FORUM hat sich einen Tag nach dem 66. Geburtstag von Kaweh Niroomand mit dem Geschäftsführer der BR Volleys unterhalten: über die Lage bei den Berliner Volleyballern, den gesellschaftlichen Wert des Sports und eine mögliche Olympia-Bewerbung.
Herr Niroomand, zuerst zu den BR Volleys. Es läuft nicht rund beim Deutschen Meister. Sie haben bisher sehr viel Geduld walten lassen. Im Berliner „Tagesspiegel" wurden Sie zur Notwendigkeit von Trainer- oder Spielerwechseln befragt und haben angedeutet, man könnte eventuell personell nachlegen. Es sei ja noch Zeit.
Zum Trainerwechsel gibt es gar keinen Anlass und zum Spielerwechsel im Moment auch nicht. Und da haben wir auch keinen Zeitdruck. Weil die Wechselfristen, wenn man so etwas anfangen würde, noch bis Ende Januar gehen. Wenn man irgendwann mal denkt, der Kader sei nicht richtig, kann man dann immer noch handeln.
Und: Ist der Kader nicht richtig?
Der Kader ist total richtig! Davon bin ich nach wie vor überzeugt. Es ist keine Frage der Spielerqualität. Aber keiner erfüllt gegenwärtig die Erwartungen. Keiner! Nicht die alten Spieler, nicht die neuen Spieler, keiner. Jetzt kann man sagen: „Der gesamte Kader ist schlecht!" Das sind alles Leute, die bis vor wenigen Wochen größtenteils um die Weltmeisterschaft mitgespielt haben oder um den Sieg in der Nations League. Es sind alles international renommierte Leute, die scheinbar, warum auch immer – und um dieses Warum geht es jetzt – nicht in der Lage sind, ihre normale Leistung abzurufen.
Zumindest zuverlässig abzurufen, denn gegen Friedrichshafen hat man ja gewonnen.
In Friedrichshafen hat man zum einzigen Mal in dieser Saison etwas getan, was man in den anderen Spielen nicht gemacht hat: nämlich nach einem Rückstand nicht zu zerbrechen. Aber die Qualität war immer noch nicht so, wie ich mir das vorstelle. Wir haben versucht, uns nicht fallen zu lassen, was ja bei den letzten Niederlagen immer der Fall war. Wir spielen gut, spielen mit, dann kommt Widerstand oder eine kleine Schwächeperiode, dann bricht alles auseinander. In Friedrichshafen war das nicht so. Dort haben wir, auch als wir 1:2 zurücklagen, trotzdem an uns geglaubt, weitergespielt und dann den Laden zusammengehalten. Aber von der Qualität her muss diese Mannschaft mit den Individuen, die wir auf dem Feld haben, in der Lage sein, auch da besser zu spielen.
In dieser Saison gibt es Mannschaften, die Berlin und Friedrichshafen herausfordern: neben den United Volleys Frankfurt auch die Alpenvolleys Haching, Düren und Lüneburg. Sieht man einmal über die persönlichen Befindlichkeiten der beiden Spitzenvereine hinweg, dann ist es für die Liga ja gar keine schlechte Entwicklung, dass die Spitze auch breiter geworden ist.
Ich habe immer, egal was ich mache und wo ich aktiv bin, zunächst das Große und Ganze im Auge. Und dann das Partikularinteresse. Ich habe nie in meinem Leben so gelebt, dass ich gedacht habe: „Erst muss ich durchkommen und dann die anderen." Meine Philosophie ist immer anders herum: „Wenn alle durchkommen, dann komme ich auch durch." Insofern ist das wunderbar, wie es ist, für den Sport, für die Bundesliga, für den Volleyball. Alles ist in Ordnung. Die Probleme, die wir bei den BR Volleys haben, stehen auf einem anderen Blatt.
