Die BR Volleys hatten mit einigen Anlaufschwierigkeiten gerechnet, doch der Saisonstart ist mehr als nur geglückt. Das Team präsentiert sich bereits erstaunlich eingespielt.
Die BR Volleys sind wieder spitze. Mit dem völlig ungefährdeten 3:0-Heimsieg gegen TV Rottenburg übernahm der Titelverteidiger die Tabellenführung vom spielfreien Rekordmeister VfB Friedrichshafen. Eigentlich hatten die Macher mit deutlich größeren Startschwierigkeiten gerechnet, denn die Vorbereitung war alles andere als optimal verlaufen, und zahlreiche Neuzugänge mussten integriert werden. Doch die ersten fünf Saisonsiege bewiesen, dass diese qualitativ nochmals verstärkte Mannschaft weiter erfolgshungrig ist und nichts verlernt hat. „Das ist wie mit dem Radfahren", sagte Club-Manager Kaweh Niroomand: „Wenn man es einmal kann, fällt man auch nach einer Pause nicht runter." Die problematische Vorbereitung im Sommer, in der zahlreiche Nationalspieler für ihre Auswahlteams abgestellt werden mussten, ist fast vergessen. Natürlich passt die Abstimmung noch nicht in jedem Spielzug, aber die erst spät zum Team dazugestoßenen Sergej Grankin, Jeffrey Jendryk und Benjamin Patch harmonierten gegen Rottenburg schon wieder prächtig miteinander. Und Neuzugang Cody Kessel bewies mit krachenden Schlägen und genialen Trickbällen, dass er den Meister verstärken kann. „Es ist wirklich ein Privileg, für Berlin zu spielen", sagte der aus Lüneburg gekommene US-Außenangreifer. Niroomand lobte den 27-Jährigen: „Er ist ein guter Junge mit einer sehr großen Sprungkraft." Auch Kessel wiederholte, was seine Vorgesetzten gebetsmühlenartig seit Wochen von sich geben: „Wir brauchen noch Zeit, um unser perfektes Zusammenspiel zu finden." Beim Zuspiel und bei der Annahme gibt es noch reichlich Luft nach oben. Man wolle und müsse weiter hart an perfekten Automatismen arbeiten, forderte Kapitän Moritz Reichert: „Im vergangenen Jahr haben wir vor Weihnachten Federn lassen müssen. Das soll uns nicht wieder passieren." Die Hauptverantwortung dafür trägt Trainer Cédric Énard, doch der musste aus privaten Gründen immer mal wieder kürzertreten. Beim Sieg gegen Rottenburg vertrat ihn sein Assistent Lucio Oro. „Für mich persönlich war das ein Spiel wie jedes andere", sagte Oro: „Ich bin immer bereit, egal in welcher Rolle."
