als fünf Jahre das Saarland regierte. Auch die SPD hat mit Andrea Nahles erstmals eine Frau an der Parteispitze. Die Grünen haben ohnehin die Doppelspitze.
An der politischen Basis in den Kommunen bietet sich aber ein anderes Bild. Nach einer Erhebung sind im Bundesdurchschnitt nur zehn Prozent der Bürgermeister weiblich. Und im Saarland werden gar nur vier der 52 Gemeinden von einer Frau geleitet. Neben den Oberbürgermeisterinnen von Saarbrücken und Völklingen, Charlotte Britz und Christiane Blatt (beide SPD), amtieren in Eppelborn Birgit Müller-Closset (SPD) und in Blieskastel Annelie Faber-Wegener (CDU) als Bürgermeisterinnen.
Daran dürfte sich auch bei den Kommunalwahlen am 26. Mai, bei denen gleich in 34 Saar-Kommunen die Chefsessel neu besetzt werden, wenig ändern. Nur ein gutes Fünftel der Bewerber sind Frauen – eine landesweite Übersicht wird es erst nach Meldeschluss und Entscheidung über die Zulässigkeit von Bewerbungen geben. Und ob tatsächlich mehr Frauen auf den Chefsesseln sitzen werden, hängt vom Wählerwillen ab.
Zur Wiederwahl stehen Britz, Müller-Closset und Faber-Wegener – Blatt wurde erst im vergangenen Jahr als Nachfolgerin des CDU-Mannes Klaus Lorig gewählt. Daneben gehen rund 20 Frauen und weit über 80 Männer ins Rennen. Bei den Grünen sieht die Geschlechterbilanz am besten aus. Immerhin in vier von sechs Gemeinden haben sie Frauen aufgestellt.
Mit acht Frauen steht die SPD als Volkspartei noch recht gut dar, ist aber weit von ihrer für politische Posten angestrebten Frauenquote von 40 Prozent entfernt. Und die CDU schickt nur etwa halb so viele Bewerberinnen in den 34 Gemeinden in die Direktwahlen.
Die CDU-Bundesvorsitzende Kramp-Karrenbauer findet, dass der Frauenanteil in den Parlamenten und in den Parteien – auch in der CDU – „peinlich gering" ist. Sie fordert, etwa das Frauenquorum in der CDU endlich konsequenter umzusetzen. Danach müssen Frauen mindestens zu einem Drittel in allen Parteiämtern und öffentlichen Mandaten vertreten sein. Bei Direktwahlkreisen müsse überlegt werden, wie die CDU einen höheren Gesamtanteil von Frauen erreichen könne. „Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern ist ein Bohren dicker Bretter. Aber hier geht es um die gesellschaftliche Anerkennung der Frauen insgesamt. Das sollte uns allen mehr Mühe wert sein", erklärte Sie auf FORUM-Anfrage.
Frauen sind nach wie vor in den Parteien unterrepräsentiert. Ihr Anteil lag nach Statistiken von 2017 bei den Grünen immerhin noch bei knapp 40 Prozent und bei den Linken bei 36,5 Prozent. Die SPD hatte immerhin noch 32,5 Prozent weibliche Mitglieder, die CDU 26,2 und die FDP 21,9. Schlusslichter bildeten die CSU mit 20,5 Prozent und die AfD mit 17 Prozent.
Kommunalpolitik ist noch Männerdomäne
Die meisten Parteien werben daher auf die ein oder andere Art gezielt um weibliche Mitglieder. So gibt es bei Grünen, Linken und Sozialdemokraten Frauenquoten und bei der CDU ein Frauenquorum – die abgeschwächte Form der Quote.
AKK etwa ist überzeugt, dass die CDU „als Volkspartei nur überlebt, wenn wir mit starken Frauen, ihren Ideen und Lebenswirklichkeiten für Ämter, Gremien und Parlamente antreten." Als CDU-Vorsitzende werde es deshalb einer ihrer „persönlichen Schwerpunkte" sein, verstärkt Frauen für die Politik zu gewinnen. Dabei seien ihr „die Kassiererin genauso willkommen wie die Start-up-Unternehmerin oder die junge Migrantin".
Auch Saar-FDP-Chef Oliver Luksic hätte zu den Kommunalwahlen gern einen noch höheren Frauenanteil. Leider seien viele Frauen angesichts der familienunfreundlichen Arbeitszeiten eines Politikers nur schwer zu gewinnen. Das gelte gerade für kleine Parteien, deren Kandidaten kaum Chancen hätten, einen Bürgermeisterposten zu ergattern. Dabei sieht es bei der Saar-FDP in Sachen Bürgermeisterkandidatinnen anteilsmäßig gar nicht schlecht aus. Von fünf Bewerbern sind zwei weiblich.
Die AfD schickt nach Angaben von Parteichef Josef Dörr in etwa einem halben Dutzend Gemeinden einen Bewerber ins Rennen, davon eine Frau (in Saarbrücken). Die Saar-Linke hat bisher nur Männer nominiert. Als einzige Linken-Politikerin tritt in Riegelsberg Birgit Huonker an – allerdings als eine von einem halben Dutzend unabhängiger Kandidatinnen.
Als unabhängige Bewerberin will auch Sabine Cäcilia Nowaczyk antreten. Sie hat gleich in 33 von 34 Gemeinden ihre dicke Bewerbungsmappe abgegeben – ein nicht nur von Politikern als unseriös eingestuftes Vorgehen. Die amtierenden Bürgermeisterinnen werfen ihr vor, damit die mühselige Bürgermeisterarbeit im Dienst der Gemeinden zu diskreditieren, also Leistung statt Geschlecht. Mit ihrer Initiative „Lust auf Bürger*innenMeisterinnen Saar (LaBS)" geht es Nowaczyk allerdings weniger darum, eine Wahl tatsächlich zu gewinnen, sondern darum, eine Diskussion anzustoßen und etwas in den Köpfen der Menschen zu bewegen (siehe Interview). Mehr als fraglich scheint es, ob sie bis zum Ablauf der Frist am 21. März (nach Redaktionsschluss) die nötigen Unterschriften allerorten zusammenbekommt, damit ihr Name überhaupt auf den Wahlzettel kommt. Je nach Größe einer Gemeinde sind dafür 81 bis 99 Unterschriften nötig. Aber dadurch lässt sich die 1963 als „erstgeborener Sohn mit dem Geschlecht weiblich" auf die Welt gekommene Hülzweilerin nicht aus dem Konzept bringen. Denn um einen „Change-Prozess" in Gang zu setzen; brauche es nur zwei Prozent der Beteiligten, weiß die Organisationsentwicklerin aus beruflicher Erfahrung. Und das sei doch durchaus zu schaffen.