Joachim Löw beendet nach der Europameisterschaft in diesem Sommer sein Engagement bei der deutschen Nationalmannschaft. Ob dieser Rücktritt ganz freiwillig zustande kam, ist offen.
England sollte der letzte Gegner für Joachim Löw als Bundestrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft werden. Am 29. Juni verlor die deutsche Elf bei der Europameisterschaft mit 0:2 gegen den ewigen Rivalen und schied bereits im Achtelfinale der EM aus. Sicher nicht der Abgang, den sich Löw erhofft hatte, aber einer mit Ankündigung.
Entscheidungen unter Joachim Löw können mitunter eine gewisse Zeit brauchen. Nach seinen etlichen Turnieren mit der deutschen Nationalmannschaft zog er sich fast wochenlang zurück, um sein Wirken zu reflektieren. Das Ganze diente immer dazu herauszufinden, ob die Motivation, die Energie und die nötige Kraft für diesen Job noch vorhanden sind. Für viele machte es den Anschein, als wäre das reine Koketterie. Schließlich war das Ergebnis immer das Gleiche, auch die Worte immer dieselben: Er blieb einfach im Amt. Gewähren konnte Löw immer, wie er wollte. Ob er nun gerade Weltmeister geworden war oder desaströs in der Vorrunde scheiterte. Was scheinbar nie eine gewichtige Rolle für Löw spielte: der Zeitpunkt. Als Weltmeistertrainer zurückzutreten war genauso wenig eine Option, wie nach der Schmach von Russland seinen Hut zu nehmen. Die öffentliche Meinung hierzu war klar, in beiden Situationen wäre der Großteil der Menschen einverstanden gewesen. Nach 2018 haben es viele sogar vehement gefordert.
Entscheidung im März zum Rücktritt
Löw aber hat sich von öffentlichen Meinungen nie leiten lassen. Erst recht nicht, von der in den vergangenen drei Jahren immer lauter werdenden Kritik. Zu sehr schien er an diesem Amt zu hängen. So kam es, dass der 61-Jährige einfach Turnier an Turnier reihte und die wichtigste deutsche Mannschaft seit gefühlten Ewigkeiten betreute.
Doch Anfang März war es dann so weit. Löw gab seinen Rücktritt als Bundestrainer nach der Europameisterschaft im Juni bekannt. „Ich gehe diesen Schritt ganz bewusst, voller Stolz und mit riesiger Dankbarkeit, gleichzeitig aber weiterhin mit einer ungebrochen großen Motivation, was das bevorstehende EM-Turnier angeht", teilte Löw mit. Dass es sicherlich bessere und vor allem frühere Zeitpunkte gegeben hätte, steht außer Frage. Dennoch hatte diese Entscheidung etwas durchaus Befreiendes. „Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung von Joachim Löw", sagte der damalige DFB-Präsident Fritz Keller im März. Löw habe den deutschen Fußball über Jahre hinweg wie kaum ein anderer geprägt. „Dass er uns frühzeitig über seine Entscheidung informiert hat, ist hoch anständig. Er lässt uns somit die nötige Zeit, mit Ruhe und Augenmaß seinen Nachfolger zu benennen", sagte Keller.
Übernommen hatte Löw das Amt 2006 von Jürgen Klinsmann, für den er zwei Jahre zuvor als Assistent arbeitete. Für viele war er die Ursache des Aufschwungs im deutschen Fußball, Klinsmann wurde eher die Rolle des Motivators zugesprochen. Seit seiner Übernahme schaffte es die Mannschaft bis auf 2018 immer mindestens ins Halbfinale. Löw schien dabei immer als moderner Macher, zumindest bis zum Titel. Seitdem schien es, als hätte er aufgehört dieser Macher zu sein. Als wäre die Energie nicht mehr die Gleiche. Denn seit 2018 hat es keine signifikante sportliche Weiterentwicklung gegeben. In den Länderspielen im vorigen Herbst wurde immer deutlicher, dass Löw nicht mehr in der Lage ist, das Optimum aus dieser vielleicht nicht mit herausragender Qualität gesegneten, aber durchaus spannenden Mannschaft herauszuholen.
Der DFB hat Löw vieles zu verdanken
Dass Löw selbst über seine Zukunft entscheiden kann, lag an seinem langfristigen Vertrag bis nach der viel diskutierten Weltmeisterschaft 2022. Fast schon paradox, dass Löw mit diesem Vertrag vor der WM 2018 ausgestattet wurde – von dem damaligen DFB-Präsidenten Reinhard Grindel. Als Löw dann nach dem desolaten 0:6 gegen Spanien gefragt wurde, ob er einen Gedanken an einen Rücktritt verschwende, wies er diese Überlegungen noch völlig von sich: „Nein, diesen Gedanken gab es bei mir nicht." Denn er war fest davon überzeugt, dass sich die Mannschaft „auf einem guten Weg" befinde. Die öffentliche Kritik hat Löw lediglich registriert. „Mich interessiert es nicht, wer was sagt. Ich weiß schon, was ich tue", sagte er. Nicht wenige fanden Löws Auftreten damals fragwürdig. Woher kommt die Selbstgewissheit des Bundestrainers? Auch der Begriff der jovialen Entrücktheit geisterte durch die Zeitungen.
Angesprochen auf die schlechten Sympathiewerte reagierte Löw auch nur lapidar: „Ich kann die Wut und Enttäuschung der Fans verstehen, aber ich weiß auch mit Kritik umzugehen, dafür bin ich zu lange im Geschäft." Für viele war dann „Das-zu-lange-im-Geschäft-sein" wohl eines der größten Probleme Löws in den vergangenen Jahren. Denn seit der Blamage in Russland hat Löw eine gewisse selbstgefällige Distanz aufgebaut zum Alltagsgeschäft der Spieler. Erst zu Beginn des Jahres war er wieder in einem Bundesligastadion anwesend.
Fakt ist, dass im Sommer eine Ära endete. 17 Jahre Joachim Löw beim DFB. Dass der DFB Löw einiges zu verdanken hat, steht dabei außer Frage. Einen schönen Platz in der deutschen Fußballgeschichte hat er sicher. Das 7:1 gegen Brasilien und der Titel gegen Argentinien werden auf ewig in seiner Vita stehen.