Jetzt hat es auch die BR Volleys erwischt. Die erste Bundesliga-Niederlage hat national zwar kaum Auswirkungen, aber sie kommt zum ungünstigen Zeitpunkt – so kurz vor den Play-off-Spielen in der Champions League.
Die Social-Media-Abteilung der BR Volleys hatte da so eine Vorahnung. Der Vorbericht zum Spitzenspiel der Volleyball-Bundesliga zwischen den Helios Grizzlys Giesen und dem bis dahin noch ungeschlagenen Titelverteidiger aus Berlin erschien auf der Vereinsinternetseite mit der Überschrift „Im Hexenkessel des Verfolgers“. Darin hieß es auch, dass der auf dem Papier beruhigende Vorsprung keine Garantie für einen Sieg sei. „Trotz der bisherigen Dominanz der Hauptstädter trügt der Schein etwas“, schrieb der Club, der zum Rückrundenduell am 24. Januar in der stimmungsvollen Arena in Hildesheim gegen die extrem heimstarken Grizzlys „den nächsten intensiven Schlagabtausch“ erwartete. Die Berliner reisten jedoch mit breiter Brust an, schließlich wurde im Ligaspiel zuvor Erzrivale VfB Friedrichshafen mit einem 3:0-Heimsieg zurück an den Bodensee geschickt. „Es ist eine Möglichkeit, einen nächsten Verfolger entscheidend zu distanzieren“, sagte daher Zuspieler Hannes Tille vor dem Duell mit Helios. Doch es kam alles ganz anders.
Die Berliner kassierten in Hildesheim nicht nur ihre erste Saison-Niederlage in der Bundesliga. Sie reisten auch mit dem denkbar schlechtesten Ergebnis wieder zurück in die Hauptstadt: 0:3! Das war eine Überraschung und gut für die Spannung in der Volleyball-Bundesliga. „Glückwunsch an Giesen, die hier ein verdammt gutes Spiel gezeigt haben“, sagte Volleys-Trainer Joel Banks hinterher: „Die Grizzlys haben mit dem Publikum einfach alles reingelegt und gezeigt, wie stark die Konkurrenz an der Spitze der Bundesliga ist.“ Und sein Team? „Wir hatten zu kämpfen, und es hat jeweils ein Quäntchen in den Sätzen gefehlt.“ In der Tat waren alle drei Sätze heiß umkämpft, es hätte auch in jedem Durchgang zugunsten des Titelverteidigers kippen können, der keineswegs enttäuschte. Der aber auch nicht brillierte. Es schlichen sich beim gewohnt riskanten Aufschlagspiel zu viele Fehler ein, die Blockabwehr konnte den wuchtigen Angriffsaktionen der Gastgeber zu selten Paroli bieten.
Und auch die Nerven spielten nicht mit. Wie die Berliner eine 5:0-Führung im dritten Satz noch verspielten, war schon bemerkenswert. Dennoch will Trainer Banks von seinem auf viel Risiko abzielenden Konzept nicht abweichen. „Wir sind bisher konsequent in jedes Match gegangen, um dieses zu gewinnen, und das werden wir auch weiterhin tun“, sagte der Niederländer: „Darauf hat unsere erste Niederlage keinen Einfluss.“ Man dürfe nicht vergessen, dass bei der ersten Liga-Niederlage unter seiner Regie „nur Kleinigkeiten“ gefehlt hätten. Doch ganz spurlos ging die Pleite am Trainer und an den Spielern natürlich nicht vorbei. Zum Glück hatten sie nicht so viel Zeit, lange darüber zu grübeln. „Wir müssen uns aufrappeln und ganz schnell erholen“, sagte Banks mit Blick auf das darauffolgende Auswärtsspiel beim VC Bitterfeld-Wolfen. Und beim Team aus Sachsen-Anhalt, das als bester der vier Aufsteiger bislang überzeugte, gelang den BR Volleys 48 Stunden später zumindest eine kleine Wiedergutmachung.
