Seit 2017 ist das Bauhaus-Denkmal Bundesschule Bernau Weltkulturerbe – nach einer wechselvollen Geschichte inklusive unterschiedlichster Nutzer und jahrelangem Leerstand.
Ruhig wirkt das Gelände am Rande des Bernauer Stadtwalds auf den ersten Blick. Ein Gebäudekomplex mit schlichtem Äußeren, fast nüchtern, charakterisiert von ruhigen Formen ohne unnötige Schnörkel. Nur von dem benachbarten Gymnasium und der Berufsschule nebenan schwappen Gelächter und einzelne Gesprächsfetzen herüber – ob die Atmosphäre hier vor knapp 90 Jahren wohl eine ähnliche gewesen sein mag?
Auf jeden Fall hat die Schule noch ihre ursprüngliche Funktion als Lehranstalt behalten. Das erzählen Peter Steininger und seine Kollegen Besuchern bei den öffentlichen Führungen, die es jeden Sonntag auf dem Gelände der Bundesschule gibt. Stadtführer aus Bernau haben sich locker zusammengeschlossen, um interessierten Gästen aus der Region und von weiter her die Geschichte und Bedeutung des Gebäudes näherzubringen.
Zudem ist Peter Steininger für die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins Baudenkmal Bundesschule Bernau zuständig. „Das Interesse am Gebäude war über die Jahre eher verhalten, doch im vergangenen Jahr setzte plötzlich ein Besucheransturm ein", schildert er die gestiegenen Teilnehmerzahlen bei den Führungen. Kurz vor dem Bauhaus-Jubiläum in diesem Jahr strömten unter anderem Architekten, Kunst- und Designstudenten aus dem gesamten Bundesgebiet nach Bernau nördlich von Berlin. Sogar aus Österreich und der Schweiz seien Besucher gekommen, sagt Steininger fast ein wenig erstaunt. Bauen als Gestaltung von Lebensvorgängen – so verstanden und lehrten es Bauhaus-Direktor Hannes Meyer und sein Partner, der Architekt Hans Wittwer.
Im Auftrag des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) planten sie zwischen 1928 und 1930 eine zentrale Bundesschule mit Internat auf dem Gelände bei Bernau. Bereits gut zehn Jahre zuvor, im Jahr 1919, war das Bauhaus als Kunstrichtung in Weimar entstanden und gab die Gestaltungsgrundsätze für den Bau der neuen Schule vor. Gute Proportionen und praktische Einfachheit sollten bei Planung und Ausführung berücksichtigt, Handwerk, Kunst und Technik vereint werden. Ein weiterer Anspruch war, das Ensemble in die Landschaft des Bernauer Stadtforstes harmonisch einzufügen.
Nach der Eröffnung am 4. Mai 1930 bot die Schule zunächst 120 Gewerkschaftsfunktionären Platz. Bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 lernten und schliefen mehr als 4.000 Schüler auf dem Gelände. Die Nazis beschlagnahmten die Schule danach und wandelten sie zur Reichsführerschule der NSDAP und Deutschen Arbeitsfront um. Weitere Nutzer des Gebäudekomplexes waren bis zum Kriegsende SS und Gestapo sowie das Reichssicherheitshauptamt.
Nach 1945 übergab die sowjetische Militäradministration die Bundesschule an den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund, der das Gebäude bis 1990 als Gewerkschaftshochschule nutzte und auf dem abgeschirmten Gelände ausgewählte Studenten zu Diplom-Gesellschaftswissenschaftlern ausbildete. Weder ihnen noch großen Teilen der DDR-Öffentlichkeit war damals so richtig bewusst, dass die Einrichtung zum Bauhaus-Erbe gehörte.
Besucher aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz
Nach der Wende wechselten die Eigentümer rasch aufeinander, bis eine Zeit des Leerstands folgte – einhergehend, wie an so vielen ungenutzten Orten, mit zunehmendem Verfall.
Erst die Handwerkskammer Berlin als neuer Eigentümer leitete eine umfangreiche Sanierung ein – zunächst wurde das Foyer restauriert sowie die Internatshäuser. In einem weiteren Bauabschnitt folgte die Neugestaltung des Eingangsbereichs. Dabei wurde der Grundstein von 1928 im Foyer integriert und die einstige Glasbausteinwand rekonstruiert, ebenso wie die Aula, die heute bis zu 250 Besuchern Platz bietet. Nur ein Oberlicht an der Rückseite des Raumes sorgt für die nötige Beleuchtung. Bestuhlung und Bodenbelag sind der Erstausstattung aus dem Jahre 1930 nachempfunden.
Ein Glasgang bildet die Verbindung vom Hauptgebäude zu den Internatshäusern, die Architekten Meyer und Wittwer hatten ihn als dominierende Achse des Gebäudekomplexes angelegt und als Ort der Kommunikation geplant. Die deckenhohen Fensterfronten sollten die Trennung von Innen- und Außenraum faktisch aufheben, der Fußboden verläuft leicht abschüssig und überwindet einen Höhenunterschied von sechs Metern.
Das alles lässt sich bei Führungen erkunden – und ein weiteres Highlight erwartet Interessierte: ein Blick in die sanierte Sporthalle. Hier erinnert nur noch die original erhaltene Sprossenwand an die Anfangszeiten der Bundesschule. Dass zum Sportunterricht die Reinlichkeit gehörte, daran erinnern die Konturen eines Fußwaschbeckens vor der Halle. Heute gehören vollverglaste Schiebetüren und ein federnder Spezialfußboden zur Ausstattung.
Seit 2008 ist die Bundesschule das Internat für das Bildungs- und Innovationszentrum Waldfrieden der Berliner Handwerkskammer, das seit 2016 auch eine internationale Sommerschule organisiert. Auch die einstigen Lehrerhäuser sind inzwischen längst saniert und rekonstruiert. Ebenso ist, finanziert vom Land Brandenburg, das Freibad Waldfrieden wieder nutzbar: Es wartet mit einem 50 Meter langen Schwimm- und Sprungbecken sowie einem eigenen Lehrschwimmbecken auf.
Und wie sieht die Zukunft aus? Schon ist ein Besucherzentrum geplant, zwischen 600 und 700 Quadratmetern Nutzfläche soll es haben; ein Betreiberkonzept steht allerdings noch nicht fest. Klar ist jedoch, dass dort künftig Platz sein soll für alles, was Neugierigen einen Einblick in Geschichte und heutige Bedeutung des Ensembles geben kann. Unter anderem auch mit einem Shop für Erinnerungsstücke und einer sogenannten Info-Ecke, verrät Peter Steininger vom Verein Baudenkmal Bundesschule Bernau. Angepeilt wird ein Eröffnungstermin im kommenden Jahr.
Jetzt, zum Tag des offenen Denkmals am 8. September, steht erst mal „Stationsbetrieb" an, wie es Steinigers Kollege Thomas Jacobi formuliert – mit Ansprechpartnern für Wissbegierige in allen Bereichen des Gebäudes. Und natürlich wird das Denkmal auf ähnliche Art auch zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober seine Türen öffnen.