Die Fußball-Nationalmannschaft der Frauen musste bei der Weltmeisterschaft in diesem Jahr in der Vorrunde die Segel streichen. FORUM blickt zurück auf den Moment des Ausscheidens.
Die deutsche Mannschaft stand dem 1:1 gegen Südkorea im letzten WM-Gruppenspiel fassungslos gegenüber: Noch weit nach dem Schlusspfiff standen die Spielerinnen und das Betreuerteam regungslos auf dem Rasen von Brisbane, weinten und trösteten sich gegenseitig. Nach der Partie und dem damit verbundenen historischen Vorrunden-Aus bei der WM in Australien und Neuseeland rangen alle Beteiligten nach Erklärungen. Kapitänin und Torschützin Alexandra Popp konnte es noch gar nicht greifen. „Ich weiß nicht, was ich großartig sagen soll, weil ich es noch nicht verstehen kann, was hier gerade abgeht“. Eine Analyse des desaströsen Abschneidens sei in diesem Moment schlichtweg „unmöglich“. Auch Flügelspielerin Jule Brand fehlten die Worte am ZDF-Mikrofon, Mittelfeld-Abräumerin Lena Oberdorf empfand die Momente nach dem Abpfiff als „surreal“ und bei der Ambergerin Sara Däbritz saß „der Schock tief“. Lediglich Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg waren zusammenhängende Sätze abzuringen. „Wir waren ein Stück weit geschockt nach dem 0:1. Wir haben nicht die Spielruhe gehabt, sind nicht angedribbelt und haben unsauber gespielt bei der letzten Aktion. Es war eine große Verunsicherung zu spüren heute.“ In der Tat war der Auftritt der deutschen Mannschaft von Minute eins an fehleranfällig. Beim 0:1 durch So-Hyun Cho offenbarte die wackelige Defensive riesige Lücken, Kathrin Hendrich hob zudem das Abseits um einen Meter auf. Trotz der Rückkehr von Abwehrchefin Marina Hegering profitierten die Koreanerinnen von einfachen Fehlern im Aufbauspiel und einer schlechten Konterabsicherung. „Wir waren in den Zweikämpfen nicht präsent zu Beginn. Wir wollten mehr in die freien Räume hineinkommen, das ist uns in der ersten Halbzeit gar nicht gelungen“, erklärte Voss-Tecklenburg den fahrigen Auftritt ihres Teams: „Dann lief uns die Zeit davon, wir haben es dann mit langen Bällen und Flanken versucht.“
Schock saß nicht nur bei Mannschaft tief
Auf die Frage nach ihrer Zukunft antwortete Voss-Tecklenburg bedächtig: „Ich möchte jetzt gar nicht zu sehr in irgendwas gedrängt werden, was dann auch nicht richtig wäre, weil es auch aus der Emotion heraus geschieht“, sagte sie noch unter dem Eindruck der Partie gegen Südkorea. „Von daher versuche ich, bei mir zu bleiben, sachlich zu bleiben und in die Verantwortung zu gehen. Das ist doch völlig klar.“ Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter der DFB-Nationalteams, kündigte eine Analyse des Turniers an: „Ich werde nach dem Spiel niemanden infrage stellen. Das ist eine Thematik, über die wir in Ruhe sprechen werden.“ Nach den vorherigen Misserfolgen des Männer-Nationalteams und der U21 schloss Chatzialexiou einen Rücktritt aus. „Ich bin seit 20 Jahren beim Verband. Ich für mich persönlich will weiterkämpfen und schauen, dass es weitergeht im DFB und im deutschen Fußball.“ Wie diese Analyse aussah und welche personellen Konsequenzen es gab war damals nicht abzusehen – mittlerweile jedoch schon. Voss-Tecklenburg musste nach einer von beiden Seiten eher grotesken Posse gehen. Aber zurück zur Vergangenheit.
„Es hat am Ende nicht gereicht, mit vier Punkten weiterzukommen. Das ist dann halt auch zu wenig“, resümierte Voss-Tecklenburg. Nach dem souveränen 6:0-Erfolg gegen Marokko zum Auftakt „haben wir zweimal ein Ergebnis erzielt, das nicht ausreicht. Dem müssen wir uns jetzt stellen und das in erster Linie mit meiner Person.“ Für die Aufarbeitung wollte sich die Bundestrainerin Zeit geben. „Es geht darum, das sauber zu analysieren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Das letzte halbe Jahr war nicht so stabil von den Leistungen her wie während und nach der EM. Ich stehe dazu, dass wir es nicht geschafft haben, aber ich gebe mir auch die Möglichkeit, jetzt nicht vorschnell etwas zu sagen.“ Zwar hätte ihr Team „ein paar Widerstände überwinden“ müssen, dies wolle sie aber nicht als Ausrede benutzen. Dennoch schlug sie indirekt einen Bogen auf die schlechte Vorbereitung bis zur Weltmeisterschaft. Dort habe das DFB-Team „ab und an sehr viel Rücksicht auf bestimmte Situationen genommen“. Was sie damit genau meinte, blieb zunächst unklar. Das alleine war aber sicher nicht der Grund für das enttäuschende Abschneiden. „Am Ende ist es eine Gemeinschaftlichkeit, über die wir uns sicherlich alle unterhalten müssen, in der Zusammenarbeit mit allen Beteiligten“, legte Voss-Tecklenburg nach dem Ausscheiden nun nach. „Der Support von Zuhause war da. Wir haben es probiert, aber haben es nicht auf den Platz gebracht. Am Ende stehen reine Ergebnisse, das ist bei so einem Turnier so.“
Unzureichende Vorbereitung
Dass während dieses Turniers wirklich einiges auch in der Zusammenarbeit zwischen Cheftrainerin und Mannschaft im Argen lag, zeigten die vergangenen Monate. Bezeichnend: Das ZDF drehte eine Doku über die Weltmeisterschaft, Martina Voss-Tecklenburg stürmte in die Kabine und stellte die Frage, ob die Mannschaft denn ins Achtelfinale wolle – keine Spielerin reagierte auf die Übungsleiterin, es gab ein einziges „Ja“ als Antwort. Mit solchen Dokumentationen hat der DFB schon bei den Männern Einsicht in etwas gegeben, was vor der breiten Öffentlichkeit besser verborgen geblieben wäre.
Zudem legte auch diese WM die Arroganz des DFB deutlich dar: Das Quartier in Wyong war deshalb in der Nähe von Sydney gewählt worden, weil da der Gruppensieger sein Achtelfinale spielen würde. Das spricht nicht gerade dafür, dass die Deutschen ihre Gegner, die weit unter dem DFB-Team in der Weltrangliste platziert sind, in irgendeiner Weise ernst genommen hätten. Gruppensieger wurde damals Kolumbien.