Die BR Volleys feiern den 13. Meistertitel und ziehen mit Rekordgewinner VfB Friedrichshafen gleich. Die Dominanz des Hauptstadtclubs soll auch in der kommenden Saison fortgesetzt werden – deswegen gibt es Veränderungen im Kader.
Für die BR Volleys war es schon Routine, für Kai Wegner eine Premiere: Zum ersten Mal durfte der neue Berliner Bürgermeister dem Volleyballclub aus der Hauptstadt zum Gewinn der Deutschen Meisterschaft gratulieren. Der CDU-Politiker und Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) empfingen das Team im Roten Rathaus und zeigten sich beeindruckt vom Titelhunger des Clubs. „Die Sportmetropole Berlin kann stolz sein auf dieses Team, das mit bewundernswerter Leistungskonstanz in den vergangenen Jahren immer wieder Titel auf Titel in unsere Stadt geholt hat“, sagte Wegner. In der Tat eifern die BR Volleys dem Fußballclub FC Bayern München in Sachen Liga-Dominanz nach: Durch das souveräne 3:0 im Playoff-Finale gegen den Erzrivalen VfB Friedrichshafen feierten die Berliner ihren siebten Meistertitel in Folge und ihren 13. insgesamt. Und als besonderes Extra zogen sie in der ewigen Rangliste mit Friedrichshafen gleich und dürfen sich nun auch „Rekordmeister“ nennen.
„Berlin kann stolz sein“
„Das bedeutet mir sehr viel“, gab Geschäftsführer Kaweh Niroomand zu. Damit gehe man „in die Geschichtsbücher ein“, schwärmte er, „das ist keine Momentaufnahme, das wird immer und immer wieder erwähnt werden, auch viele Jahre später noch“. Schon vor einigen Jahren hätten er und seine Mitstreiter im Club sich den Rekord-Titel intern auf die Fahnen geschrieben, öffentlich aber kaum so mutig formuliert, „um nicht als arrogant dazustehen“. Jetzt kann das Ziel für die neue Saison nur lauten: alleiniger Rekordmeister werden. „Genauso ist es“, sagte Niroomand dem RBB. Und damit das Team erfolgshungrig bleibt, sah sich der Manager zu einem kleineren Umbruch gezwungen. „Wir müssen auf zwei, drei Positionen Spieler holen, die in der Lage sind, die Stammspieler auch zu ersetzen“, sagte der Deutsch-Iraner über das seiner Meinung nach zu große Qualitäts-Gefälle im Kader: „Da müssen wir Lösungen finden, das Team in der Breite stärker machen.“ Niroomand versprach den Fans: „Unsere Mannschaft wird nicht schwächer sein als die in diesem Jahr.“
Auch in der Saison 2023/24 werden aus der Meistermannschaft Marek Sotola, Adam Kowalski, Ruben Schott, Timothée Carle, Nehemiah Mote, Cody Kessel, Saso Stalekar, Satoshi Tsuiki und Johannes Tille das BR-Trikot tragen. Als Neuzugänge stehen bereits die deutschen Nationalspieler Leon Dervisaj und Daniel Malescha sowie der erfahrene Mittelblocker Timo Tammemaa aus Estland fest. Verlassen werden den Club dagegen unter anderem Kapitän Angel Trinidad und Mittelblocker Anton Brehme. „Angel war ein ungemein wertvoller Charakter für diese Mannschaft, stets konstruktiv und teamorientiert“, sagte Niroomand zum Abschied lobend über den Spanier, der jedoch nie die großen Fußstapfen von Weltklasse-Zuspieler Sergej Grankin ausfüllen konnte.
Deutlich schmerzhafter ist der Weggang von Brehme, der eine neue Herausforderung bei einem internationalen Topclub sucht – dem Vernehmen nach bei Modena in Italien. Nicht nur sportlich sei das ein herber Verlust, meinte Niroomand, auch „von der menschlichen Seite her“ werde er den Nationalspieler vermissen: „Er ist ein hochanständiger Kerl, alle bei uns mögen ihn.“ Eine Rückkehr nach dem Auslands-Abenteuer ist daher nicht ausgeschlossen, verriet der Manager: „Er hat mir versprochen, wenn er mal nach Deutschland zurückkehrt, dann kommt er nur zu uns.“
Während sich die personellen Wechsel im Spielerkader noch in Grenzen halten, wird die Trainerbank in der kommenden Saison komplett neu besetzt sein. Chefcoach Cedric Enard verabschiedete sich mit dem vierten Titel aus Berlin, auch seine Assistenten Lucio Oro und Rafal Zajac sind nicht mehr dabei. Dazu kommen die Abgänge des Athletiktrainers Timo Kirchenberger und des Physiotherapeuten Antu Fangmann. Der Franzose Enard verlässt auf eigenen Wunsch den Club, was er mit zwei Dingen begründete: Zum einen wolle er wieder mehr Zeit mit seiner Familie in der Heimat verbringen. Zum anderen habe er „eine gewisse Müdigkeit“ gespürt – so konnte und wollte er in Berlin nicht weiterarbeiten.
