Der Saarbrücker Stadtteil Bischmisheim birgt ein architektonisches Kleinod, die Schinkelkirche. Einst umstritten, heute ein Wahrzeichen. Im nächsten Jahr feiert man Jubiläum.
Bischmisheim feiert 200 Jahre Schinkelkirche – am 3. August 1824 – zum Geburtstag von König Friedrich Wilhelm III. wurde im damals preußischen Bischmisheim eine ungewöhnlich anmutende Kirche eingeweiht. Doch was ließ das neue Gebäude so ungewöhnlich erscheinen? Ein Achteckbau, ein sogenanntes Oktogon, war fertiggestellt worden. Und das in einem kleinen Dorf wie Bischmisheim, das einen Vorgängerbau mit Langhaus mit Turm hatte und eine solche traditionelle Architektur wiederhaben wollte. Die Bevölkerung war irritiert und sie reagierte lange Zeit mit offener Ablehnung auf die neue Bauschöpfung.
Heute, 200 Jahre später, ist die Bischmisheimer Kirche „das“ Wahrzeichen und der ganze Stolz des Ortes. Entsprechend wird 2024 die Schinkelkirche, wie sie umgangssprachlich genannt wird, auch in den öffentlichen Mittelpunkt gestellt und gebührend auf unterschiedlichste Art und Weise gefeiert werden.
Die Kirche ist in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes: Doch allein schon wegen ihres Baumeisters verdient sie höchste Beachtung! Karl Friedrich Schinkel, einen am 13. März 1781 in Neuruppin geborenen Predigersohn, der am 9. Oktober 1841 in Berlin verstarb, würdigen wir heute als „den“ großen Baumeister Preußens. Vor allem als Begründer der „Schinkelschule“ und als Schöpfer des „Spreeathen“ wird er verehrt. Heutzutage würde man Karl Friedrich Schinkel ein „Multitalent“ nennen. Er war Baumeister, Architekt, Stadtplaner, Städtebauer, Maler, Grafiker, Medailleur, Bühnenbildner, Designer. Darüber hinaus war er ein bedeutender Architektur-Theoretiker, der den Klassizismus und den Historismus entscheidend mitbeeinflusst hat.
„Das Nothwendige schön gestalten“
Als Leiter der Oberbaudeputation unterstand ihm eine Bauverwaltung, die fast alle staatlichen Bauvorhaben für das Königreich Preußen in ökonomischer, funktionaler und ästhetischer Hinsicht überprüfte. Seine Ansichten, Einstellungen und architektonischen Ansätze hat er in Grundsätzen formuliert. Drei Beispiele: „Das körperliche Gebäude setzt jedes Mal ein geistiges voraus“, „Zweckmäßigkeit ist das Grundprinzip allen Bauens“ und „Keine Maskerade - das Nothwendige der Construction schön gestalten“. Klare Strukturen und strenge Symmetrien prägten entsprechend seine Kunstschöpfungen. Rationell, zweckmäßig, streng und zugleich erhaben erscheinen auch die Gebäude, deren Gestalt er entwickelte und die selten auf Eleganz und Elastizität verzichteten. Seine „Grundsätze zum Erhalten aller Denkmäler und Altertümer unseres Landes“ (1815) haben ihm zudem den „Titel“ des Begründers der Denkmalpflege eingebracht.
Karl Friedrich Schinkel hatte schon zu Lebzeiten den Ruf, nicht nur ein künstlerisches Genie zu sein. Er war stets bemüht, sein architektonisches Können in den Dienst der Aufgabe zu stellen: Im konkreten Bischmisheimer Fall ging es um den Neubau einer Kirche für eine dörfliche evangelische Kirchengemeinde. Und so schuf Schinkel hier das Muster, die Vorlage zu einer solchen Kirche.
Er wählte für den Bischmisheimer Bau die Oktogon-Form. Diese Grundform bietet mehrere Vorteile: Sie ermöglicht es, die Gemeinde in dichter, aber keineswegs in beengter Weise um das Zentrum zu versammeln. Das Zentrum ist die Achse „Altar – Kanzel – Orgel“. Das Kirchengebäude läuft in einer schön gestalteten Spitze aus, ein eigener Turm wurde entbehrlich. Und so wirkt die Kirche nicht imponierend oder gar trutzig, vielmehr laden ihre gefälligen Proportionen, ihr vom Tageslicht durchflutetes Inneres zum Eintreten und zum Verweilen ein. Schließlich erlaubt es die Oktogon-Form, eine Empore einzuziehen, die ringsum an den Außenmauern vorbeiläuft, dabei gut die Hälfte der gesamten Innenfläche überdeckt und doch den Innenraum nicht verdunkelt.