Schauen wir mal über den Volleyball hinaus. Sie entwerfen einen Masterplan, der besagt: „Treibt Sport von Kindesbeinen an, weil ihr da wichtige Dinge, Werte fürs Zusammenleben lernt." Sie sprechen zum einen den Breitensport an: Die Kinder sollen, wenn sie drei Jahre alt sind, systematisch ans Sport treiben herangeführt werden mit der Idee, dass sie ihr Leben lang dabei bleiben. Zum anderen schreiben Sie über die Vorbildfunktion des großen Sports. Wie wäre es nämlich, wenn Berlin wieder Olympia ausrichten würde?
Ich würde da nur einen Punkt ergänzen: die gesellschaftliche Anerkennung des Sports. Was ich sage, hat zwei Seiten: Einmal, was man aus der Sicht des Sports machen kann und wie man als Mensch im Sport aufwächst, und wie die Gesellschaft, also in erster Linie die Politik und gesellschaftlich relevante Organisationen, einfach die Wertigkeit des Sports in der Gesellschaft anerkennt. Das ist viel zu wenig in meinen Augen. Weil der Sport dann alle Sachen leisten und eine große Klammer sein kann für die verschiedenen Aufgabenbereiche. Mir ging es auch nicht primär um die Austragung der Olympischen Spiele. Ich wollte sagen: In einem demokratischen Land wie Deutschland – wo die Infrastruktur und die gesellschaftliche Entwicklung in allen Bereichen ganz anders ist, verglichen mit vielen anderen Ländern, in denen in den vergangenen Jahren Großereignisse stattgefunden haben – kann ein Großereignis nur am Ende einer Wegstrecke stehen. Die Verkehrssysteme, die Mobilität, das Thema Gesundheit – wenn Sie da nach Katar gehen, können Sie außerhalb dieser Oasen von Umweltschutz erzählen, was sie wollen, da wird ihnen der Mann sagen: „Ich muss erst mal sehen, wie ich heute Abend meine Kinder satt kriege. Dann können wir über Umweltschutz reden." Hier ist die Situation eben so, dass bei der Vorbereitung auf ein Großereignis der Weg dahin schon das Ziel ist. Wenn ich also die Infrastruktur im Verkehrswesen, im Gesundheitswesen und die Wohnungssituation verbessere. Wenn ich genügend Sportstätten baue, damit die Menschen sich bewegen können, damit die Kinder zum Sport kommen und nicht vorm Fernseher oder ihren iPhones sitzen, Chips essen und krank werden, dann ist das schon der Wert als solcher. Und wenn am Horizont dann die Olympischen Spiele sind, dann ist es okay. Wenn nicht, ist die Gesellschaft vorangekommen und dann sind nachhaltig Wege geschaffen worden, damit viele Gesellschaftsschichten, vor allem die Jugend, davon profitieren.
Sie sprechen sich dagegen aus, immer nur der Politik alle Verantwortung aufzubürden, sondern fordern mehr Engagement beim Einzelnen. Ist das für Sie der entscheidende Faktor, wie gut die Gesellschaft funktioniert?
Mein Credo ist: „Selber engagieren, da wo man ist." Und deswegen habe ich geschrieben: Gerade in so einer Gesellschaft wie Deutschland gibt es so viele Bereiche, wo wir uns engagieren können. Sport ist vielleicht die größte Bürgerinitiative. Es gibt so viele Sozialberufe. Ob es das ist, was wir mit der Stadtmission machen, ob das in Altenheimen ist, ob das bei der Unterstützung von Jugendlichen ist, damit sie nicht von ihrem Weg abkommen. Oder „Berlin hat Talent" – das alles sind notwendige bürgerschaftliche Engagements. Sie werden nie bei einem Engagement von Leuten, die in einem Altersheim älteren Menschen helfen, oder bei Lesepaten, die benachteiligten Kindern das Thema Lesen nahebringen, Rassismus finden. Das wird nie passieren! Kein Lesepate wird sagen: „Ich unterrichte nur deutsche Kinder!" Und deswegen müssen wir diesen Raum groß und größer machen.