Sein Nachfolger ist Joel Banks, ein 47 Jahre alter Brite, der zugleich auch die finnische Nationalmannschaft trainiert. „Joel passt genau in unser Anforderungsprofil“, sagte Geschäftsführer Kaweh Niroomand: „Mit seiner Verpflichtung bleiben wir unserer Linie treu. Er ist ein Mann, der gewisse Erfahrung und Erfolge aufweisen kann, sich selbst aber noch weiterentwickeln will. So jemanden mit Motivation und Ehrgeiz brauchen wir für unser dynamisches Projekt.“ Niroomand erwartet zwar keine gravierenden Veränderungen unter dem neuen Trainer, aber doch schon eine eigene Handschrift des neuen Mannes an der Seitenlinie. „Es wäre nicht wünschenswert, wenn ein neuer Mann kommt und gar keine neuen Impulse setzt.“ Auch deshalb biete der Abschied von Enard nach fünf Jahren einen Vorteil. Zumindest in der Trainingsmethodik und Ansprache erwarte er etwas Neues, so Niroomand: „Aber das ist nicht befürchtet. Das ist gewollt.“
„Neue Impulse“ bei Neuzugängen
Unabhängig davon: Auch der neue Trainer dürfte auf Johannes Tille als Zuspieler Nummer eins setzen. Der Senkrechtstarter der Saison soll auch künftig ein Fixpunkt im Spiel der Berliner sein, deswegen wurde sein Vertrag sehr zur Freude der Fans kurz nach der Saison um gleich drei weitere Jahre verlängert. Ein kluger Schachzug des Vereins, wie der scheidende Trainer Enard meint. „Es ist sein Spiel, kaum Fehler zu machen. Aber Johannes hat sich jetzt auch darin verbessert, einen Matchplan durchzuziehen“, sagte der Franzose über den deutschen Dirigenten: „Er setzt die Angreifer an verschiedenen Stellen ein, erkennt immer die Schwächen des Gegners und nutzt sie aus.“ Dabei vertraut Tille oft seinen Instinkten mehr als der Taktik: „Dazu verlässt er auch mal das abgesprochene System, wenn es angebracht ist“, verriet Enard.
Als Kapitän Angel Trinidad sich verletzte, war Tilles Chance gekommen – und er nutzte sie perfekt. Sogar so gut, dass der deutlich renommiertere Teamkollege nach seiner Rückkehr nicht mehr an ihm vorbei kam. „Johannes Tille hat uns sicher alle überzeugt als Zuspieler. Wir hätten nicht gedacht, dass er in der kurzen Zeit so schnell nach vorne kommen kann“, sagte Niroomand. Man könne von einem 26-Jährigen zwar nicht erwarten, „dass er schon so spielt wie ein Sergej Grankin“, meinte der Geschäftsführer: „Aber man kann hoffen, dass er Schritte nach vorne macht. So wie es Johannes Tille geschafft hat. Mit einem Tempo, das man vielleicht nicht erwartet hätte.“ Der Lohn für Tille neben dem Meistertitel: der MVP-Award der Volleyball-Bundesliga.
Als Gewinner der abgelaufenen Saison dürfen sich auch die BR-Volleys-Fans fühlen. Sie sorgten mit 103.997 Zuschauern über die Spielzeit verteilt für einen neuen Rekord. Erstmals in der Clubgeschichte wurde damit die 100.000-Besucher-Marke geknackt. Im Schnitt kamen knapp 5.000 Fans zu den Spielen in die Max-Schmeling-Halle, das letzte Heimspiel im Playoff-Finale war mit 8.553 Zuschauern der krönende Abschluss. „Das ist eine Bestätigung des Weges, den wir gegangen sind. In den letzten zehn Jahren haben wir unsere Zuschauerzahlen verzehnfacht“, sagte Niroomand.