Viertes Saisonrennen, vierter Mercedes-Sieg – vierter Doppelsieg. In Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, triumphierte Valtteri Bottas vor Lewis Hamilton. Sebastian Vettel als Dritter blieb erneut nur die Rolle des Hinterherfahrers. Der Ferrari-Pilot hofft auf die Wende an diesem Sonntag in Spanien.
Die bisherige Formel-1-Saison mit ihren vier Rennen gleicht einem „Bäumchen-wechsel-dich"-Spiel. Mal gewinnt Mercedes-Pilot Lewis Hamilton, mal dessen Teamkollege Valtteri Bottas. So auch zuletzt in Baku. Am Kaspischen Meer hat der Finne mit seinem Sieg mal schnell seinem Teamkollegen Hamilton die WM-Fahrerführung abgeknöpft – wenn auch nur mit einem Punkt Vorsprung (87:86). Die Geschichte des Aserbaidschan-Grand Prix hat sich somit auch schnell erledigt. Bottas verteidigt beim Start seine Pole Position, Mercedes-Teamkollege Hamilton folgt von Platz zwei dem Finnen bis über die Ziellinie, Sebastian Vettel behält im Ferrari Startplatz drei und darf ebenfalls aufs Podest – allerdings nur als Dritter. Fazit des vierten WM-Laufs im Kaukasus im Renntempo: Bottas fuhr den fünften Sieg in seiner Formel-1-Karriere ein – seinen zweiten in dieser Saison und seinen ersten in Baku und stand zum 25. Mal auf dem Podest. In der Mercedes-Presseaussendung äußert sich der Finne so: „Dieser Sieg fühlt sich richtig gut an. Wenn man von der Pole ins Rennen geht, hofft man immer auf ein unkompliziertes Rennen – je weniger Drama desto besser. Ich hatte nicht den besten Start, aber nachdem zuletzt in China meine Räder durchgedreht haben, war ich diesmal vielleicht ein wenig zu vorsichtig. Lewis hatte einen besseren Start, und wir gingen Seite an Seite in die ersten beiden Kurven. Das war gutes, respektvolles Racing zwischen uns beiden, und ich bin froh, dass ich mich gegen ihn durchsetzen konnte." Nach Siegen zwischen den zwei Stern-Fahrern steht es 2:2. Ferrari-Star Sebastian Vettel hinkt als aktueller WM-Dritter (52) bereits 35 Zähler hinter dem Führenden Bottas her. Noch viel offensichtlicher präsentiert sich die Zahlen-Orgie in der Konstrukteurs-Wertung: Der deutsche von österreichischer Hand (Toto Wolff/Niki Lauda) gemanagte F1-Rennstall Mercedes-AMG Petronas ist in der Zuverlässigkeits-Wertung (173 Punkte) mit 74 Zählern Vorsprung auf Ferrari (99) einsamer Spitzenreiter. Soweit Daten und Zahlen – die bekanntermaßen hieb- und stichfest sind und auch nicht lügen.
Mercedes dominiert
Jetzt sind die zehn Formel-1-Teams erst einmal in Europa angekommen. Zum 29. Mal in Barcelona. Was ja genau bedeutet in der spanischen Gemeinde der autonomen Region Katalonien. Montmélo, eine kleine, verschlafene Gemeinschaft mit knapp 9000 Einwohnern ist an diesem Wochenende Pilgerstätte von Zigtausenden F1-Fans. Auch wenn Lokal-Matador Fernando Alonso nicht mehr zum F1-Starensemle gehört – und sich nach zwei WM-Titeln (2005/2006) und 312 F1-Rennen in die USA orientiert hat. Barcelona beziehungsweise Montmélo hat etwas ganz Spezielles für die Formel-1-Fahrer. Hier sind sie zu Hause. Hier, in diesem milden Klima, fühlen sie sich auch im Winter in ihrer rennfreien Zeit wie vor dem Kamin in ihrer Wohnstube. Hier in Montmélo haben diese Vierrad-Artisten vor ihrem offiziellen Auftritt an diesem Sonntag (14.10 Uhr RTL/Sky) Tausende von Kilometern im Winter, meist im Februar, mit ihrem brandneuen Dienst-/Rennwagen auf dem 4,655 Kilometer langen Asphaltband abgespult. Die Piloten kennen auf dieser Berg- und Talbahn jede Kurve, jeden Grashalm – wenn es sein muss mit Vornamen – wie ihre Westentasche. Hier in Montmélo haben sie geackert und gerackert, sich im Training die Seele aus dem Leib gefahren, um an diesem Sonntag das Optimum aus ihrem Arbeitsgerät herauszuholen.