Die Berliner gewannen in der ausverkauften Bernsteinhalle Friedersdorf mit 3:0, dafür genügte ihnen auch eine eher durchschnittliche Leistung. Banks vertraute aus Belastungsgründen einigen Ersatzspielern. Leistungsträger wie Johannes Tille, Ruben Schott und Timo Tammemaa saßen nur auf der Bank. Auf der Diagonalposition wurde Marek Sotola von Daniel Malescha vertreten. Die Aufschlag-Leistung litt dadurch jedoch enorm, das machte sich auch in der Spielqualität bemerkbar. Die Block-Abwehr des Gegners war jedoch insgesamt zu schwach, um den Serienmeister tatsächlich in Bedrängnis zu bringen. Angesichts der vorherigen Niederlage und der nur kurzen Vorbereitungszeit sei es „keine einfache Aufgabe“ gewesen, gab Malescha zu bedenken: „Unter diesen Voraussetzungen haben wir es ganz gut gemacht und wenig anbrennen lassen. Man könnte sagen, wir haben unseren sprichwörtlichen Stiefel runtergespielt.“ Zuspieler Leon Dervisaj, einer der Ersatzspieler, die von Coach Banks das Vertrauen geschenkt bekamen, meinte: „Nach der Niederlage gegen Giesen wollten wir wieder ein Signal an die Liga setzen.“ Da die Helios Grizzlys aus Gießen nach dem Triumph gegen Berlin mit 1:3 in Friedrichshafen verloren, thront Berlin weiter unangefochten an der Tabellenspitze. Der Hauptrundensieg ist ihnen eigentlich nicht mehr zu nehmen.
Zu wenig Druck in der Liga?
Aber der Sieg in Bitterfeld war nicht nur für die Bundesliga-Saison wichtig. Die Berliner wollten unbedingt mit einem Erfolgserlebnis in die Play-off-Runde der Champions League starten. Dort wartete am vergangenen Mittwoch das Hinspiel gegen den französischen Meister Tours VB, am 8. Februar findet das Rückspiel in Tours statt. Der Bundesliga-Dominator der vergangenen Jahre will endlich auch international etwas reißen. „Wir haben uns in Europa einen Namen gemacht und wollen uns auch auf dieser Ebene mit den Besten messen“, sagte Kapitän Ruben Schott: „In gewisser Weise repräsentieren wir den deutschen Volleyball ja als Aushängeschild einer ganzen Liga.“ Seine Spieler seien „richtig heiß“ auf die Herausforderung in der Königsklasse, verriet Trainer Banks, „viele Spieler sind hier, um sich genau diesen Aufgaben in der Champions League zu stellen“.
In der schwierigen Gruppenphase hat das mit unterschiedlichem Erfolg geklappt. Highlight war mit Sicherheit das euphorisch gefeierte 3:0 gegen den türkischen Spitzenclub Ankara, der vor der Saison reichlich Geld für neue Stars wie Nimir Abdel-Aziz ausgegeben hatte. Doch das klare 0:3 zum Vorrundenabschluss gegen Piacenza, mit dem die BR Volleys den direkten Einzug ins Viertelfinale verpassten, schmerzte sehr. Und es warf wieder die alte und provokante Frage in den Raum, die Geschäftsführer Kaweh Niroomand nicht mehr hören kann: Sind die BR Volleys zu gut für die Bundesliga, aber zu schlecht für die Champions League? „Das kann man nicht pauschal so oder so polen. In der Champions League muss man differenzieren“, sagte Niroomand. „Dort spielen circa sechs Mannschaften mit, die unserem Niveau weit voraus sind. Aber mit den anderen können wir mithalten. Wir sind nicht weit weg vom Durchschnitt der Champions League, bloß von der Spitze.“
Um international vielleicht irgendwann auch zu den Titelkandidaten zu zählen, müssten die Berliner vermutlich das Gehaltsniveau noch mal deutlich steigern. Und auch der Druck im nationalen Wettbewerb müsste wohl größer sein. Hier habe sich zwar schon einiges getan, meinte Niroomand, der in der Vergangenheit schon mit einem Wechsel in die stärkere polnische Topliga geliebäugelt hatte. Aber klare 3:0-Siege wie am 21. Januar zu Hause gegen Friedrichshafen, dem vermeintlich stärksten Rivalen in Deutschland, lassen daran zweifeln. „Das Spiel gegen Friedrichshafen hat keine Euphorie provoziert. Das Eisen hat nicht geglüht“, entgegnete jedoch Niroomand, der die schwache Angriffsquote von 32 Prozent kritisierte: „Damit gewinnt man normalerweise kein Spiel.“ Es folgte der Rückschlag gegen Giesen, der für Niroomand daher nicht überraschend kam: „Man darf nicht unterschätzen, wie viel Druck es macht, immer Erfolg haben zu müssen. Das ist eine unglaublich hohe Hürde.“