Seriensieger Spandau musste im Finale um die Deutsche Meisterschaft gegen Hannover eine empfindliche Niederlage einstecken. Ein neuer Dauerrivale ist erwachsen – und das ist gut für die kriselnde Sportart.
Ist die Wachablösung im deutschen Wasserball nun endgültig perfekt? Darüber wurde heiß diskutiert, nachdem Waspo Hannover die Finalserie um die Deutsche Meisterschaft gegen den einstigen Dauersieger Wasserfreunde Spandau mit 3:1 für sich entschied. Doch für Spandaus Präsident Hagen Stamm war etwas anderes viel wichtiger: Dass die Play-offs überhaupt stattgefunden und der durch Corona tief in die Krise gestürzten Sportart wieder zu etwas Aufmerksamkeit verholfen haben. „Für unsere Sportart war es ein Gewinn", sagte der Bundestrainer. Es sei „immens wichtig" gewesen, „dass wir die Meisterschaft ausgespielt haben und dass das Hygienekonzept dabei so gut funktioniert hat". Auch für die Nationalmannschaft, die beim Qualifikationsturnier im Februar ihr Olympia-Ticket buchen will. Die vielen Nationalspieler aus Hannover und Spandau „konnten so wieder Spielpraxis sammeln und Motivation tanken", sagte Stamm.
Das Finale hat allerdings nur dem Selbstvertrauen der Hannoveraner geholfen. „Hannover war besser", gab Stamm unumwunden zu. „Wir gratulieren ohne Vorbehalte." Schon nach dem 0:2-Rückstand in der Best-of-five-Serie war eine Vorentscheidung gefallen, denn noch nie in der Geschichte des deutschen Wasserballs konnte eine Mannschaft einen solchen Rückstand noch aufholen. „Die ersten zwei Spiele waren unterirdisch", kritisierte Stamm scharf. Der 12:9-Sieg in der Schwimmhalle Schöneberg zum 1:2-Anschluss gab dem Rekordmeister noch mal Hoffnung, doch Hannover verwandelte seinen zweiten Matchball im heimischen Volksbad Limmer mit einem 11:9. „Wir sind verdienter Deutscher Meister, haben auch heute dominiert", sagte Waspo-Trainer Karsten Seehafer unmittelbar nach der letzten Finalpartie. Der dritte Meistertitel nach 1993 und 2018 sei „eine Riesen-Bestätigung unserer jahrelangen Arbeit." Auch für Stamm stieg der Erzrivale „korrekt und völlig verdient" als neuer Meister aus dem Becken – was aber vor allem an der schwachen Leistung seines Teams gelegen habe. Der zweimalige Europameister hatte Willen und Einsatz vermisst: „Ich muss sehen, dass das Wasser dampft – und heute hat es bei Spandau nicht gedampft." Deshalb hätte sein Team an jenem Tag auch „20 Viertel spielen können und keines davon gewonnen". Auch Spandau-Trainer Petar Kovacevic war enttäuscht, zumal der Sieg zum 1:2 in der Serie so überragend war. „Wir müssen analysieren, warum wir zwei Gesichter gezeigt haben", sagte der Coach, der jedoch keine Untergangs-Szenarien verbreiten wollte. Für die nächste Saison, sagte Kovacevic, „bin ich sehr positiv gestimmt".
„Spielpraxis sammeln und Motivation tanken"
Klar ist: Alle Beteiligten beim 37-maligen Meister fühlen sich bei der Ehre gepackt. Die Hannoveraner, die in den vergangenen Jahren viel Geld in die Hand genommen und zahlreiche Topspieler verpflichtet haben, sind drauf und dran, die Berliner als deutschen Vorzeigeclub abzulösen. Wenn sie es nicht schon getan haben. „Von den letzten acht Titeln, die in Deutschland ausgespielt wurden, haben wir sieben gewonnen", sagte Waspo-Trainer Karsten Seehafer und verwies auf zwei Meistertitel, drei Supercups und zwei Pokal-Triumphe. „Eine Eintagsfliege", so Seehafer, „sieht anders aus." Solch forsche Töne gefallen Stamm überhaupt nicht, die Spandau-Ikone reagierte mit Nachdruck: „Ich sehe das als Momentaufnahme an und würde Hannover raten, weiter daran zu arbeiten, erfolgreich zu sein."
