Der Tel Aviver Großraum erlebt am 12. Mai einen nie dagewesenen Raketenhagel. Israels Luftwaffe zerstört im Gegenzug wie bereits seit Tagen Hamas-Ziele und Hochhäuser im Gazastreifen.
Meterhohe Rauchsäulen steigen über dem Gazastreifen auf, immer wieder sind Explosionen zu hören. Teilweise schlagen Raketen in zivile Wohngebäude ein. Der jahrzehntelange Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ist wieder aufgeflammt. Von den Luftangriffen ist das Gebiet von Aschkelon bis Tel Aviv stark betroffen. Mehr als 1.000 Raketen feuerten militante Gruppen aus dem Gazastreifen auf Israel ab. Die radikalislamische Hamas und die Gruppe Islamischer Dschihad zählen zu den größten militanten Organisationen im Gazastreifen. Die ersten Geschosse schlugen im Stadtzentrum von Tel Aviv ein, außerdem in Netanja und Jerusalem.
„Verbrechen gegen die Heilige Stadt“
Auf den Raketenbeschuss reagierte Israel mit schweren Gegenangriffen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu erklärte, militante Palästinenser würden für die Angriffe „einen sehr hohen Preis“ zahlen müssen. Angesichts des anhaltenden Beschusses werde Israel die „Stärke und Häufigkeit“ seiner Luftangriffe noch steigern. Nach israelischen Angaben hat der Gazastreifen seit dem Gaza-Krieg von 2014 nicht mehr Bombardierungen in diesem Ausmaß erlebt. Jonathan Conricus, Sprecher der israelischen Streitkräfte, unterstrich, Israel tue zwar alles, um „Kollateralschäden zu vermeiden“. Doch für die Tötung von Zivilisten im Gazastreifen infolge der Luftangriffe gebe es keinerlei Beweise. „Wir befinden uns in der Anfangsphase unserer Reaktion gegen militärische Ziele im Gazastreifen. Wir sind bereit für eine Eskalation“, sagte Conricus. Die palästinensische Seite habe die Angriffe von langer Hand geplant. Die Hamas hingegen rechtfertigte den Raketenbeschuss Israels damit, er sei eine Reaktion auf die „Verbrechen und Aggression gegen die Heilige Stadt“ durch den „Feind Israel“. Der Angriff sei als „ausgleichende Vergeltung“ zu verstehen.
In Jerusalem war es während des muslimischen Fastenmonats Ramadan zu heftigen Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften gekommen, bei denen Hunderte verletzt wurden. Auslöser waren unter anderem Polizeiabsperrungen an der Altstadt und drohende Zwangsräumungen von palästinensischen Familien im Stadtviertel Scheich Dscharrah durch israelische Behörden. Im Norden und Süden des Landes gab es Medienberichten zufolge etliche gewaltsame Demonstrationen arabischer Israelis. Dabei wurden Steine auf Polizisten geworfen, mehrere Fahrzeuge wurden in Brand gesetzt.
Mehrere Städte lösten Raketenalarm aus, darunter die israelische Küstenmetropole Tel Aviv, die Wüstenstadt Beerscheva im Süden des Landes und die Küstenstadt Aschkelon. Auf der Twitter-Seite der israelischen Armee hieß es: „Familien werden aufgeweckt und eilig in Schutzräume gebracht.“ Bereits kurz zuvor war in Tel Aviv Raketenalarm ausgelöst worden. Die israelische Armee hatte zuvor ein Gebäude mit Büros von Mitgliedern des Hamas-Politbüros und Sprechern der islamistischen Palästinenserorganisation im Gazastreifen zerstört. Ein Hamas-Sprecher hatte mit einem harten Raketenangriff auf Tel Aviv gedroht, falls der „Hanadi-Turm“, ein Hochhaus im Gazastreifen, zerstört werde.
Mancherorts herrschten bürgerkriegs-ähnliche Zustände. Israelische Behörden verhängten für die 20 Kilometer östlich von Tel Aviv gelegene Stadt Lod den Ausnahmezustand. Von den 77.000 Einwohnern sind rund 47.000 Juden und 23.000 arabische Israelis. Nach Polizeiangaben war es dort zu Ausschreitungen der arabischen Minderheit gekommen. Israelische Medien berichteten, dass drei Synagogen und mehrere Geschäfte in Brand gesetzt wurden. Zudem wurden den Angaben der Polizei zufolge mehrere Fahrzeuge angezündet. Bei gewaltsamen Zusammenstößen wurde ein arabischer Israeli getötet.
Angesichts der Gewaltspirale im Nahen Osten entschied der Uno-Sicherheitsrat nun zum zweiten Mal binnen weniger Tage zusammenzukommen. Initiiert wurden die in New York angesetzten Beratungen Diplomaten zufolge von China, Tunesien, Norwegen, Frankreich, Estland, Irland, dem unabhängigen Inselstaat St. Vincent und die Grenadinen, Niger und Vietnam. Der Uno-Nahostbeauftragte Tor Wennesland soll das UN-Gremium bei dem Treffen über die Lage informieren.