Jeder Mensch hat seine eigene Art, Liebe auszudrücken. Wie wir lernen können, unser Gegenüber zu verstehen und was glückliche Paarkommunikation ausmacht.
Die glücklichste Ehe, die ich mir vorstellen kann, wäre die zwischen einem tauben Mann und einer blinden Frau", hat der englische Dichter und Philosoph Samuel Coleridge einst gesagt. Tatsächlich ist die Kommunikation von Mann und Frau immer wieder von Fallstricken und Missverständnissen gesäumt. Selbst die vermeintlich einfache Botschaft „Ich liebe dich" kann ganz unterschiedlich verpackt und damit auch überhört und übersehen werden.
Der US-amerikanische Pastor und Beziehungsberater Gary Chapman schreibt in seinem Standardwerk „Fünf Sprachen der Liebe", dass jeder Mensch eine ganz unterschiedliche Art und Weise hat, seine Liebe zum Ausdruck zu bringen. So gibt es etwa Charaktere, die Liebe durch Komplimente, lobende Worte oder anerkennende Gesten ausdrücken. Es fällt ihnen leicht, die Stärken des anderen zu erkennen und lobend hervorzuheben. Im Gegenzug fühlen sie sich geliebt, wenn auch ihr Partner ihnen Komplimente zukommen lässt. Für andere hingegen liegt vor allem in der Zweisamkeit eine Liebesbotschaft.
Das Motto der Liebestypen
„Quality Time" ist für Menschen dieser Liebessprache das höchste Gut. Sie zeigen Liebe, indem sie sich Zeit für ihren Partner nehmen und diese ausschließlich allein mit ihm verbringen wollen. Natürlich wünschen sie sich selbiges auch von ihrem Partner. Gemeinsam verbrachte Zeit wird als Liebesbekundung gedeutet. Wieder andere kommunizieren ihre Liebe über Geschenke. Meist geht es ihnen dabei gar nicht um Materielles. Im Gegenteil: auch mit kleinen Geschenken wissen sie ihre Liebe zu bekunden. Viel wichtiger ist oft der liebevolle Akt des Aussuchens. Das Mitbringsel von einer Reise oder die Schokolade, die der Partner so gern isst, sind Zeichen ihrer Zuneigung. Ebenso erhalten sie gern Geschenke, weil sie damit bestätigt wissen, dass der andere sich Zeit dafür genommen hat, ihnen eine Freude zu machen. Die vierte Sprache der Liebe besteht laut Chapman in der Hilfsbereitschaft. „Ich liebe dich und deshalb helfe ich dir, wo ich kann": So lautet das Motto dieser Liebestypen. Vom Tragen der Einkaufstaschen, bis hin zur Hilfe bei der Jobsuche oder durch finanzielle Unterstützung: Sich gegenseitig helfen ist aus Sicht dieser Menschen Liebe. Bei der fünften Sprache der Liebe stehen Intimität und Zärtlichkeit im Mittelpunkt. Kuscheln, Streicheln, Küssen und natürlich Sex: Zärtliche Gesten sind eine Sprache der Liebe, die für manche Menschen die wichtigste Botschaft einer Beziehung ausmacht. Je intensiver körperlicher Kontakt gelebt wird, desto mehr lieben sie und fühlen sich geliebt.
