Erneut hat eine Verletzung Windsurf-Star Philip Köster heimgesucht und zwingt ihn zum Pausieren. Der Ausnahmeathlet muss sich wieder zurück aufs Brett kämpfen. Dass er das kann, hat er in seinem jungen Alter bereits oft unter Beweis stellen müssen.
Misst man seine Erfolge, gleicht die Karriere von Philip Köster einer Traumgeschichte: Im jungen Alter von 29 Jahren erreichte der in Gran Canaria geborene Athlet bereits einige Triumphe. Mit 18 Jahren durfte sich Köster bereits Doppelweltmeister im Windsurfen nennen. In seiner Vita stehen fünf WM-Siege aus den Jahren 2011, 2012, 2015, 2017 und 2019. Mit seinem ersten WM-Gewinn 2011 wurde er der zweitjüngste Weltmeister in der Geschichte. Dass er ein solch sensationeller Athlet in seiner Sportart ist, kommt nicht von ungefähr. Schon als Kind entdeckte er das Surfen für sich. „Mit acht Jahren habe ich angefangen, und seitdem habe ich nicht mehr aufgehört“, so Köster. Für ihn ist das Surfen mehr als ein Sport. Es ist auch ein Stückchen Freiheit. „Vor allem, wenn du ganz weit hinaus surfst und dann zurück aufs Land blickst. Alles ist ruhig um dich herum. Ich genieße diese Momente. Abschalten, alles andere ist weit weg, es gibt keine Regeln. Eine andere Welt. Einfach nur surfen, einfach nur entspannen.“ Zu einem noch höher angesehenen Erfolg wird Kösters Leistung, wenn man bedenkt, dass seine Disziplin eine der komplexesten beim Windsurfen ist. Das sogenannte Waveriding verbindet hohe Sprünge mit artistischem Wellenreiten. Zuschauern dieser Sportart stockt nicht selten der Atem. Dabei gehen die Athleten hohe Risiken ein und überschreiten nicht selten ihre körperliche Belastungsgrenze.
Doppelweltmeister mit 18 Jahren
Auch für Philip Köster ist das hohe Verletzungsrisiko nichts Neues. Er musste bereits einige Verletzungen hinnehmen. 2013 wurde er wegen einer Verletzung bei einem Stopp der Professional Windsurfers Association (PWA) auf Hawaii zum Ausscheiden gezwungen. Grund dafür war eine Wunde am rechten Bein, die eine Koralle verursacht hatte. Die Entzündung wurde mit Antibiotika behandelt, dennoch war Köster derart geschwächt, dass er das Ausscheiden in Kauf nehmen musste. Das deutsche Ausnahmetalent fühlte sich davon hart getroffen: „Meine Verletzung soll überhaupt keine Ausrede sein, aber um Weltmeister zu werden, muss man topfit sein und darf sich keinen Ausrutscher erlauben.“
Eine seiner schwersten Verletzungen liegt sieben Jahre zurück. Im Jahre 2016 kam es für den Ausnahmesurfer noch schlimmer. Während eines Trainings in Australien nach einer Landung aus sechs Metern zog er sich einen Kreuzbandriss zu. Durch die Verletzung musste er seinem damaligen Traum, eine weitere Weltmeisterschaft zu gewinnen, beim Platzen zusehen. Köster haderte auch mit den Umständen seiner Verletzung: „Meine Vorbereitung in Australien war perfekt, ich war topfit. Und dann passiert mir so etwas, ausgerechnet in der letzten Trainingseinheit!“ Köster selbst hatte zuerst das Gefühl, an dem Weltcup zwei Wochen später wieder teilnehmen zu können. Doch die Untersuchungen ergaben etwas anderes. Da das Knie samt den dazugehörigen Bändern beschädigt war, spielten bei dem 29-Jährigen Gedanken an seine sportliche Zukunft eine Rolle. „Ich hatte schon ein kleines bisschen Angst um meine Karriere. Ich dachte, vielleicht dauert es ein paar Jahre, bis ich wieder richtig auf das Board kann.“
Dennoch fand er in der schwierigen Zeit während der Reha auch genügend Gründe, sich wieder neu zu motivieren. Neben dem Windsurfen begann er mit anderen Sportarten, um nicht nur ausschließlich auf eine bestimmte Sportart festgelegt zu sein.
