Trump, Johnson, Zemmour: Wie mit Ressentiments Politik gemacht wird
Hass und Hetze lassen sich besser verkaufen als politische Zukunftskonzepte. Dabei bräuchte die Welt gerade Letztere angesichts der Komplexität nie dagewesener Herausforderungen. Die Brände in Griechenland, in der Türkei oder in Kalifornien, die sintflutartigen Überschwemmungen in der Eifel oder in der zentralchinesischen Metropole Zhengzhou zeigen: Es bedarf eines globalen Herkulesakts, um die Klima-Katastrophe zumindest abzumildern.
Die extremen Wetterausschläge wären ohne die gewaltigen CO2-Emissionen, die die Erwärmung der Erde nach sich ziehen, kaum erklärbar. Doch sie machen nur einen Teil des perfekten Sturms aus, der über die Welt hereingebrochen ist. Es geht ebenso um die Balance zwischen nachhaltigem Wirtschaftswachstum und sozialer Gerechtigkeit. Es geht um die politische Steuerung der alternden Gesellschaften in den Industriestaaten und der Bevölkerungsexplosion in den ärmeren Ländern. Es geht um Bildung und Digitalisierung. Und es geht um eine kontrollierte Immigration.
Die Lösung all dieser Probleme ist schwierig. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat vorgemacht, dass man Wahlen auch ohne intellektuelle Fracht gewinnen kann. Sein rechtspopulistisches Strickmuster beruht auf einfachen Grundsätzen. Erstens: Rede das Land, das du regieren möchtest, schlecht. Bei seiner Ansprache zur Amtseinführung am 20. Januar 2017 beklagte Trump die „Mütter und Kinder, die in den Innenstädten in Armut gefangen sind“. Er entwarf ein düsteres Bild, das in der Forderung kulminierte: „Dieses amerikanische Blutbad muss hier und jetzt enden.“
Zweitens: Predige Nationalismus als Rettung aus dem gegenwärtigen Schlamassel. Trumps Schlachtruf lautete „America First“, „Amerika zuerst“. Drittens: Male das Schreckgespenst einer gigantischen Einwanderungswelle an die Wand. Trump beschimpfte Mexikaner als „Kriminelle“ und „Vergewaltiger“ und begann mit dem Bau einer viele Hundert Kilometer langen Grenzmauer. Viertens: Stelle Kritiker der Regierung und Medien, die nicht in den publizistischen Jubelchor einstimmen, als „Feinde des Volkes“ an den Pranger.
Boris Johnson gelangte mit einer ähnlich nationalistischen und fremdenfeindlichen Grundierung in den Premierministersessel. Seine Brexit-Kampagne lebte von der verklärten Version eines „British Empire 4.0“, gepaart mit einer Dämonisierung der EU. Johnson ist jedoch mit seinen clownesk-unorthodoxen Auftritten populärer und wesentlich weniger schrill als Trump.
Auch in Frankreich sorgt derzeit der Aufstieg eines Politiker-Typs aus dem Rechtsaußen-Spektrum für Schlagzeilen. Der Journalist Éric Zemmour legte im stramm konservativen Fernsehkanal CNews eine phänomenale Karriere hin: Innerhalb von zwei Jahren steigerte er die Einschaltquote seiner Sendung „Face à l’Info“ von rund 100.000 auf bis zu 800.000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Wie Trump setzt der Sohn einer Familie algerisch-jüdischer Abstammung auf das Apokalypse-Szenario. In seinem 2014 veröffentlichten Buch „Der französische Selbstmord“ – ein Bestseller – zeichnete er das Porträt eines heruntergekommenen Landes. Zentrale These: Die Einwanderer „zehren die jüdisch-christliche Bevölkerung und die nationale Identität auf“.
Im Herbst wolle Zemmour seine Präsidentschaftskandidatur bekannt geben, kündigten Vertraute an. Immerhin 18 Prozent der Franzosen würden nach einer Umfrage erwägen, ihm ihre Stimme zu geben. Vor allem Konservative, denen die Rechtspopulistin Marine Le Pen zu lasch geworden ist, haben ein neues Zugpferd.
Der 62-Jährige vertritt die in rechtsextremistischen Kreisen zirkulierende Verschwörungstheorie vom „Großen Austausch“. Demnach arbeiten herrschende Eliten an dem geheimen Plan, weiße Mehrheitsbevölkerungen gegen muslimische oder nicht-weiße Migranten auszutauschen. Wie Trump poltert der Zemmour gegen die Medien, die eine Propagandamaschine der Linken seien.
Trump, Johnson, Zemmour: Sie alle verfolgen eine Politik der Ressentiments statt der Konzepte. Es geht um Emotionen, weniger um Hirn. In Deutschland hat sich der Rechtspopulismus bislang nicht nennenswert ausbreiten können. Das liegt zum Teil an der AfD, die sich nie konsequent und glaubhaft von Neonazis abgegrenzt hat. Das bedeutet nicht, dass Deutschland für immer gegen trumpistische Bewegungen gefeit wäre.