Vize-Weltmeister Sebastian Vettel will im fünften Anlauf endlich seinen ersten WM-Titel für Ferrari einfahren. So lange musste auch sein Jugendidol Michael Schumacher auf seinen ersten von fünf Titeln in Rot warten. Vom Rekord-Champion, der am 3. Januar 50 Jahre alt wurde, vermisst Vettel nach dem tragischen Skiunfall seines Mentors Ende 2013 dessen Ratschläge.
Sebastian Vettel und Ferrari gehören zu den Verlierern der Formel-1-Saison 2018. In der Fahrer-Pressekonferenz nach dem Abu-Dhabi-Finale musste sich der „Nur"-Vizeweltmeister dann auch noch mit einem leicht abgeänderten Zitat von Wilhelm Busch auseinandersetzen: „Vater werden ist nicht schwer, Weltmeister werden dagegen sehr." Die ansonsten oft steife Frage- und Antwortrunde war diesmal mit Süffisanz und Humor gewürzt. Der „geschlagene" Ferrari-Pilot, der trotz seiner WM-Niederlage zu Späßen aufgelegt war, wurde gefragt, was er denn in der Winterpause bis Mitte März so treibe? Noch bevor der daraufhin etwas verblüffte und mit Rosenwasser übergossene Abu-Dhabi-Zweitplatzierte antworten konnte, grätschte sein Dauer-Bezwinger Lewis Hamilton dazwischen und meinte fragend: „Etwa ein weiteres Baby?" Vettel, Vater von zwei Töchtern, ließ diesen Hinweis aber nicht auf sich sitzen und konterte im Renntempo: „Das ist doch schnell gemacht. Da weiß ich, wie’s geht. Wenn du Rat brauchst, kann ich dir ein paar Tipps geben, wie du Vater wirst. Ich weiß ja nicht, wie lange ihr (gemeint waren Hamilton und der Abu-Dhabi-Dritte Max Verstappen) noch mit dem freien Training weitermachen wollt?" Nach dieser Slapstick-Einlage in Sachen Familienplanung ging es dann aber zur eigentlichen Sache.
Der aktuelle fünfmalige Weltmeister Lewis Hamilton wird auch in der nächsten Saison 2019 mit Mercedes der Maßstab in der Formel 1 sein. Sebastian Vettel, der bisher mit vier WM-Titeln dekoriert ist (alle mit Red Bull von 2010 bis 2013), rennt seitdem seinem fünften WM-Triumph und somit seinem ersten Titel mit Ferrari hinterher. Im nächsten Jahr, in seiner fünften Saison seit 2015 in Diensten des italieneischen Rennstalls, soll es endlich klappen – Weltmeister mit Ferrari zu werden. Sebastian Vettel verweist gern auf sein Vorbild und Kindheitsidol Michael Schumacher. Dem Kerpener, 1994 und 1995 bereits Weltmeister mit Benetton, ist es erst in seinem fünften Ferrari-Jahr gelungen, seinen roten Boliden zur Titelreife zu steuern und vier weitere Titel in Rot nacheinander einzufahren. Diese Bilanz macht Vettel neuen Mut und gibt ihm Zuversicht für die neue Saison. Der Heppenheimer bedauert allerdings, dass er für sein Ziel auf die Ratschläge seines Freundes Michael Schumacher verzichten muss. Vettel hätte sich wegen seiner Misserfolge und den Ränkespielen bei Ferrari Freund „Schumi" gern als Ratgeber gewünscht. Der am Donnerstag, 3. Januar, 50 Jahre alt gewordene siebenmalige Rekordchampion ist bekanntlich seit dem 29. Dezember 2013 nach seinem tragischen Skiunfall in Meribel in den französischen Alpen mit schweren Hirnverletzungen ein Pflegefall. Mit seinem Landsmann als Ratgeber „würde ich jetzt die Sprache der Fahrer sprechen und nicht die der Techniker. Deshalb würde mir ein Gespräch mit Michael jetzt extrem helfen", verriet Vettel im Interview dem „Blick".