Das trifft allerdings auch auf Spandau zu. Die verlorene Meisterschaft kommt nicht zufällig, sondern hatte sich angedeutet. Dass der von einer Grippe geschwächte Marko Stamm mit drei Treffern im vierten Endspiel der beste Werfer seines Teams war, spricht Bände. Die personellen Probleme konnten die Berliner nicht auffangen. Center Mateo Cuk hatte sich im Krafttraining während der Corona-Pause einen Abriss des Brustmuskels zugezogen und musste operiert werden. Der Topspieler ist womöglich erst Anfang 2021 wieder fit. Der Abgang von Nationalspieler Ben Reibel aus privaten Gründen zum ASC Duisburg schmerzte genau wie die Rückkehr von Tiberiu Negrean in seine rumänische Heimat. Der 31-Jährige hatte aus Sorge um seine Frau und seine zwei Kinder um die Freigabe gebeten. Der Rekordchampion verpflichtete mit Ivan Zovic und Marino Cagalj zwar zwei Kroaten nach, doch qualitativ war der Aderlass zu groß. Außerdem waren die Wechsel für den Zusammenhalt und die Teamchemie, die in einer Mannschaftssportart wie Wasserball eine enorme Rolle spielen, abträglich. Hannover nutzte diese Schwächen perfekt aus und verwickelte Spandau in den Finalduellen auch immer wieder in kleinere Scharmützel. Bei der Auftaktniederlage zum Beispiel war Präsidenten-Sohn Marko Stamm früh ausgeschieden, weil er unter Wasser gegen Fynn Schütze unfair agiert hatte. „Damit habe ich die Mannschaft rausgebracht", sagte Stamm hinterher kleinlaut.
Immer wieder kleinere Scharmützel
Die Berliner hatten zudem sichtlich Probleme mit der Umstellung auf das Freibad bei den Auswärtsspielen, auch das war ein cleverer Schachzug von Hannover. „Ich denke, es ist einfacher, aus dem Freibad in die Halle zu kommen als andersherum", sagte Nationalspieler Julian Real. Der Waspo-Profi sieht kein Problem darin, dass sich die beiden Top-Clubs nun schon zum vierten Mal in Folge im Finale gegenüberstanden und andere Teams klar abgehängt haben: „In anderen Ligen ist das Gefälle ebenfalls groß. Wir haben in Deutschland zwei personell sehr gut besetzte Mannschaften, die professionell aufgestellt sind."
Und diese beiden Spitzenteams duellieren sich am letzten September-Wochenende erneut. In der Endrunde des DSV-Pokals ist die Motivation auf beiden Seiten groß. „Jetzt erholen wir uns kurz und dann wollen wir auch noch den Pokal holen", sagte Waspo-Kapitän Aleksandar Radovic. Die Spandauer dürften dagegen mit Wut im Bauch alles für eine erfolgreiche Revanche tun. Darauf hofft auch Stamm, doch der Club-Boss ist schon mal froh, dass überhaupt wieder Wasserball gespielt wird: „Wir können zeigen: Wir sind noch da." Dass zu den Finalduellen weniger Zuschauer als erlaubt gekommen waren, schob Stamm auf die allgemeine Sorge vor Corona: „Alles ist noch mit Vorsicht zu genießen. Aber wir bauen langsam auf." Dabei hilft es sogar, dass Spandau nicht mehr alles in Grund und Boden siegt. Dass in Waspo Hannover längst ein mindestens ebenbürtiger Gegner erwachsen ist, hilft der Popularität der Sportart und der Liga in Deutschland.