Nach ein paar Startproblemen sind die BR Volleys wieder in der Spur. In der Bundesliga ist der Titelverteidiger ungeschlagen, der Auftakt in der Königsklasse ist gelungen. Der Geschäftsführer ist sauer auf den Weltverband.
Als Assistenztrainer wurde Markus Steuerwald vor der Saison von den BR Volleys eingestellt, doch sein Anforderungsprofil hat sich seitdem etwas verändert. Weil der neue Chefcoach Joel Banks bei der Europameisterschaft und anschließender Olympia-Qualifikation mit Finnland antrat, leitete Steuerwald den Großteil der Vorbereitung. Kein Problem für den 34-Jährigen, der im Vorjahr noch Co-Trainer bei der Damenmannschaft des Dresdner SC war: „Unsere Gruppe ist klein, aber fein.“ Als Banks an der Seitenlinie endlich richtig loslegte, trat Steuerwald wieder ins zweite Glied – nur um dann erneut eine andere Rolle auszufüllen. Nachdem sich Libero Satoshi Tsuiki bei einem Vorbereitungsturnier in Polen einen Muskelbündelriss in der Hüfte zugezogen hatte, sprang der frühere Libero der deutschen Nationalmannschaft im Training für den Japaner ein. „Er hat sich gequält, aber auch gesagt: Wenn es dem Team hilft, bin ich dabei“, berichtete Geschäftsführer Kaweh Niroomand.
Gruppe ist „klein aber fein“
Gequält hat sich aber nicht nur der Co-Trainer zum Saisonstart. Aufgrund vieler Verletzungen und der extrem kurzen gemeinsamen Vorbereitungszeit wackelte der Topfavorit in den ersten Spielen ein wenig. Es fehlte verständlicherweise an Automatismen, am Spielrhythmus und auch ein wenig an Selbstvertrauen. Das war vor allem im Pokalspiel beim Erzrivalen VfB Friedrichshafen (3:2) und beim Ligaspiel bei WWK Volleys Herrsching (3:2) zu sehen. Zum Stotter-Start sagte Trainer Banks bildhaft: „An unserem Zusammenspiel können und müssen wir noch viel arbeiten. Wir sind also keine geölte Maschine.“ Doch um im Bild zu bleiben: Inzwischen hat die Mannschaft den Motor angeworfen.
Spätestens beim souveränen 3:0 in der Liga Mitte November in Friedrichshafen, beim vermeintlich größten Rivalen im Titelkampf, zeigte sich erneut: Berlin ist in der Volleyball-Bundesliga eine Klasse für sich. „Das war ein Statement-Sieg“, sagte Trainer Banks hinterher, „und daran wollen wir nun anknüpfen. Wir wollen das Momentum konservieren und die nächsten Duelle nicht nur nutzen, um zu gewinnen, sondern auch, um uns weiterzuentwickeln“. Denn keiner aus dem Team war nach dem Prestigesieg restlos zufrieden – ganz im Gegenteil. Die Spieler hoben die Reisestrapazen des Gegners hervor und fanden auch reichlich Kritik an ihrer eigenen Leistung. „Bei einem komfortablen Vorsprung verlieren wir manchmal unsere Energie“, sagte Kapitän Ruben Schott und forderte: „Das müssen wir abstellen.“ Nationalspieler Johannes Tille, der als Zuspieler einen enorm wichtigen Job im Team erledigt, fand ähnliche Worte. „Eigentlich müssen wir auch mal einen ganzen Satz lang richtig Gas geben“, sagte er nach dem Sieg am Bodensee, „das haben wir in dieser Saison bisher nicht geschafft“.
Das klang fast wie eine Warnung an die nationale Konkurrenz. Wie stark sind die Berliner erst, wenn sie richtig durchziehen und komplett eingespielt sind? Der jüngste 3:0-Sieg bei der TSV Haching München, bei dem fast die komplette Stammformation geschont wurde, und auch der erfolgreiche Champions-League-Auftakt davor gegen den portugiesischen Topclub Benfica Lissabon (3:0) lassen die Konkurrenz ratlos zurück. Auch im Heimspiel am Samstag gegen ASV Dachau sind die Punkte fest eingeplant. Der Titelverteidiger läuft wieder heiß. „Sie haben ein gewisses Einverständnis untereinander und Selbstbewusstsein. Das sieht man in wichtigen Momenten“, sagte Friedrichshafens Trainer Mark Lebedew über seinen Ex-Club BR Volleys. Den Berlinern schon jetzt zur Meisterschaft zu gratulieren, kommt für den Australier aber nicht infrage: „Niemand ist unschlagbar. Ich finde, das ist Quatsch.“ Doch auch Lebedew weiß: Nur wenn der Topfavorit schwächelt und die Konkurrenten über sich hinauswachsen, ist in dieser Saison ein anderer Meister möglich. Aber danach sieht es nicht aus.