Die Berliner eroberten auch ohne ihren Chefcoach an der Seitenlinie die Bundesligaspitze. Doch nicht nur in der Liga, auch in der Champions League wollen die Berliner in dieser Saison etwas reißen. Die Auslosung war aber ein kleiner Schock: Die Gruppengegner aus Russland (VKK Kemerowo und Fakel Nowy-Urengoy) und Slowenien (Ach Volley Ljubljana) sind sportlich schwere Brocken, die Reisestrapazen und -kosten zum Teil enorm. Gleich zweimal muss der Deutsche Meister nach Sibirien fliegen. „Sportlich und organisatorisch ist das eine wirklich harte Gruppe", haderte Trainer Énard, „die langen Reisen tun bei der Mehrfachbelastung natürlich besonders weh." Der Franzose sieht in den zwei russischen Teams die Favoriten, „aber wir werden um unsere Chance kämpfen." Auch Berlins Topstar Grankin, der 14 Jahre in der russischen Liga aktiv war, sieht in Kemerowo und Nowy Urengoy „zwei absolute Spitzenmannschaften". Und Samuel Tuia, der von 2011 bis 2013 bei Kemerovo unter Vertrag stand, berichtete: „Ich kann aus Erfahrung sagen: Das sind zwei wirklich unliebsame Reisewege, die uns da bevorstehen." Erik Shoji, der bis 2016 bei den BR Volleys spielte und inzwischen beim westsibirischen Club Nowy-Urengoy unter Vertrag steht, schickte nach der Auslosung via Twitter einen kleinen Tipp an seine Ex-Kollegen: „Vergesst nicht, warme Kleidung einzupacken." Ganz so schlimm kann es aber nicht sein, wenn es selbst Shoji als gebürtiger Hawaiianer dort aushalten kann. Den Auftakt in der Königsklasse bestreitet Berlin aber zu Hause in der Max-Schmeling-Halle gegen den slowenischen Klub Ljubljana Anfang Dezember. Dann will das Team den Grundstein für das Überstehen der Gruppenphase legen. „Das A und O wird sein, unsere Heimspiele zu gewinnen", forderte Manager Niroomand. Angreifer Reichert glaubt: „Den Kader dafür haben wir." Klare Worte von Reichert, der in dieser Saison endgültig zum Gesicht des Teams aufsteigen soll. Der 24-Jährige wurde zum neuen Kapitän ernannt, er soll die Volleys auf und neben dem Parkett in die Zukunft führen. Dabei tritt der Außenangreifer in große Fußstapfen, schließlich waren seine Vorgänger keine Geringeren als Robert Kromm und Sebastian Kühner.
„Den Kader dafür haben wir"
Dass der Nationalspieler aber dazu fähig ist, stellt Manager Niroomand überhaupt nicht infrage. Reichert verkörpere „die Werte des Vereins" und habe sich die neue Führungsrolle durch Leistungen „verdient".
Der Hochgelobte selbst will sich wegen der Spielführerbinde um den Arm „keinen großen Druck" machen, er will das Team mit natürlicher Autorität führen: „Ich möchte da hineinwachsen und mich auch als Persönlichkeit entwickeln."
Zum ersten Titel in der Saison hat Reichert die Volleys bereits geführt. Im Supercup Mitte Oktober in Hannover setzte sich der Hauptstadtclub gegen DVV-Pokalsieger VfB Friedrichshafen klar mit 3:0 nach Sätzen durch. Im vierten Anlauf holten die Berliner diese Trophäe erstmals nach Hause.
Der Titel zählt zugegebenermaßen nur wenig, aber gegen den Rekordmeister vom Bodensee gewinnen die Berliner immer gern. „Es gibt im deutschen
Volleyball kein prestigeträchtigeres Duell", sagte Mittelblocker Georg Klein. Und so hatte der Erzrivale an der ersten Saisonniederlage deutlich zu knabbern. „Man hat gesehen, dass die Berliner eingespielter sind", meinte Friedrichshafens Libero Markus Steuerwald. Die Höchststrafe gab es aber von der Twitter-Abteilung der Volleys, die während des Spiels schrieb: „Dann kann man ja fast Mitleid haben."
„Dass es so deutlich wird, war nicht zu erwarten", wunderte sich auch der zum Spieler des Spiels gekürte Reichert. Im Vorjahr hatte noch Friedrichshafen im Supercup triumphiert, der Meistertitel ging am Ende aber an Berlin.
Um den Supercup-Wettbewerb etwas moderner zu gestalten, wurde in Hannover die ganz große Technik aufgefahren: Erstmals überhaupt in einer olympischen Sportart war der Hallenboden aus Glas, darunter wurden Millionen LED-Lichter angebracht. Dadurch konnten die Techniker beeindruckende Effekte auf den Boden zaubern, was nicht nur den Zuschauern gefiel.
„Das ist genial", sagte Klein von den BR Volleys. Bei einer solchen Innovation hautnah dabei sein zu können, habe ihn „noch einmal zusätzlich motiviert". Auch für Trainer Énard war diese Technik „spannend" und „eine neue Erfahrung".