Als neuer Präsident der Hochschule für Technik und Wirtschaft erbte Prof. Dieter Leonhard einige Baustellen. Die finanzielle Seite entspanne sich etwas, die neuen Gebäude entzerren die Enge. Dennoch gibt es Entwicklungsbedarf, erklärt der Fachhochschul-Präsident.
Herr Professor Leonhard, nach den ersten Monaten als Präsident der HTW Saar: Wie ist ihr Eindruck?
Ich bin in der Region und der Hochschule sehr gut aufgenommen worden. Wir haben eine Reihe sehr interessanter Themen mit Gestaltungsräumen und -notwendigkeiten. Die HTW Saar ist eine sehr leistungsstarke Hochschule mit besonderen Auszeichnungen, ich nenne an dieser Stelle den Technologietransfer, die Forschung, das Lehrprogramm. Das sehen nicht nur wir so: Einem kürzlich veröffentlichten Ranking können Sie entnehmen, dass unser Architekturstudiengang zu den besten in Deutschland gehört.
Die HTW Saar ist eine sehr attraktive Hochschule, die gleichwohl ihre Themen hat – zum Beispiel die Infrastruktur. Wir sind froh, dass wir mit der Staatskanzlei und den Stadtwerken zu einer Lösung gekommen sind und uns räumlich erweitern können. Die größte inhaltliche Herausforderung ist die Ausgestaltung der Ingenieurwissenschaften. In den nächsten Jahren werden 20 Prozent der Professuren in diesem Bereich neu besetzt. Gleichzeitig stehen wir in der Gesellschaft vor neuen Herausforderungen – ich nenne als Stichwort die Digitalisierung und Industrie 4.0. Optimale Bedingungen, um die Ingenieurwissenschaften zukunftsfähig auszurichten.
Die finanzielle Lage der HTW Saar ist im Augenblick noch schwierig, was sich auch kurzfristig kaum ändern wird. Wodurch ergeben sich aktuell Gestaltungsspielräume?
Finanzielle Mittel reichen nie, das ist klar. Im letzten Sommer und zum Ende des letzten Jahres hat sich bei dieser Thematik jedoch einiges bewegt. Mit der neuen Ziel- und Leistungsvereinbarung zwischen Land und HTW Saar haben wir ein tragfähiges Konzept entwickelt, auch in finanzieller Hinsicht. Die große Unbekannte löst sich gerade auf, die Hochschulpaktmittel zwischen Bund und Ländern sind fixiert (bundesweit bis 2023 jährlich rund 3,8 Milliarden Euro, ab 2024 jährlich insgesamt 4,1 Milliarden Euro, Anm. d. Red.). Der Pakt „Stärkung der Lehre" wird ganz klar in unserem Fokus stehen. Wir müssen abwarten, wie die finanzielle Ausstattung genau ausgestaltet sein wird. Für das Saarland gibt es einen strukturell bedingten Puffer.
Was hochschulpolitisch ein guter Punkt ist, ist, dass nicht mehr allein die Ersteinschreibungen als Kriterium für die Mittelverteilung angewendet werden, sondern dass man auf Studierendenzahlen und die Absolventen in Regelstudienzeiten abstellt. Die sinnvolleren Kenngrößen, wenn Sie mich fragen.
Inwieweit spielte das Thema Digitalisierung der Lehre eine Rolle?
In der Ziel- und Leistungsvereinbarung ist dies in der Tat nicht direkt herauslesbar, aber ich erinnere an das Projekt Campus-Managementsystem. Dies ist eine erhebliche Anstrengung über mehrere Jahre und wird dazu führen, dass alle Prozesse, die mit der Verwaltung der Studierenden zu tun haben, digitalisiert werden. In der Lehre selbst fördern wir diese Lernformen und werben für sie auch bei den Lehrenden. Selbstverständlich beteiligen wir uns an entsprechenden nationalen Ausschreibungen und Förderprogrammen zum Thema Digitalisierung in der Lehre.
Das heißt, Sie werben externe Fördergelder für die Digitalisierung der Lehre ein?
Ja, das müssen wir auch. Gleichzeitig qualifizieren wir uns intern weiter. Für die Lehrenden ist dies eine Umstellung. Sie schauen sich ihre Lehrmaterialien unter dem Aspekt Digitalisierung an, ändern oder passen sie an, nutzen andere Formate und erstellen viel Ergänzungsmaterial, dass sie ihren Studierenden zur Verfügung stellen. Das passiert nicht auf Knopfdruck, es ist vielmehr ein Prozess, den wir als Hochschulleitung an vielen Stellen unterstützen und fördern. Es gibt einige Best-Practice-Projekte, auf die wir aufbauen können. Aviation Business zum Beispiel ist ein elektronischer Studiengang. Parallel zu vorhandenen Strukturen suche ich aktiv nach Netzwerken, Allianzen und Verbünden, die uns in der Digitalisierung unterstützen können. Zum Beispiel ist „OnCampus" der Hochschule Lübeck interessant, die sind dort wirklich sehr weit. Ebenso die „Virtuelle Hochschule Bayern". Für eine einzelne Hochschule ist die Digitalisierung allein finanziell ein dickes Brett, da muss man realistisch bleiben.