Geben wir die Hoffnung nach vier Saisonrennen mit vier Mercedes-Doppelsiegen aber auf eine Gähn-WM noch nicht auf. Für FORUM-Experte Marc Surer, Ex-Formel-1-Pilot mit 84 Grand Prix, ist der Große Preis von Spanien „ein zweiter Start in die Weltmeisterschaft". Der Schweizer analysiert: „Spanien ist der klassische Auftakt der Europa-Saison und damit das erste Rennen, in dem die Teams mit zum Teil drastisch verbesserten Teilen an den Autos antreten werden. Wir werden sehen, wer auf sich aufmerksam macht." Für den früheren Formel-1-Piloten Gerhard Berger (zehn GP-Siege in 210 Rennen) ist Barcelona immer das Rennen „in dem die Teams mit zum Teil drastisch verbesserten Teilen antreten werden." Auch auf dieser „Ebene" wird es laut des Tirolers nur ein Fazit geben: „Die finanziell stärksten Teams wie Mercedes, Ferrari und Red Bull sind klar im Vorteil gegenüber dem Rest des Feldes. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt: Wer in Barcelona immer noch Probleme hat oder plötzlich ein neues bekommt, wird es im Laufe der Saison schwer haben, den Rückstand auf die Konkurrenz aufzuholen." F1-Experte Surer weiß: „Der Kurs ist ein guter Gradmesser für Aerodynamik und einen starken Motor. Der anspruchsvolle Streckenverlauf stellt nach seiner Einschätzung die Teams in der Fahrzeugabstimmung vor viele Aufgaben. Sebastian Vettel räumt mit einem Vorurteil auf und stellt klar: „Jeder denkt, dass die Fahrzeugabstimmung des Autos leicht ist, weil wir auf diesem Kurs im Winter getestet haben. Dem ist aber nicht so." Und der Heppenheimer Ex-Gymnasiast klärt klipp und klar und unmissverständlich auf: „Das Wetter hier in dieser spanischen Region im Februar ist anders als jetzt im Mai. Und deshalb haben wir jetzt drei Monate später ganz andere Bedingungen als bei den Testfahrten im Februar." Wie wahr.
„Zweiter Start in die WM"
Zwei Monate später seit dem Saisonauftakt – für Sebastian Vettel rennt die Zeit im WM-Kampf mit den zwei „Stern-Fliegern" auf und davon. Auf die Frage, ob er denn seine WM-Chancen im fünften Jahr mit Ferrari schon stark reduzieren sehe, antwortete Vettel unmissverständlich mit einem klaren „Nein." „Es ist ja noch ein langer Weg. Aber wir müssen stärker werden", fordert der 31-Jährige ohne Wenn und Aber.
