Gold, Silber, Bronze – Medaillen sind bei Olympia immer das Salz in der Suppe. Bei den Winterspielen in Pyeongchang soll das Team Deutschland das Negativbild von 2014 korrigieren, als die Athleten lediglich 19 Podiumsplatzierungen erreichten. Dennoch hielten sich die Funktionäre bei der Vorgabe von Zielen vor Beginn der Wettbewerbe in Südkorea zurück.
Die deutschen Aktiven stehen bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang stärker unter Druck als ihre Konkurrenten aus vielen anderen Ländern. Das Team Deutschland soll in Südkorea den schlechten Eindruck von den vorherigen Spielen 2014 korrigieren, als die Mannschaft des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in Sotschi sowohl mit nur acht Goldmedaillen als auch insgesamt lediglich 19 Podiumsplatzierungen die schlechtesten Ergebnisse seit der Wiedervereinigung quittieren musste und in der Nationenwertung gerade einmal Platz sechs belegte.
Was die enttäuschend schwache Ausbeute in Russland jedoch erst wirklich zu einem Desaster für den deutschen Wintersport geraten ließ, war die vorherige Zielsetzung von mindestens 30 Medaillen. Dabei war auch schon diese Vorgabe vermeintlich zurückhaltend und lediglich am Abschneiden weitere vier Jahr zuvor orientiert gewesen, als die Deutschen im kanadischen Vancouver statt der im Vorfeld herausposaunten 40 Medaillen eben nur 30 Plaketten gewinnen konnten.
Eine Fortschreibung dieser Misserfolgsgeschichte will der DOSB in Pyeongchang aus nachvollziehbaren Gründen natürlich vermeiden. Dafür hat ein Umdenkungsprozess stattgefunden: Die Sportler würden nicht mehr nur an der Medaillenausbeute gemessen, hieß es vom Verband. Doch hinter der ungewohnten Zurückhaltung der deutschen Olympia-Funktionäre verbirgt sich nicht nur Respekt vor den Leistungen der Aktiven hinter den Medaillenrängen. Vielmehr ist der DOSB nach dem Debakel von Sotschi schlichtweg vorsichtig geworden – nicht zuletzt aus Selbstschutz.
Im Sinne des sportlichen Selbstverständnisses nach dem Motto „Darf’s ein bisschen mehr sein?“ lautet die DOSB-Erfolgsformel einfach nur noch „Sotschi plus X“. Die Nennung einer konkreten Zahl von erwünschten Medaillen hat sich die DOSB-Führung anno 2018 einfach selbst verboten. „Die Vorbildfunktion des Teams ist mindestens so wichtig wie die Medaillenausbeute“, sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann dazu.
Ganz eindeutig sollen die deutschen Pyeongchang-Starter das Sotschi-Desaster nicht als Bürde und Last für ihre diesjährigen Bemühungen mit sich herumschleppen. „Unsere Athleten sind keine Maschinen. Der Erfolg ist nur bedingt planbar“, sagte die neue DOSB-Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker zu der ebenso neuen Grundhaltung.
Rücker liegt damit auf einer Linie mit dem ebenfalls neuen Chef de Mission Dirk Schimmelpfennig. „Den Medaillenkorridor habe ich nie als besonders zielführend empfunden“, meinte der DOSB-Vorstand Leistungssport vor seinem Debüt als Mannschaftsführer zum bisherigen Prognosemodell.
Dem Kölner ist seine Verwurzelung im Sport als ehemaliger Bundestrainer und Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) anzumerken. „Wenn man einen Korridor als Summe aller ehrgeizigen Ziele der einzelnen Verbände vorgibt, verpasst ihn aber knapp, dann heißt es gleich, es ist ein schlechtes Ergebnis erzielt worden. Ich finde, man muss Leistungen detaillierter betrachten und analysieren.“
Ohne 2014 schönzureden, relativiert Schimmelpfennig die Kritik an den deutschen Sotschi-Startern denn auch nachträglich. „Natürlich sind wir in Sotschi im Vergleich zu früheren Ergebnissen schon deutlich abgestürzt. Damals wurde gesagt, wir hätten unser Leistungsniveau nicht abgerufen, aber ganz so schwach waren wir nicht. Zu einer Analyse gehört halt viel mehr als nur Medaillen.“ Eine Bestandsaufnahme für Pyeongchang habe unter den veränderten Parametern mit Berücksichtigung eines sogenannten Weltvergleichs auch ergeben, „dass wir auf einem guten Weg sind“.