Es sollte mehr als 100 Jahre dauern, bis der Wert dieses klassizistischen Kleinods in Gänze entdeckt und erkannt wurde. Der einzigartige Bischmisheimer Sakralbau gilt heute als das Idealbild einer evangelischen Dorfkirche. Das Achteck, von den alten Baptisterien her bekannt, sagt dem Besucher: „Durch die Taufe darfst du der Hoffnung auf Auferstehung sicher sein!“ Die axiale Anordnung „Altar – Kanzel –Orgel“ verbildlicht den Bezug zum Protestantismus: Auf dem Altar steht Gottes Wort in der allzeit präsenten Bibel. Die Kanzel, direkt darüber, dient der Verkündigung dieser frohen Botschaft. Und die Orgelpfeifen, ganz oben, sollen biblische Texte in Musik übersetzen.
Das Kirchenäußere ist schlicht gehalten und mutet, trotz oder wegen der klaren architektonischen Formensprache, eher streng an. Das Kircheninnere hingegen überrascht in vielerlei Hinsicht. Die Symmetrie der Achteckform, die gefälligen Proportionen und die leuchtende Tageshelle, die die insgesamt 26 großen Rundbogenfenster dem Raum schenken, verleihen dem Kirchenraum eine malerische und doch unaufdringliche Schönheit, eine wohltuende „stille Größe“. Zudem prägen wunderbare Details das Bild des Achteckbaus. Die Säulen, gekrönt von korinthischen Kapitellen, ziehen den Blick des Betrachters magisch an. Die hellgrau gestrichene Kirchendecke, von einem balkenähnlichen Strahlenprofil strukturiert, unterstreicht eindringlich die Grundform des Achtecks. Zum warmen, gelb-weißen Grundton der Wände passen die antiken Motive mit Lotosblüten und Palmetten, cremeweiß auf rotem Grund. Und am Kanzelkorb erkennt der Betrachter den zum Himmel fahrenden Christus auf einer Wolke, umrahmt von Blattgold-Schmuckbändern.
„Das Kircheninnere überrascht“
Ein solcher architektonischer Schatz bedarf des Schutzes und der Pflege. „Kümmerer“ sind vonnöten. 2009 gründete sich die Stiftung Schinkelkirche. Die Stiftung hat sich im Wesentlichen zwei Aufgaben gegeben, deren zweite im Dienst der ersten steht. Die erste Aufgabe, die Hauptaufgabe, ist der dauerhafte Erhalt des prominenten Sakralbaus. Die zweite Aufgabe besteht darin, die Kirche als ein Kulturdenkmal von herausragender Bedeutung den Menschen bekannt zu machen und die Menschen einzuladen, die Kirche zu besuchen und sich mit ihr zu befassen. Es ging und geht den Stiftungsakteuren aber auch darum, die Kirche als einen Ort für verschiedenste Veranstaltungsformate bekannt zu machen. 2014 konnte die Stiftung ihr bislang größtes Projekt abschließen. Dank einer innovativen Lichtkunst-Anlage erstrahlt das Kircheninnere seitdem in einzigartigem Glanz. Hohe von der Stiftung akquirierte Finanzmittel waren dazu notwendig. Kein anderer Kirchenbau im Saarland verfügt heute über eine derart aufwendige Beleuchtungstechnik, die die Schinkelkirche dann auch zur „Kirche des Lichtes“ werden ließ. Und seit 2023 wird auch das Kirchenäußere von einer leistungsstarken und perfekt abgestimmten LED-Lichtinstallation ins rechte Licht gerückt. Energie SaarLorLux als tatkräftiger Sponsor erfüllte den Bischmisheimern mit dieser Maßnahme einen lang gehegten Herzenswunsch.
Weitere Projekte müssen, sollen und werden folgen, nicht nur, da die Bischmisheimer Schinkelkirche im kommenden Jahr 200 Jahre alt wird. Kunst und Kultur sind für die Menschen wichtige Orientierungshilfen und für die Region wichtige Standortfaktoren. Das kulturelle Erbe einer Region, das in spektakulären Bildern wie denen von der Schinkelkirche Bischmisheim seinen Ausdruck findet, verdient es, generell stärker gefördert und in die Eigendarstellung von Stadt, Land und Region einbezogen zu werden. Noch heute verkörpert die Kirche, welche von Zerstörungen und Veränderungswillen weitgehend verschont geblieben ist, die Vorstellungen, welche der wohl größte preußische Baumeister des 19. Jahrhunderts von einer evangelischen Dorfkirche hatte. Fazit: Wer kunst- und kulturgeschichtlich interessiert ist und die Schinkelkirche nicht kennt, hat etwas verpasst!