Eine weitere Lehre hat Philip Köster für sich persönlich mitgenommen: „Ich habe eine ganz andere Mentalität. Ich höre jetzt auch mal auf meinen Körper, ob irgendwas weh tut.“ Ein ganz wichtiger Punkt für den Weltklassesurfer war es, eine Pause eingelegt zu haben. „Es hat mir eine Menge Motivation gegeben, einfach mal eine längere Pause zu haben. Ich mache bereits Wettkämpfe, seit ich 12 Jahre alt bin. Deswegen war eine solche Zeit mal nicht so schlecht.“
Gegen alle Erwartungen stand der 29-Jährige bereits zehn Monate nach seiner schweren Verletzung wieder auf dem Surfboard. Ihm gelang sogar das Unvorhergesehene: Er wurde auf Anhieb Weltmeister. Auf Sylt surfte er sich zu dem nächsten Titel in der Weltmeisterschaft. Der Grundstein für den sofortigen Comeback-Sieg lag für Philip Köster in der Vorbereitung. „Da ich drei Monate lang auf Teneriffa bei einem sehr guten Physiotherapeuten war und ich jeden Tag sechs bis sieben Stunden lang trainiert hab, habe ich ein gutes und sicheres Gefühl gehabt.“
„Alles im Knie kaputtgegangen“
Mithilfe einer speziellen Knieschiene schaffte er wenige Wochen vor der Weltmeisterschaft seinen ersten sogenannten Doppel-Loop, eine zweifache Umdrehung. „Danach hatte das Knie gehalten, und deswegen habe ich den Wettkampf ausprobiert. Es klappte super“, so der fünfmalige Weltmeister. Sein Vater Rolf Köster, der gleichzeitig der Trainer seines Sohnes ist, äußerte nach dem überraschenden Comeback-Triumph stolz: „Ich konnte es einfach nicht fassen. Nach dem, was vorher passiert ist. Ich war sehr überrascht.“
Köster war 2011 im Alter von 17 Jahren der erste deutsche Windsurfer, der im Waveriding triumphierte. Damals entstand sein Spitzname „Windsurf-Wunderkind“. Von seiner Sprunggewalt hat der 1,93 Meter große Athlet bis heute nichts verloren.
Ein Grund für seine Erfolge liegt sicher auch in den engen familiären Bindungen. Seine Erfolge hat er vor allem seinen Eltern Rolf und Linda zu verdanken. „Ich habe meine ersten Tricks von ihnen gelernt, sie haben immer an mich geglaubt, mich immer unterstützt“, erzählte er. Ehefrau Manca und seine Tochter unterstützen ihn auch: Sie fahren, soweit es passt, zu den Wettkämpfen mit. „Ich denke, es ist wichtig, dass wir als Familie viel Zeit verbringen. Wir versuchen, so oft zusammen zu sein, wie es geht“, so Kösters Ehefrau Manca. Für Philip Köster sei der Anblick seiner Familie eine enorme Extramotivation.
Spezielle Schiene im Wettkampf
Den Rückhalt seiner Familie konnte Köster sicher auch in der letzten Zeit gut gebrauchen. Nach einer langen Zeit mit anhaltenden Schmerzen im Fuß musste er sich einer Operation unterziehen. Besonders bitter: Köster war gerade wieder dabei, richtig in Fahrt zu kommen. Er gewann beim Windsurf World Cup im März in Chile und übernahm damit die Führung in der Weltrangliste. Beim reinen Waveriding-Event vor dem Strand von Matanzas zeigte Köster, der beim Saisonauftakt im japanischen Omaezaki Fünfter geworden war, spektakuläre Sprünge und verwies den Franzosen Camille Juban und den Deutschen Julien Salmon auf die Plätze zwei und drei. Es schien, als könnte es eine Top-Saison werden. Nun ist erst einmal wieder Pause angesagt, die Saison gelaufen.
Er selbst schaut in nur eine einzige Richtung. Und zwar nach vorne. „Nach meiner schlimmen Knieverletzung 2016 kam ich stärker zurück und wurde direkt im darauffolgenden Jahr wieder Weltmeister. Wenn mir dieses Kunststück noch einmal gelingen würde, wäre das großartig“, kündigte er an. Und wer die letzten Jahre in Kösters Karriere verfolgt hat samt immer wiederkehrender Rückschläge und darauffolgenden Comebacks, der kann sich sicher sein, dass es Philip Köster wieder einmal schaffen dürfte, ein Comeback hinzulegen, das seinesgleichen sucht. Denn ans Aufgeben denkt der Vorzeige-Athlet noch längst nicht.
Für ihn soll die Karriere noch lange weitergehen. Auf die Frage, wo er sich in zehn Jahren sieht, sagte Köster schon vor einigen Jahren: „Ich will so viele Titel wie möglich gewinnen. Und vielleicht eine Surfschule aufmachen.“ Doch jetzt muss er erstmal wieder fit werden.