Die 92. Rallye Monte Carlo verspricht spannend zu werden. Denn Sébastien Ogier könnte sich mit seinem zehnten Triumph zum alleinigen Rekordsieger der Mutter aller Rallyes aufschwingen. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn der amtierende Weltmeister Kalle Rovanperä verzichtet auf eine Teilnahme.
Anfang Januar hatten die Namen großer Rallye-Legenden die Herzen vieler Motorsport-Freunde wieder höherschlagen lassen. Schließlich hatten sich Steuerkünstler wie Carlos Sainz Senior, Stéphane Peterhansel, Mattias Ekström oder Sébastien Loeb ein Stelldichein zum Schlagabtausch auf der Piste gegeben. Der einzige klitzekleine Schönheitsfehler dürfte für manche Boliden-Begeisterte darin bestanden haben, dass die in Saudi-Arabien vom 5. bis 19. Januar 2024 über die Bühne gegangene Rallye Dakar, die als die bedeutendste Langstrecken- und Wüsten-Rallye der Welt gilt, nicht Bestandteil der FIA World Rally Championships (WRC) ist, wie die Rallye-Weltmeisterschaft offiziell genannt wird. Denn diese wird auch dieses Jahr wieder ganz traditionell mit der 92. Auflage der Rallye Monte Carlo, die auch schon mal als Rallye Automobile Monte-Carlo tituliert wird, eröffnet.
Geschichte reicht bis 1911 zurück
Deren ruhmreiche Geschichte reicht bis ins Jahr 1911 zurück. Fürst Albert I. kam seinerzeit auf die glorreiche Idee, das in den Wintermonaten flaue Geschäft seiner in allen anderen Jahreszeiten geradezu Geld in Hülle und Fülle hervorsprudelnden Spielbank durch ein neues Event rund um den jungen Motorsport anzukurbeln, der sich damals besonders in finanzkräftigen Kreisen immer größerer Beliebtheit erfreute. Mit den höchst bescheidenen Anfängen, als sich reiche Privatpersonen aus ganz Europa in ihren eigenen Sportwagen und der Variante einer Sternfahrt auf den beschwerlichen Weg zur Côte d’Azur aufmachten, hat das heutige Mega-Event natürlich nichts mehr gemein.
Denn spätestens ab den 1960er-Jahren avancierte die Mutter aller Rallyes, die eigentlich ein reines Asphalt-Event ist, aber häufig über vereiste oder verschneite Passagen in den Bergen führt, zu einer der wichtigsten Veranstaltungen im internationalen Motorsport und wurde zunehmend von professionellen Fahrern und Teams dominiert. Dadurch wurde erst die Einführung der heute üblichen Etappenrennen und Wertungsprüfungen möglich, die nicht mehr im Fürstentum selbst, sondern im gebirgigen französischen Hinterland, teils Hunderte Kilometer von der Küste entfernt, absolviert werden müssen. Mit dabei die legendäre und oft über Sieg oder Niederlage entscheidende, meist als Nachtrennen ausgetragene Etappe über die Passstraße des Col de Turini in den Seealpen als sportliche Hauptattraktion (Spitzname: „Nacht der langen Messer“). Monaco selbst sollte seinen Status als sportlicher Austragungsort fast gänzlich verlieren, es dient meist nur noch als noble Kulisse für die Eröffnungs- und Abschlussveranstaltungen oder allenfalls noch für ein kurzes Schaulaufen auf dem Circuit de Monaco.
Aufgrund von Großbauarbeiten im Fürstentum traf der veranstaltende Automobile Club de Monaco die Entscheidung, den Servicepark für die „Monte“ 2024 vom Hafen Monacos in die Stadt Gap im französischen Département Hautes-Alpes zu verlegen. Dort werden sich die gemeldeten Teams und Fahrer schon einige Tage vor dem offiziellen Rallye-Start am 25. Januar 2024 einfinden, um das übliche WCR-Aufwärmprogramm abzuspulen. Wie alle Rallyes beginnt auch die „Monte“ mit einer sogenannten Reece-Phase (vom 22. bis 24. Januar), bei der die Crews die bevorstehende Route zum ersten Kennenlernen mit limitierten Geschwindigkeiten abfahren können. Am Spätnachmittag des 24. Januar wird es dann beim sogenannten Shakedown schon ernster, denn auf der 3,35 Kilometer langen Route de la Garde in Gap können die Fahrer ihre neuen Boliden bei Vollspeed testen.
Eröffnungszeremonie im Casino
Das eigentliche Rennen wird nach einer Zeremonie am Casino in Monte Carlo am Abend des 25. Januar mit zwei Nachtprüfungen in den Départements Alpes-de-Haute-Provence und Hautes-Alpes eröffnet, wobei es zwischen Thoard und Saint-Geniez über rund 21 Kilometer geht, danach folgt die Etappe zwischen Bayons und Bréziers über gut 25 Kilometer. Insgesamt müssen 17 auf fünf französische Départements verteilte Wertungsprüfungen mit Zeitnahme und einer Gesamtstrecke von 324,44 Kilometern bewältigt werden. Die Gesamtdistanz der „Monte“ 2024 inklusive der Überführungsetappen wurde auf 1.649,89 Kilometer angesetzt. Bei der Streckenplanung wurde unter dem Motto „Back to the heights“ auf ein möglichst großes Spektakel gesetzt. Weil man sich ganz bewusst für möglichst viel bergiges Terrain mit hoffentlich reichlich winterlichen Bedingungen entschied. Davon werden schon die ersten beiden Wertungsprüfungen mit dem Col de Font-Belle oder dem mythischen Drehkreuz in Bayons/Bréziers wohl beredtes Zeugnis ablegen. Am Freitag stehen sechs Wertungsprüfungen östlich von Gap auf dem Programm. Am Samstag wird man bei sechs Wertungsprüfungen westlich von Gap zwischen den Hautes-Alpes, der Drôme und der Isère unterwegs sein. Die drei abschließenden Etappen am Sonntag werden zwischen Gap und Monaco über die Bühne gehen, wobei zwei Pässe die größten Herausforderungen sein dürften, zum einen Lucéram/Lantosque, zum anderen La Bollène-Vésubie/Col de Turini. Das bedeutet: Der legendäre Col de Turini muss diesmal nicht im Dunkeln in einer „Nacht der langen Messer“ bewältigt werden. Die 17. Wertungsprüfung zwischen La Bolléne-Vésubie und dem Col de Turini, die als sogenannte Power Stage mit Bonuspunkten für die Rallye-Weltmeisterschaftswertung ausgetragen wird, ist mit 14,80 Kilometern auch nicht sonderlich lang, weshalb sie 2023 gleich dreimal absolviert werden musste.