„Wir haben viele Waffen und eine hohe Qualität in unserer Mannschaft“, sagte Banks. Der Nachfolger von Erfolgstrainer Cédric Enard weiß, dass alles andere als der Meistertitel eine riesige Enttäuschung im Club wäre. Mit dem 14. Triumph würde man Friedrichshafen endgültig überflügeln und zum alleinigen Rekordchampion aufsteigen. „Natürlich spüre ich den Druck“, sagte der 48-jährige Banks: „Die BR Volleys sind dafür bekannt, dass sie gewinnen. Auf dem Papier kann es nur bergab gehen.“ Doch auch unter dem Niederländer sind die Volleys weiter Spitze – doch dafür haben er und das gesamte Team viel aufgewendet. „Die ersten Wochen in Berlin liegen hinter mir, und ich habe einen Eindruck dafür bekommen, wie viel Arbeit in diesen Verein investiert wird“, sagte Banks. Vor allem während des holprigen Saisonstarts.
Verletzungsbedingte Ausfälle
Sein Vorgesetzter ist noch immer sauer wegen der Umstände. „Die letzten sechs Monate waren eine Tortur für die Spieler. Alles, wovor ich in den letzten Jahren gewarnt habe, ist leider eingetroffen“, sagte Niroomand. Der Geschäftsführer der BR Volleys machte den Weltverband für die hohe Spieler-Belastung verantwortlich, die zu verstärkten Ausfällen führen würden. Das sei „unverantwortlich“, wetterte der Deutsch-Iraner: „Das ist nur von kommerziellen Gedanken des Weltverbandes getrieben. Auf dem Rücken der Vereine und vor allem auch der Gesundheit der Spieler.“ Es gehe nur noch darum, „Turniere, Turniere, Turniere zu organisieren“, kritisierte Niroomand. Und das sei „völlig unnötig“ – und womöglich noch nicht mal die Spitze des Eisbergs. „Wenn ich mir vorstelle, dass auch noch die WM alle zwei Jahre stattfinden soll, nimmt mir das den Spaß weiterzuarbeiten“, sagte der 70-Jährige. Es klang fast nach Verzweiflung, als er anfügte: „Ich hasse es, wenn ich machtlos bin – aber das bin ich in diesem Fall.“ Die größte Herausforderung sei es, erklärte Niroomand, „die Körper der Spieler zu managen“. Und damit hatte sein Club am Anfang der Saison viel zu tun.
Neben Libero Tsuiki fielen auch Außenangreifer Cody Kessel (Knie) und Mittelblocker Timo Tammemaa (Rücken) verletzungsbedingt länger aus. Noch schwerer erwischte es den Finnen Jiri Hänninen, den der Club gerade erst verpflichtet hatte: Weil der Außenangreifer mit einer schweren Handverletzung vom Olympia-Quali-Turnier in Berlin seinen Dienst antrat, löste der Club den Vertrag mit ihm auf. „Die gute Nachricht lautet“, fasste Trainer Banks als eine Art Fazit zum Saisonstart zusammen: „Wenn alle Spieler gesund sind, haben wir einen unglaublich guten Kader.“ Ein Kader, der auch in der Champions League zu mehr imstande ist, als „nur“ die Gruppenphase zu überstehen. Das Ziel ist klar: Die BR Volleys wollen unter die Top-8 Europas kommen. Den Grundstein dafür haben sie gelegt.
Beim 3:0-Sieg zum Auftakt in der Gruppenphase gegen Lissabon zeigte sich Banks vor allem von der mentalen Stärke seiner Spieler beeindruckt. Sein Team habe „mentale Widerstandsfähigkeit“ bewiesen und den „enorm wichtigen“ ersten Satz trotz eines zwischenzeitlichen Rückstandes noch gedreht. „Am Ende hätte es mit den drei Punkten keinen besseren Start für uns geben können“, sagte der Trainer. Es liege zwar noch „viel Arbeit“ vor ihm und seinen Spielern, „doch die besondere Energie in unserer Mannschaft, die von Anfang an in dieser Woche spürbar war, hat uns zum Sieg getragen“.