Besonders augenfällig ist dieser Trend bei den Bobfahrern. 2014 ohne eine einzige Medaille auf den absoluten Tiefpunkt ihrer Olympia-Geschichte abgestürzt, sind die deutschen Schlitten in allen drei Olympia-Wettbewerben ernsthafte Medaillen- oder gar Goldanwärter. Allen voran Weltmeister Francesco Friedrich im Zweier und auch im Vierer, wo seine schärfsten Rivalen die Teamkollegen Johannes Lochner und Nico Walther sein dürften.
Wiedergutmachung für ein unerwartet schwaches Sotschi-Ergebnis mit nur zwei Silbermedaillen streben auch die Biathleten an – und verlassen sich dabei weitgehend auf ihre fünffache Weltmeisterin Laura Dahlmeier. Die deutsche Ikone Magdalena Neuner, selbst mehrfache Olympiasiegerin, traut ihrer Nachfolgerin „in allen sechs Wettbewerben“ eine Medaille zu, doch die Hoffnungsträgerin selbst geht mit bescheidenen Zielen in die Wettkämpfe: „Ich wäre schon mit einer einzigen Medaille sehr glücklich, am liebsten natürlich eine goldene.“
Im Idealfall wieder einmal einen wahrhaftigen Goldregen können die Rodler erleben. International zwar nicht mehr so dominant wie in vielen vorangegangenen Jahren, rasen der zweimalige Olympia-Champion Felix Loch, Nathalie Geisenberger, die Doppelsitzer Toni Eggert/Sascha Benecken und alle zusammen im Team stets als Favoriten die Eisrinnen hinunter.
Auf der gleichen Bahn winken auch den deutschen Skeleton-Fahrern Medaillen. Bei den Damen scheint ein Duell zwischen Jacqueline Lölling und Tina Hermann um Gold durchaus möglich.
Eine solche Konstellation erscheint auch im Skispringen durch die „Adler“ Richard Freitag und Andreas Wellinger vorstellbar. Die Schützlinge von Bundestrainer Werner Schuster dürfen sich auch große Hoffnungen auf eine Wiederholung ihres Triumphes von 2014 im Mannschafts-Wettbewerb machen. Chancen auf einen Platz in den Medaillenrängen können sich außerdem bei den Frauen Olympiasiegerin Carina Vogt und Katharina Althaus ausrechnen.
Langläufer wohl Chancenlos
Als eine Medaillenbank reist auch Riesenslalom-Olympiasiegerin Viktoria Rebensburg nach Fernost. Acht Jahre nach ihrer Goldfahrt von Vancouver war die formstabile Rebensburg bis wenige Tage vor Olympia durch die Kreuzbandrisse von Felix Neureuther und Stefan Luiz die einzige realistische Medaillenhoffnung des Deutschen Skiverbandes (DSV), bis Thomas Dreßen durch seinen Sensationssieg bei der Abfahrt auf der legendären Streif in Kitzbühel ebenfalls zu einem Goldanwärter avancierte.
Ansprüche auf einen Olympiasieg haben die deutschen Athleten trotz leicht verlorener Dominanz auch in der Nordischen Kombination. „Ich würde mir wünschen, dass wir einmal ganz oben stehen und zwei weitere Medaillen holen“, umschrieb Bundestrainer Hermann Weinbuch die Hoffnungen seines Teams um Vierfach-Weltmeister Johannes Rydzek.
Paarlauf-Gold haben auch die gebürtige Ukrainerin Aljona Savchenko und ihr aus Frankreich eingebürgerter Partner Bruno Massot beim Eiskunstlaufen im Visier. Die WM-Zweiten unterstrichen ihre Ambitionen kurz vor Olympia durch einen Punkteweltrekord in der Kür.
Medaillenhoffnungen hegen auch die Eisschnellläufer. Ihre größten Trümpfe sind die unverwüstliche Rekordolympionikin Claudia Pechstein und Sprint-Vizeweltmeister Nico Ihle.
Bestenfalls Außenseiterchancen bestehen in den übrigen Sportarten. Weder im Snowboard noch im Freestyle Skiing oder Shorttrack gehören die deutschen Starter zu den erklärten Medaillenkandidaten. Wohl gar keine Hoffnungen auf einen Podestplatz bestehen bei den Langläufern, und auch für das Eishockey-Team der Männer könnte es schwierig werden.
Im Curling gar musste der DOSB die erste Olympia-Pleite schon lange vor der Eröffnungsfeier verkraften: Erstmals seit Wiederaufnahme des Sports ins olympische Programm vor 20 Jahren finden die Olympia-Wettbewerbe ohne jegliche Beteiligung deutscher Teams statt.