Badminton-Profi Marvin Seidel sammelt derzeit Punkte für sein Ticket zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Sicher ist ihm dieses noch lange nicht. Allerdings weiß er schon ganz genau, was er in Paris erreichen will.
Das Saarland ist ein gutes Pflaster für talentierte Badmintonspieler. Marvin Seidel ist gebürtiger Saarländer und einer der besten Spieler Europas – vor allem im Doppel. Derzeit befindet sich der 27-jährige mitten in der Qualifikationsphase für die Olympischen Spiele 2024 in Paris, die seit dem 1. Mai 2023 und noch bis 1. Mai 2024 läuft. Die Reisen zu internationalen Topturnieren in der ganzen Welt startet der St. Ingberter von seinem Hauptquartier im Saarland aus. Mit seiner Ehefrau Katrin, die er 2022 geheiratet hat, wohnt der Doppel-Europameister von 2022 in Saarbrücken-Scheidt.
Auf der Straße oft Federball gespielt
„Ich habe auf der Straße oft Federball gespielt, wie es wohl jedes Kind macht“, erinnert sich Seidel an die Zeit, in der er zum Badminton fand. Sein Vater, früher österreichischer Basketball-Nationalspieler, wollte seinem Sohn das Basketballspielen näherbringen. In der Umgebung gab es damals jedoch keinen adäquaten Basketball-, wohl aber eine Badminton-Verein. „Und da dachten wir: Probieren wir es mal aus“, erzählt Seidel Junior. Weshalb er bei dieser Sportart geblieben ist, erklärt er wie folgt: „Ich bin generell sehr ehrgeizig. Wenn ich dann noch merke, dass ich schon besser bin als viele andere in meinem Alter, dann will ich auch besser werden als alle in meinem Alter. Darauf hatte ich Megabock. Außerdem haben mich meine Eltern immer voll unterstützt.“ Die Folge: Schon im Jugendbereich holte er zahlreiche Podiumsplatzierungen bei internationalen Turnieren.
An alldem hat sich bis heute nicht viel geändert. Inzwischen ist Marvin Seidel Nationalspieler, Europameister im Doppel (2022) und steht mit seinem Doppelpartner Mark Lamsfuß regelmäßig in den Endrunden oder gar Endspielen internationaler Topturniere. Zuletzt Mitte September beim Super 500-Turnier Victor Hong Kong Open 2023, als das Duo ins Viertelfinale eingezogen ist. Dort unterlagen sie zwar den Indonesiern Rolly Carnando und Daniel Marthin mit 21:18, 15:21 und 14:21, konnten aber dennoch wichtige Punkte sammeln.
In der Olympia-Quali-Zeit müssen die Einzelspieler und Doppel-Paare dies tun, um in der Endabrechnung nach dem Stichtag auf den Plätzen zu landen, die für die Teilnahme an den Spielen in Paris berechtigen. Im Klartext heißt das: In der bereinigten Weltrangliste muss das Duo zu den besten 13 gehören. „Davon sind wir im Moment noch ganz schön weit entfernt“, weiß Seidel. Der Hauptgrund dafür: Sein Doppel-Partner Mark Lamsfuß wurde im Frühsommer, also gleich nach Beginn der Quali-Phase, von einer Knieverletzung für einige Wochen außer Gefecht gesetzt. Nach einer Arthroskopie wurde bei Lamsfuß unter anderem die Plica-Falte entfernt. „Und noch ein paar weitere Kleinigkeiten. So konnten wir einige wichtige Turnier gar nicht oder nicht in Vollbesitz unserer Kräfte spielen. Dadurch sind wir hinter unserem selbst gesetzten Plan mit Blick auf die Olympia-Quali zurück“, berichtet Seidel, ergänzt aber auch: „Inzwischen ist er wieder auf dem aufsteigenden Ast, es wird täglich besser.“ Davon konnten sich die Badminton-Fans in Hongkong überzeugen.
In den kommenden Wochen und Monaten wird das allerdings nicht nötig sein. Sein Fokus gilt dann der Olympia-Quali: „Wir stehen in der Ranglinste nicht so gut da, wie wir es uns zu diesem Zeitpunkt erhofft hatten, aber dies liegt nun mal an der Verletzung. Nichtsdestotrotz ist es seit der Wertung in Hongkong ganz okay“, findet Seidel und hält das große Ziel der beiden nach wie vor für „realistisch“.
Wenn wir letztlich 25 Turniere in der Quali spielen, müssten wir etwa zehn ganz gute Wertungen hinkriegen. Im Moment haben wir drei.“ Für die restlichen sieben Wertungen haben die beiden allein bis Januar 2024 noch zehn Gelegenheiten vor sich. „Wir wollen die Kirche im Dorf lassen, aber das sollte klappen“, meint Seidel. Ist die Teilnahme an den Spielen in Paris gesichert, gibt es nur noch ein Ziel: „Ganz klar: Eine Medaille“, kündigt Seidel selbstbewusst an: „Da braucht man nicht drumherumzureden. Wir fahren dorthin, um mit einer Medaille zurückzukommen.“ Wie realistisch das Erreichen dieses hochgesteckten Ziels ist? „Natürlich wird es sehr schwer und wenn man es mathematisch betrachtet, vielleicht sogar unwahrscheinlich“, antwortet Seidel und rechnet vor: „Wie viele Olympia-Medaillen hat Deutschland bisher geholt? Keine. Wie viele WM-Medaillen haben wir im Doppel geholt? Keine. Aber unser Traum gibt uns das Ziel klar vor: Wir wollen eine Medaille holen.“
Eine Medaille ist das große Ziel
Der Austragungsort gibt ihm für dieses Vorhaben den besonderen Kick: Dass die Spiele im benachbarten Paris ausgetragen werden, findet er „megageil, das muss ich ganz ehrlich so sagen“, stellt Seidel klar: „Alleine schon die Möglichkeit zu haben, dass viele Freunde, die Familie und Bekannte vor Ort sein können oder, wenn sie schon nicht im Stadion dabei sein können, das ganze Drumherum mitbekommen können, ist schon super.“ Zur großen Vorfreude gesellt sich die Freude darüber, dass das Saarland „alles gibt, um uns Sportler bestens zu unterstützen. Der ganze Stützpunkt wird auf Vordermann gebracht. Das ist eine Super-Chance, einfach fantastisch. Es könnte nicht besser sein.“
Auch deshalb ist er nach zwei Jahren, in denen er für Bundesligist 1. BC Wipperfeld zum Schläger griff, zurück zum amtierenden Deutschen Mannschaftsmeister 1. BC Saarbrücken-Bischmisheim ins Saarland gewechselt.
„Das war von Anfang an so geplant. Ich habe immer gesagt, dass ich, sollte ich mich für die Olympischen Spiele qualifizieren, auf jeden Fall für das Saarland starten will“, erklärt Marvin Seidel und betont: „Ich habe hier von so vielem profitiert und das ist das Mindeste, was ich als Athlet zurückgeben kann.“
Das Maximale wäre dann wohl, eine olympische Medaille mitzubringen.