„Mir würde ein Gespräch mit Michael helfen"
Dabei standen die Titel-Chancen in der vergangenen Saison 2018 nach zwei Siegen in Folge zum Auftakt (in Australien und Bahrain) nicht schlecht. Seit der Hybrid-Ära 2014 hatten die Sternfahrer mit überlegener Mercedes-Motorleistung dominiert. Doch damit war es im Jahr 2018 vorbei. Nach zehn von 21 Rennen führte Vettel die Fahrerwertung noch an. Er punktete konstant, zeigte kaum Schwächen und nahm seinen fünften WM-Titel, den ersten mit Ferrari, ins Visier. Die Italiener hatten das wohl stärkste Aggregat. Und während des Sommers wurde Ferrari zur Messlatte des gesamten Feldes. Doch dann kam Hockenheim. In seinem Heimrennen machte Vettel einen unverzeihlichen Fehler, setzte seine rote „Göttin" in Führung liegend beim plötzlich einsetzenden Regen ins Kiesbett. Ergebnis: 25 Punkte, Sieg und WM-Führung waren futsch – und Mercedes-Maestro Hamilton triumphierte von Startplatz 14. Für Vettel war es der Tiefpunkt. Von diesem Moment an lief für den Deutschen so ziemlich alles schief. Die Mängelliste in Saisonhälfte zwei mit Strategie-, Taktik- und Fahrfehlern war ziemlich lang. Hamilton und Mercedes waren immer dann zur Stelle, wenn Vettel schwächelte und patzte.
Heute hadert der Hesse mit dem Abschneiden seiner vergangenen Saison. Rückblickend bilanziert er: „Wir hatten unsere Rennen, in denen wir sehr nahe dran und sehr konkurrenzfähig waren. Und wir hatten viele Rennen, in denen wir alles aus dem Auto und dem Paket gequetscht haben. Insgesamt war unser Auto recht ausgewogen, es hat auf fast allen Strecken gut funktioniert." Negativ bewertet Vettel allerdings den WM-Endspurt: „Am Ende der Saison waren wir einfach nicht stark genug. Wir konnten Rennen nicht mehr aus eigener Kraft gewinnen. Der letzte entscheidende Schritt hat natürlich gefehlt und auch ein bisschen der Speed. Wir waren vielleicht etwas weiter zurück, als es hätte sein sollen. Es wäre schwer gewesen, bis zum letzten Rennen alles offenzuhalten." Offen bekennt er auch, dass „wir oft in zu vielen Rennen nicht ganz auf der Höhe waren. Wir waren nicht auf der Höhe unserer Leistungsfähigkeit, um Mercedes abzuhängen. Um sie zu besiegen, müssen wir alle einen besseren Job machen." Die Leistung der Rivalen aber erkannte er lobend an: „Lewis und Mercedes haben das ganze Jahr einen guten Job gemacht. Sie waren wieder einmal die Kraft, die es zu schlagen galt. Die Stärke von ihnen lag darin, unsere Schwächen maximal auszunutzen und genau in diesen Rennen zurückzuschlagen. Das ist zwar bitter, aber man muss es auch akzeptieren", sagte Vettel.
Jetzt gilt es zu schauen, was man bei Ferrari besser machen kann, um den Titel 2019 wieder in Angriff zu nehmen. Laut Vettel habe man verstanden, was im Herbst schiefgelaufen ist, und seine Lehren daraus gezogen. „Es sind einfach ein paar Dinge innerhalb des Teams passiert", sagt der Hesse, weiß aber auch: „Das Team ist stark und hat eine Menge Potenzial. Jetzt liegt es an uns, auf jedes einzelne Detail zu schauen und sicherzustellen, dass wir als stärkere Gruppe daraus hervorgehen. Das ermöglicht uns, ein stärkeres Paket für das kommende Jahr und die Zukunft zu schnüren." So sollen Fehler wie sie Ferrari und Vettel 2018 gemacht haben, möglichst vermieden werden. Der Chefpilot hat nach eigener Aussage „keine Probleme, Fehler zuzugeben", und bekennt offen: „Ich war hier und da nicht ganz auf meinem Leistungsniveau. Ich denke, ich kann besser sein, als ich manchmal war, dass ich es manchmal besser hätte machen können." Aber immerhin wissen er und sein Team, „wo die Schwachstellen sind und wo wir an den Schrauben drehen müssen, um den Schritt nach vorne zu machen", so Vettel gegenüber dem Fachmagazin „auto-motor-und-sport".