Sie kamen zur HTW Saar in einer Zeit, in der eine Verwaltungsgebühr erhoben und von der Studierendenschaft vehement abgelehnt wird. Wo wird dieses Geld eingesetzt?
Eine Hochschule wie die HTW Saar erbringt eine Vielzahl von Verwaltungsleistungen. Die Verwaltungsgebühr von 50 Euro ist der Beitrag, den die Studierenden dafür leisten. Zu trennen ist sie vom Semesterbeitrag, der beispielsweise für die Mensa und das Semesterticket erhoben wird. Wir sind in dieser Angelegenheit im engen Dialog mit dem Asta und den Fachschaften.
Aber für welche Leistungen genau wird sie eingesetzt?
Für alles, was an Verwaltung in einem Studierenden-Managementsystem anfällt: für Einschreibung, Prüfung, Zeugnisse, sprich für die Verwaltung jedes einzelnen Studierenden. Jede Hochschule muss eine Gebührenordnung beschließen, so wie die Gebührensatzung in den Kommunen. Das ist sachlich fundiert und ich denke, die Größenordnung ist durchaus vertretbar, aber wir müssen darüber mit den Studierenden im Dialog bleiben.
Die jüngst beschlossene Kooperationsplattform zwischen Universität und Fachhochschule erlaubt nun auch Promotionen. Welche Vorteile haben die Studierenden davon noch?
Das ist ein Teil der Kooperationsplattform, die auch projektbezogene Kooperationen einschließen. Das Promotionsthema ist sicher das markanteste. Bei den Ingenieurwissenschaften sind wir schon auf einer sehr tragfähigen Basis, bei den Wirtschaftswissenschaften wird es noch etwas dauern. Diese Kooperationen sind inzwischen in der Hochschullandschaft etabliert, schauen Sie nach Hessen zu den Promotionskollegs.
Auch ein Mittel, um die Studierendenzahlen stabil zu halten?
Sicherlich, wir haben 6.000 Studierende in der Ziel- und Leistungsvereinbarung fixiert. Das ist eine ambitionierte Zahl, die wir, hier bin ich ganz zuversichtlich, in den kommenden Jahren halten werden. Sie passt zur Größe der Region und zu den Bedürfnissen der Wirtschaft. Wir werden uns einem Rückgang der Studienberechtigten im Saarland stellen müssen. Es stellt sich für die HTW Saar die Frage, wie wir das Studierendenpotenzial im Saarland aktivieren und gleichzeitig auch ausländische Studierende gewinnen können.
Und wie werden Sie diese Frage beantworten?
Die nächstliegende Maßnahme ist, dass wir uns mit den saarländischen Schulen verständigen und für unser Modell werben. Alle vier Säulen der HTW Saar, Architektur und Bauingenieurwesen, Ingenieur-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, brauchen wir im Saarland für unseren Strukturwandel in den kommenden Jahrzehnten. Die Hochschule deckt mit ihren Fachrichtungen alle Dimensionen des Strukturwandels ab.
Wir stellen uns vor, vielleicht mit einer Art „Science Truck" von Schule zu Schule zu fahren, um für die HTW Saar und das Thema Mint insgesamt zu werben. Ich bin der Meinung, dass die Ansprache der potenziellen Studierenden schon viel früher als zum Abitur erfolgen sollte. Dann sind meistens die Würfel schon gefallen.
Der zweite Punkt sind Auslandskooperationen in Fächern, in denen wir nicht genügend Nachwuchs im Land gewinnen können – mit bevorzugten Partnerschaften, also mit Partnern, die wir kennen. Die Erfahrung haben wir, zum Beispiel mit dem Doppelabschluss unseres Deutsch-Französischen Hochschulinstituts, dem DFHI.
Sie selbst sind Ingenieurwissenschaftler und nun angetreten, die Ingenieurwissenschaften an der HTW Saar neu auszurichten. Auf welche Themenfelder hin?
Meiner Meinung nach ist die zentrale Aufgabe – auch angesichts der Neubesetzungen von Professuren – dass wir uns sehr stark auf die neuen Erfordernisse der saarländischen Wirtschaft einstellen. Für mich als Ingenieur liegen die großen Themen in modernen Produktions- und Fertigungssystemen mit autonomen Systemen: Signale aufnehmen, verstehen, entscheiden und aus Fehlern lernen. Hinzu kommt das Internet of Things, sprich Netzwerkinfrastruktur, und die Absicherung dieser Übertragungswege.
Hier sind einerseits die Fakultäten, also unsere Experten, bei der Ausgestaltung der Zukunft gefragt, andererseits auch alle anderen Studiengänge, deren Absolventen die Themen von morgen angehen. Wir sind mit Unternehmen im Gespräch, damit wir auch die Stimme derjenigen hören, die unsere Absolventen einstellen sollen. Im Herbst werden wir klarer sehen, wenn die Beratungen soweit gediehen sind.