Essensreste, Gemüseabfälle, abgelaufene Speisen: In der Biotonne ist für vieles Platz. Was so mancher eklig findet, ist ein kostbarer Rohstoff. Die BSR gewinnt aus den vergärbaren Abfällen Bio-Erdgas, das wiederum eigene Müllautos antreibt.
Schon im Namen steckt doppelt Positives: Biogut. So nennt die BSR, die Berliner Stadtreinigung, das, was sonst auch schlicht unter Biomüll oder Bioabfall läuft und was sie in Tausenden Biotonnen einsammelt. „Sehr wertvoll" steht zusätzlich auf der braunen Tonne. Denn Biogut wird in Berlin umweltschonend in Kompost und Energie umgewandelt.
Und das seit 2015 – damals wurde durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz des Bundes eine Pflicht für Biotonnen festgelegt. Deren Einführung klappte in Berlin nicht gleich flächendeckend, vor allem in den Randbezirken nicht. Wegen des Freiwilligkeitsprinzips meldete bislang nur ein Viertel der Hausbesitzer in den Außenbezirken Bedarf für eine Biotonne an, während es in der Innenstadt 80 Prozent sind. Das wird sich nun ändern: Vom 1. April an wird die Biogut-Sammlung per Tonne Pflicht. Zumindest überall dort, wo nicht selbst kompostiert wird. „Die Maßnahme ist ökologisch sinnvoll, denn diverse Studien zeigen, dass dadurch weitere Kohlendioxid-Einsparungen ermöglicht werden", sagt die Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), die auch Aufsichtsratsvorsitzende der BSR ist. Hintergrund: Dann landet weniger Biogut in der grauen Restmülltonne; deren Inhalt wird im Müllheizkraftwerk in Ruhleben verheizt. Im Jahr 2017 waren das laut Statistischem Bundesamt immerhin 225 Kilo pro Kopf – während der Biomüll nur mal 21 Kilo pro Berliner ausmachte. Mit der Änderung ab April erwartet die BSR eine Steigerung der Biogutmenge um satte 70 Prozent – ein Kraftakt.
Mikroorganismen werkeln fleißig in den Gärcontainern
Verblüffen dürfte manchen, was alles in die Biotonne hinein darf: Neben Apfelschalen oder Gemüseresten ist dort nämlich auch Platz für Speisereste, abgelaufene Produkte (ohne Verpackung!) oder Zitrusschalen – Dinge, die auf dem Misthaufen im Garten nichts zu suchen haben. All das wandert dann in die Biogasanlage der BSR in Ruhleben, in der der Werkstoff Biogut zu Biomethan vergoren wird. Sie arbeitet nach dem Prinzip des Trockenvergärungsverfahrens, eine bestmögliche Methode zur ressourcen- und klimafreundlichen Verwertung aller Bioabfälle der Hauptstadt.
Aber wie funktioniert denn nun die Umwandlung des Bioabfalls in Biomethan? Zur optimalen Weiterverarbeitung des Biomülls gilt die Voraussetzung, dass der Müll sauber getrennt ist. Noch landet viel zu viel in der Biotonne, was dort gar nicht reingehört. „Plastik – und übrigens auch Glas – ist wirklich Gift für die Biosammlung, weil wir es ab einer bestimmten Menge nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand aus dem Material herausbekommen", so der Chef der biologischen Abfallbehandlung der Berliner Stadtreinigung, Thomas Rücker, im BSR-Magazin. „Stark verschmutzter Bioabfall müsste deshalb wie Restabfall verbrannt werden. Das wäre wirklich schade und würde die gesamte Sammlung in Misskredit bringen."
In der Biogasanlage verwandeln Mikroorganismen das Biogut unter Luftabschluss in Biogas. Diese Methode eignet sich optimal für Abfälle mit einem Wassergehalt von 58 bis 65 Prozent, wie er vorwiegend in den Küchenresten vorkommt. Drei Wochen lang „verzehren" die Bakterien im „Fermenter", einem Bioreaktor, den Abfall, und produzieren so pro Tag etwa 740 Kubikmeter Roh-Biogas. Das muss noch gereinigt werden, bis es schließlich fast nur noch aus Methan besteht und als „Bio-Erdgas" ins Stadtgasnetz eingespeist werden kann. Der Clou für die BSR: Auf derzeit drei BSR-Betriebshöfen werden 150 gasbetriebene Müllsammelfahrzeuge mit dem Biogas betankt. Sie holen fast zwei Drittel des gesamten Berliner Restmülls und Bioabfalls ab – dafür würde man sonst 2,5 Millionen Liter Diesel brauchen.
70 Prozent mehr Biomüll durch Neue Biotonnen-Pflicht
Was in der Biogasanlage an festen Gärresten übrig bleibt, wird weiter behandelt und landet in der Kompostierung. Dort ist auch der Platz für Bioabfälle wie Baum- und Strauchschnitt oder Laub, für die die BSR in den Saisonmonaten gesonderte Sammelbehälter aufstellt. Hintergrund: Was in Garten und Laube anfällt, gehört zu den nicht vergärbaren Bioabfällen und kann nicht zu Biogas umgewandelt werden. Noch dürfen kleinere Mengen Laub und Baumschnitt laut BSR auch in der Biotonne entsorgt werden. Wie aber die Trennung von Biomüll und Gartenabfällen mit dem zu erwartenden Mehraufkommen geregelt wird, bleibt noch offen. Übrig bleibt hochwertiger, getrockneter Kompost, den Kompostierungsanlagen an die Landwirtschaft und den Gartenbau abgeben. Die verbessern so ihren Boden auf natürlichem Weg und sparen gleichzeitig synthetische Düngemittel.
Die Umweltbilanz kann sich sehen lassen. Durch die Verwertung des Berliner Bioabfalls in der Biogasanlage wird jährlich der Ausstoß von 9.000 Tonnen Kohlendioxid vermieden – ungefähr so viel, wie 3.000 Pkw der Mittelklasse im Jahr durchschnittlich in die Luft blasen. Tendenz steigend: 60.000 zusätzliche Abfallbehälter stehen ab April zum Einsatz bereit. Dass sie alle geleert werden, dazu tragen 60 neue BSR-Mitarbeiter und 20 neue Fahrzeuge bei. Und in einer zweiten Kompost- und Biogasanlage in Hennickendorf östlich der Stadt warten die Mikroorganismen ebenso wie in Ruhleben schon auf den Inhalt der alten und neuen Biotonnen.