Auf der am 8. Januar vom Automobil-Weltverband FIA publizierten Meldeliste wurden 70 Teams geführt. Das heißt, beim ersten von insgesamt 13 Wettwerben der Rallye-Weltmeisterschafts-Saison wird es 2024 ein volles Haus geben . Dabei ist das Teilnehmerfeld in verschiedene Rallye-Klassen unterteilt. Mit dabei die RC1 oder Rallye1 als Königsklasse des internationalen Rallye-Rennsports. Es handelt sich bei der seit 2022 eingeführten Regeländerung um Autos mit Hybrid-Antrieb, deren 1,6-Liter-Verbrennungsmotoren, die von einem synthetisch hergestellten und 100 Prozent nachhaltigen Kohlewasserstoff-Sprit befeuert werden, mithilfe der 100-Kilowatt-Plug-in-Hybridsysteme eine Spitzenleistung von bis zu 514 PS erzielen können. Gerade mal drei Teams mit insgesamt acht Autos werden in der Königsklasse um den „Monte“-Sieg 2024 kämpfen. Toyota Gazoo Racing WRT werden mit drei Fahrzeugen des Typs GR Yaris Rally1 Hybrid, Hyundai Shell Mobis World Rally Team mit drei Bolliden des Typs i20 N Rallye1 Hybrid und das M-Sport Ford World Rallye Team mit zwei Modellen des Typs Ford Puma Rallye1 Hybrid antreten.
In der Regel nimmt ein Team mit zwei Fahrzeugen bei Wettbewerben um die Rallye-Weltmeisterschaft teil, allerdings kann ein Team auch mit mehr Fahrzeugen an den Start gehen. Punkte für die WM-Herstellerwertung werden nur an die zuvor gemeldeten maximal zwei Werkswagen vergeben. Toyota geht bei der „Monte“ mit den beiden Stammpiloten Elfyn Evans (mit seinem britischen Landsmann Scott Martin als Beifahrer) und dem Japaner Takamoto Katsuta (Beifahrer: Aaron Johnston aus Irland) an den Start, bei Hyundai wird die gleiche Position von Thierry Neuville (und seinem belgischen Landsmann Martijn Wydaeghe als Beifahrer) und Ott Tänak (mit seinem estnischen Landsmann Martin Järveoja als Beifahrer) bekleidet. M-Sport hat Adrien Fourmaux (mit seinem französischen Landsmann Alexandre Coria als Beifahrer) und den Luxemburger Grégoire Munster (Beifahrer: Louis Louka aus Belgien) zu Stammpiloten für die WM-Saison 2024 nominiert. Der Norweger Andreas Mikkelsen wird mit seinem Landsmann Torstein Eriksen als Beifahrer den dritten Hyundai steuern.
Von den bisher Genannten dürfte sich der Belgier Thierry Neuville, der immerhin schon fünfmal Rallye-Vizeweltmeister geworden ist, die größten Siegchancen bei der „Monte“ 2024 ausrechnen können, schließlich hatte er die Rallye auch schon 2020 für sich entschieden. Überraschend selbst für seine eigenen Team-Verantwortlichen bei Toyota war der Startverzicht des amtierenden Rallye-Weltmeisters Kalle Rovanperä. Denn der 23-jährige Finne möchte ähnlich wie die beiden französischen Rekord-Champions Sébastien Loeb (neun WM-Titel) und Sébastien Ogier (acht WM-Titel) in der aktuellen Saison nur noch als Teilzeit-Pilot in der WRC an den Start gehen. Ogier wird im dritten Toyota-Hybriden die „Monte“ 2024 in Angriff nehmen, um sich bei einem sehr wahrscheinlichen Sieg zum alleinigen Rekordhalter mit zehn Triumphen küren zu lassen.
Im Schatten des Kampfes der Rally1-Piloten, aber nicht minder spektakulär, dürfte der Wettstreit in der Klasse RC2 oder Rally2 um den „Monte“-Sieg verlaufen. In dieser Kategorie wurden 24 Fahrzeuge gemeldet. Die beiden Franzosen Stéphane Lefebvre und Bryan Bouffier als Piloten eines Toyota GR Yaris werden zu den Favoriten gezählt, weil beide in der Vergangenheit schon in der Königsklasse angetreten waren. Nicht zu vergessen der Vorjahressieger Yohan Rossel aus Frankreich und der Russe Nikolay Gryazin, Zweitplatzierter der „Monte“-Rally2 2023, jeweils in einem Citroen C3.