Erstmals seit den Spielen in London 2012 haben sich die deutschen Volleyball-Herren wieder für die Olympischen Sommerspiele qualifiziert. Mittendrin: der Saarländer Moritz Reichert.
Im Gespräch mit FORUM klingt er immer noch überrascht. „Das war auf jeden Fall nicht so zu erwarten – zumal wir einige harte Brocken vor uns hatten“, sagt Moritz Reichert. Doch der 28-jährige gebürtige Lebacher und seine Mitspieler der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft haben es geschafft und sich einen großen Traum erfüllt: die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 in Paris.
Grozers Rückkehr brachte Erfolg
Die größten harten Brocken stellten zweifelsohne Weltmeister Italien und der Weltranglisten-Erste Brasilien dar. Im Rahmen der mit nur drei Siegen aus zwölf Spielen sehr schwachen Nations-League-Runde im Juni und Juli war Deutschland den Top-Nationen noch unterlegen: Gegen Brasilien setzte es gleich zum Auftakt eine 1:3-Niederlage, das gleiche Ergebnis stand auch zwei Tage später gegen Italien auf der Anzeigetafel. Dazwischen kassierte das deutsche Team noch ein 0:3 gegen die Niederlande. Mit nur drei Siegen aus zwölf Spielen verpassten die Deutschen die Finalrunde der Nations League deutlich. Nur gegen Kanada (3:1), Bulgarien (3:0) und Kuba (3:0) setzte sich Deutschland durch. „Damals sah unser Team noch etwas anders aus, wir hatten einige Verletzte zu beklagen und sind nie richtig in Tritt gekommen“, blickt Moritz Reichert zurück. Bei der Europameisterschaft, die von Ende August bis Anfang September in Italien, Bulgarien, Nordmazedonien und Israel ausgetragen wurde, sah das schon anders aus. Neben einigen Verletzen kehrte sogar Topstar Georg Grozer nach zwei Jahren Pause für die Chance auf die Olympiateilnahme ins Team zurück und verhalf diesem zum Einzug ins Achtelfinale. Dort hatte zwar erneut die Niederlande die Nase vorn – allerdings nur noch denkbar knapp mit 3:2. Die letzte Chance, doch noch auf den Olympia-Zug aufzuspringen, bot sich beim Qualifikationsturnier in Rio de Janeiro Anfang Oktober.
„Nach der EM konnten wir dann öfter gemeinsam trainieren, die Abläufe haben sich verbessert und auch einzelne Spieler kamen besser in Form“, berichtet Reichert und meint vor allem den 38-jährigen Georg Grozer: „Er hatte einen großen Anteil an unseren Erfolgen, weil er ein wirklich starkes Turnier gespielt hat.“ Angeführt vom routinierten Angreifer, der mit insgesamt 132 Punkten bester Schütze des Turniers wurde, startete das deutsche Team mit Siegen gegen Iran und Kuba (je 3:1) in das Turnier. Entsprechend selbstbewusst ging es dann in die Partie gegen Brasilien – und schaffte die erste Sensation: Auch die hoch gehandelten Gastgeber wurden mit 3:1 besiegt. „Wir gingen recht locker in das Spiel, und man hat schon gemerkt, dass die Brasilianer ein bisschen verkrampft waren. Sie wollten vor eigenem Publikum unbedingt das Maximale herausholen“, erzählt Reichert: „Wir haben gemerkt: Da geht was. Und vor dieser Kulisse war es schon sehr cool, dass wir uns am Ende auch wirklich durchsetzen konnten.“
Der „Brustlöser“ gegen Brasilien fand abends um 20.30 Uhr statt, bereits am nächsten Tag ging es um 13.30 Uhr gegen Weltmeister Italien. „Mit der guten Leistung im Rücken und als klarer Außenseiter konnten wir auch dieses Spiel locker angehen, und dann lief es ähnlich wie gegen Brasilien“, blickt Reichert zurück. Mit der richtigen Einstellung und einer Portion Unbekümmertheit bezwang die deutsche Nationalmannschaft auch Italien mit 3:1 und legte damit den Grundstein für die mit zwei weiteren Erfolgen (3:0 gegen Tschechien und 3:1 gegen Katar) eingetütete Olympia-Qualifikation. „Es lief einfach rund und es wurde eine positive Kettenreaktion in Gang gesetzt – im Gegensatz zur Nations League, wo es eher eine negative Kettenreaktion war“, erklärt Reichert. Sogar das letzte Spiel des Turniers gewann Deutschland mit einer B-Auswahl mit 3:0 gegen die Ukraine.
Sommerspiele nahe der Heimat
Nun also Paris. „Es freut mich unheimlich, dass wir es geschafft haben. Das Team besteht schon seit vielen Jahren weitestgehend aus den gleichen Leuten. Seit der Silbermedaille bei der EM 2017 hatten wir aber keinen größeren Erfolg mehr“, schaut Reichert zurück, „Dann so ein Turnier zu spielen, war schon stark.“ Gar „supercool“, findet es der Ex-U19-Weltmeister im Beachvolleyball, dass die Sommerspiele so nahe seiner saarländischen Heimat stattfinden werden. Ohnehin ist er dem Französischen zugeneigt. Seit 2022 spielt der beim TV Lebach und TV Bliesen ausgebildete 1,95 Meter-Mann für den französischen Erstligisten Tourcoing Lille Métropole Volley-Ball. Bereits in der Spielzeit 2017/2018 war er in Frankreich aktiv, damals bei Tours Volley-Ball. Außerdem trug er schon die Trikots hochkarätiger Vereine in Deutschland: VfB Friedrichshafen (2014/2015), United Volleys Rhein-Main (2015 bis 2017) und Berlin Recycling Volleys (2018 bis 2020). Vor seinem Wechsel nach Lille spielte Reichert zwei Jahre lang bei Trefl Gdansk in der starken polnischen Liga. Im Frühjahr kokettierte er noch mit einem Vereinswechsel, vor allem die italienische Liga, neben der polnischen eine der stärksten der Welt, reizt ihn. Doch er entschied sich für eine Vertragsverlängerung.
Die laufende Saison hat schon Ende Oktober wieder begonnen – also nur zwei Wochen nach dem Ende des vollgepackten Sommers mit der Nationalmannschaft. Moritz Reichert ist diese Belastung schon gewohnt, körperlich gehe es ihm „eigentlich ganz gut“. Nach einer kurzen Pause gibt er aber auch zu: „Das Quali-Turnier war schon recht anstrengend und auch danach war es erst mal etwas stressig, weil auch neben dem Spielfeld einiges zu regeln war, aber das ist alles okay. Ich habe mich nicht verletzt oder so.“ Bleibt Moritz Reichert verletzungsfrei, wird er als Leistungsträger der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft wohl auch bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris gesetzt sein. Wenn es wieder gilt, als Außenseiter die größten der härtesten Brocken aus dem Weg zu räumen.