Chapman hat über 30 Jahre damit verbracht, mit Liebespaaren und Ex-Liebespaaren zu arbeiten. Ein häufiger Grund für Unstimmigkeiten in der Beziehung, aber auch für Trennungen und das Gefühl, vom Partner nicht geliebt zu werden, liegt laut ihm darin, dass beide unterschiedliche Liebessprachen sprechen und die des anderen nicht verstehen. Sie nehmen an, ihr Partner müsse genauso ticken, wie sie selbst und seine Liebe auf dieselbe Weise kommunizieren. In guten Beziehungen decke sich die Muttersprache der Liebe entweder oder man kenne zumindest die Sprache des Partners und könne sie erlernen und übersetzen. Dann könnten sich beide verstanden und geliebt fühlen, erklärt Chapman. Wie wichtig die Kommunikation bei Liebenden ist, hat auch John Gottman erforscht. Der Mathematiker und Psychologe packt alle Erkenntnisse über Beziehungen in Formeln und verspricht, damit die Zukunft von Partnerschaften und Affären exakt vorhersagen zu können. „Für viele ist die Liebe ein komplexes Mysterium. Dabei ist sie so vorhersagbar", so Gottman. Er gilt als einer der einflussreichsten Beziehungsforscher weltweit, weil er begann, Liebe systematisch zu entschlüsseln und eine wissenschaftliche Basis für Paartherapien zu entwickeln. Während manch einer seiner Kollegen früher noch glaubte, Paare müssten sich nur mal richtig anschreien, um ihre Wut loszuwerden oder sie könnten in Verträgen regeln, wer was zum Eheglück beiträgt, hat Gottman seine eigene Methode entwickelt. Er arbeitet mit Videokameras und Geräten, die den Puls messen, Atemfrequenz, Hautleitfähigkeit und den Hormonspiegel.
„Apokalyptische Reiter"
Zu Beginn seiner Forschung lud er gemeinsam mit seinem Kollegen Robert Levenson Paare ins Labor ein, verkabelte sie, maß ihren Herzschlag und ihre Atemfrequenz. Er bat sie dann, 15 Minuten lang ein heikles Thema ihrer Beziehung zu diskutieren. Das Ergebnis: Was die später unglücklichen von den glücklichen Paaren unterschied, waren die physiologischen Daten. Wurden Paare später unglücklich, schoss beim Konflikt ihr Puls in die Höhe, sie begannen zu schwitzen und atmeten schnell. Ihr Körper reagierte, als würde er es mit einem gefährlichen Tier aufnehmen müssen – und nicht mit einem geliebten Menschen. Je ruhiger dagegen der Puls während der Diskussion war, umso glücklicher waren die Partner und umso wahrscheinlicher war es, dass sie nach den drei Jahren noch zusammen waren. Gottman und sein Kollege waren mit dieser Untersuchung in der Lage, mit einer 90-prozentigen Trefferwahrscheinlichkeit vorherzusagen, wie sich das Liebesglück in den nächsten drei Jahren entwickeln würde.
Gottman aber wollte noch mehr wissen. Welche der Paare würden sich trennen, und wann würden sie das tun? Der Forscher ging davon aus, dass in ihrer Kommunikation etwas grundsätzlich schief lief. Er begann, jede Sekunde seiner Aufzeichnungen mithilfe eines „Dating Rials" zu kodieren, eines Drehrads, an dem die Liebenden in jeder Sekunde angeben konnten, wie gut oder schlecht sie sich im Gespräch mit ihrem Partner gerade fühlten. Schließlich entdeckte er die 5:1-Ratio, für die er anschließend berühmt wurde. Gottman beobachtete, dass bei unglücklichen Partnerschaften negative Interaktionen überwogen oder sich die Waage hielten. In zufriedenen Beziehungen hingegen lag das Verhältnis von positivem zu negativem Verhalten bei mindestens 5:1. Eine negative Interaktion konnte dabei durch fünf positive kompensiert werden. Gegen einmal Kritik helfe also fünfmal Lob, gegen eine Zurückweisung fünfmal aktive Zuwendung. Der Psychologe fand aber noch mehr heraus. Nicht alle negativen Interaktionen wurden einer Beziehung gefährlich. Nur vier davon waren, wissenschaftlich gesehen, ein Volltreffer. Sie konnten eine Trennung in über 90 Prozent aller Fälle vorhersagen und diese geschah nach durchschnittlich 5,6 Jahren.