Aber der viermalige Champion (2010-2013 im Red Bull) hat den Glauben in seine Arbeitsmaschine noch nicht verloren. Der Optimismus nach vier schmerzhaften Saisonniederlagen sprüht nur so aus ihm hervor, und Vettel beteuert: „Ich glaube nicht, dass unser Auto langsam ist. Mercedes ist sehr schnell, ja. Aber es scheint ihnen einfach leichter von der Hand zu gehen, dass es klick macht. Uns fällt das schwerer, wir müssen mehr dafür arbeiten als sie, das auf die Reihe zu bekommen. Das Geheimnis sind bisher die Reifen. Da fehlt uns was." Was man aber dagegen unternehmen kann? Prompte Antwort des siegesbewussten Hessen schlicht und einfach: „Härter arbeiten. Und es besser machen als die Konkurrenz." Knochentrocken und zugleich fidel-ehrlich erkennt Vettel: „Wir müssen anerkennen, dass sie (Mercedes, Anm. der Red.) das derzeit phänomenal gut machen und ihre Autos meistens richtig hinbekommen." Doch selbst bei diesen Lobeshymnen vom Gegner für die Anerkennung des Rivalen will es Vettel nicht belassen. Sein Ferrari-Team hält „Il Tedesco" („Der Deutsche"), für das er in 84 roten F1-Rennschlachten bisher 13 Siege eingefahren hat, auch in Stunden des Schicksals „hoch und heilig." „Gepriesen" sei ihm dieser rote Traditionsrennstall in Maranello, offenbarte der damals 26-jährige Neuankömmling als Heilsbringer im italienischen „F1-Königreich". Doch die Hoffnung auf seinen ersten WM-Titel in Rot seit Dienstbeginn 2015 bei diesem mystischen Rennstall stirbt auch bei Sebastian Vettel zuletzt. „Ich glaube an dieses Team und bin optimistisch. Wir wissen, dass wir uns steigern können. Ich glaube, dass wir ein gutes Auto haben. Es gelingt uns nur noch nicht so, es immer richtig hinzubekommen. Das macht es schwierig, das nötige Vertrauen aufzubauen. Aber ich bin sicher, dass wir die Wende schaffen können."
Vettel und der Glaube. „Es ist wie ein Zauberwürfel. Wir müssen ihn nur entwirren. Bei uns im Team gibt es viele, die einen Zauberwürfel innerhalb von ein paar Minuten lösen können. Wir haben sehr kluge Leute. Aber unser Würfel ist halt sehr, sehr groß." Der viermalige Champion weiß nur zu genau, wovon er spricht. Vettel spricht weiter im Arbeiter-Jargon und stellt fest: „Wir haben die Werkzeuge, um alles zu richten. Wir müssen nur alles zusammenbauen. Irgendwie haben wir mit den Reifen größere Schwierigkeiten als in den vergangenen Jahren."
„Es ist wie ein Zauberwürfel"
Eine glasklare Analyse, so klar wie seine Fahrweise. Diese muss nur noch zum Sieg führen. Ein dritter Platz wie in Baku und Shanghai sind für das erfolgs-verwöhnte italienische Vorzeige-Team mit 15 Konstrukteurs- und 16 Fahrer-WM-Titeln doch etwas dürftig. In den beiden vergangenen Jahren (2017 und 2018) war Mercedes-Pilot Lewis Hamilton in Barcelona – pardon, in Montmélo – der Fixstern am F1-Firmament. 2018 bescherte Valtteri Bottas als treuer Vasall mit Platz zwei der britisch-österreichischen Seilschaft einen Doppelerfolg. Die deutsche Hoffnung Sebastian Vettel wurde hinter „Jung-Bulle" Max Verstappen nur Vierter. „Dieses Mal aber habe ich Lust, zwischen einen der Mercedes-Jungs aufs Podest zu steigen", so Vettel mit einer vagen Spanien-Vorhersage. Womit wir wieder beim „Bäumchen-wechsel-dich-Spiel" wären. Also: Hamilton oder/und Bottas als Mercedes-Sieger an diesem Sonntag in Montmélo – nahe der pulsierenden Weltmetropole Barcelona. Ein Mercedes-Pilot wird wohl die Hand nicht nur am Steuer sondern auch am Puls dieser aufregenden Stadt haben. Wenn auch auf Abwegen – was Jetsetter Hamilton ja nicht schwerfallen dürfte.