„Ich war nicht ganz auf meinem Leistungsniveau"
Apropos Fehler: Seine Zwischenfälle nach waghalsigen Manövern waren Vettel selbst etwas unheimlich vorgekommen. In Austin (USA) zeigte er die dritte Kollision im fünften Rennen in Folge. Und jedes Mal war er es, der sich drehte, während sein Unfallpartner unbekümmert weiterfuhr. Hamilton fuhr weiter in Monza, Max Verstappen fuhr weiter in Suzuka, Ricciardo fuhr weiter in Austin. „Ist Seb völlig von der Rolle?", fragte Ross Brawn, einst bei Ferrari das Hirn hinter den fünf WM-Triumphen von Michael Schumacher, nach Vettels Attacken.
Der 63-jährige bullige Brite, heute Formel-1-Sportchef bei Formel-1-Eigentümer Liberty Media, ist besorgt. Dem Fachmagazin „Autosport" sagte Brawn: „Ich will Vettel gewiss nicht anklagen, aber seine Zwischenfälle kann man nicht mehr als Zufall ansehen. Die wichtigste Aufgabe von Ferrari ist es nun, Vettel zu helfen und mehr aus seinem Riesentalent zu machen." Eklatant in der vergangenen Saison war, dass Ferrari seinen Starfahrer oft „im Regen" stehen ließ. Vettel fühlte sich mehrmals im Stich gelassen, während Mercedes alles tat und voll auf die Karte Hamilton setzte.
Nico Rosberg, Champion von 2016 und RTL-Experte, hat ausgemacht, dass Ferrari Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen „teilweise zu sehr unterstützt haben, als dieser schon aus der WM raus war." Ex-Formel-1-Strippenzieher Bernie Ecclestone glaubt, dass sein Backgammon-Kumpel Vettel Ferrari nicht auf seine Seite bringen kann wie einst Michael Schumacher. Der „Gazzetta dello Sport" sagte der 88-Jährige: „Bei Red Bull ist er geliebt worden. Ich glaube, dass es bei Ferrari bislang nicht so war. Und weil er nicht gleichermaßen im Team integriert ist, hat er seine Konzentration verloren." In seinem vierten Jahr bei Ferrari standen Sebastian Vettel, einst als Heilsbringer gepriesen, und sein Team enorm unter Druck, besonders in der Heimat und den gnadenlos abrechnenden italienischen Medien. Kimi Räikkönen war 2007 der letzte Ferrari-Pilot, der dem italienischen Renommier-Rennstall den Fahrer-Titel beschert hat.
„Ich werde 2019 wieder nach dem Titel greifen"
Vettel, 52-maliger Grand-Prix-Sieger, hat seinem Dauer-Rivalen Lewis Hamilton schon nach seinem verlorenen Titel im drittletzten Saisonrennen in Mexiko eine Kampfansage versprochen. „Ich werde 2019 wieder nach dem Titel greifen und mir mit dir ein hartes Duell liefern. Darauf freue ich mich jetzt schon." Seine Ansage an den fünfmaligen Weltmeister ist daher eindeutig: „Es ihm schwer machen und ihm den Titel wegnehmen. Ganz einfach. Das aber dann umzusetzen wird nicht so einfach." Wo wir wieder bei dem eingangs erwähnten, leicht abgeänderten Zitat von Wilhelm Busch wären.
Auflösen wollen wir aber auch noch Vettels Freizeitaktivitäten in der Winterpause. „Ja", sagte er, „ich freue mich darauf, mal alles etwas runterzufahren, abzuschalten und ein bisschen Zeit für mich zu haben." Er werde an seinen Bikes und seinem allerersten Moped, „das ich mit 15 Jahren bekam, ein bisschen rumschrauben. Ich will es in den Original-Zustand bringen. Im Moment ist es nicht mal startfähig. Es steht nur der Rahmen da und die Teile liegen drum herum und warten darauf, dass ich sie wieder zusammenbaue." Er wird also ein bisschen „knauben". In Sachen Familienplanung will der „Knauberer" Sebastian Vettel es aber beim „freien Training" belassen.