Diese vier Momente nannte Gottman „apokalyptische Reiter". Sie kündigten den Niedergang der Beziehung an und waren der Grund, warum die Körper der Partner reagierten, als seien sie im Kampf. Der erste Reiter ist Kritik im Sinne von Schuldzuweisungen und Anklagen, die ihren Höhepunkt in einer generellen Verurteilung des Partners finden. Wer beschuldigt und angeklagt wird, fühlt sich immer attackiert, sagt Gottman. Er reagiert mit der natürlichen Reaktion der Verteidigung, dem zweiten apokalyptischen Reiter. Wer sich rechtfertigt, hält jedoch den Konflikt am Leben oder macht ihn noch schlimmer. Der dritte Reiter ist der Rückzug, das „Mauern", ein Verhalten, das jemand zeigt, der sich machtlos fühlt. Er verschränkt die Arme, vermeidet Augenkontakt, schaltet auf Durchzug. Das sieht nach Desinteresse aus und macht den Partner noch wütender. Aber Mauern tritt typischerweise ab einem Puls von 100 auf, so Gottman und ist vielmehr eine Verzweiflungstat. Der vierte Reiter ist die Verachtung. Ein leichtes Augenrollen, auf den Partner heruntersehen, ihn nicht ernst nehmen. Verachtung gibt es in glücklichen Beziehungen nicht. In unglücklichen dominiert sie. Auch zwischen den Geschlechtern gab es Unterschiede: Kritik kam mehr von Frauen, Mauern hingegen wurde mehr von Männern eingesetzt.
Mithilfe der vier apokalyptischen Reiter konnte Gottman das Scheitern der Beziehung in den ersten sieben Jahren vorhersagen. Was aber war mit Beziehungen, die danach zerbrachen? Beziehungen, die nur langsam zerfallen, haben laut dem Psychologen weniger mit den apokalyptischen Reitern als mit emotionaler Loslösung zu tun. In solchen Beziehungen gibt es zwar wenig negative Interaktionen, aber auch so gut wie keine positiven. Wegen emotionalerm Rückzug, dem Fehlen von Mitgefühl und mangelndem gemeinsamem Humor konnte eine Trennung nach 16,2 Jahren vorhergesagt werden. Diese Partner waren stark auf ihren eignen Vorteil fixiert. In „Principia Amoris. The New Science of Love" erklärt Gottman mittels Berechnungen aus der Spieltheorie, was passiert, wenn beide versuchen, auf Biegen und Brechen ihren Standpunkt durchzusetzen. Der Gewinn des einen ist dann der Verlust des anderen. Das schaffe eine emotionale Kluft zwischen den Partnern, die jedes Mal größer werde, wenn wieder einer der Partner „gewinnt". Diese Paare trennen sich trotzdem zunächst nicht, leben nebeneinander her und ziehen häufig auch Kinder groß. Oft kommt es in solchen Konstellationen zu Affären. Erst wenn die Kinder groß sind, trennt sich das Paar, nach im Schnitt 16,2 Jahren.
Liebe in kleinen Mikromomenten
Aber Gottman entdeckte bei seiner Forschung auch wirkungsvolle Gegenmittel: Humor und Selbstberuhigung. Beides sorgt dafür, dass sich der Puls beruhigt und der Kopf wieder klarer wird. Humor helfe außerdem, wieder Nähe zu schaffen, wo vorher durch den Streit Distanz entstanden ist. Selbstberuhigung, also die Fähigkeit, einen negativen Affekt nachhaltig herunterzuregulieren, diene vor allem auch dazu, nicht sofort zurückzuschießen. Menschen, die sich gut selbst regulieren können, sind in der Lage, negative Erlebnisse vor dem Hintergrund bisheriger Lebenserfahrungen zu relativieren und behalten einen Überblick über verschiedene Handlungsmöglichkeiten. „Der Reflex, sich zu verteidigen, ist zwar ein evolutionäres Erbe, aber in der Liebe völlig fehl am Platz", so Gottman. Gemeinsam mit seiner Frau versucht er am Gottman Institute, Menschen zu gesunden Beziehungen zu verhelfen und ihnen verschiedene Fähigkeiten beizubringen. „Ich bin überzeugt, dass sich alles über die Liebe in kleinen Mikromomenten lesen lässt", so der Psychologe. „In diesen kleinen Mikromomenten kreieren wir die Liebe, oder wir zerstören sie."