Für den FC Schalke 04 ist nach 30 Jahren das Kapitel Bundesliga beendet. Die 21. Saisonpleite in Bielefeld macht den vierten Abstieg des traditionsreichen Clubs am 22. April perfekt.
Als Schiedsrichter Christian Dingert am 22. April in der Schüco-Arena die Bundesliga-Partie zwischen Arminia Bielefeld und Schalke 04 exakt um 22:22 Uhr abgepfiffen hat, ist der vierte Bundesliga-Abstieg der Knappen besiegelt. Nach der 1:0 Niederlage bei den Ostwestfalen hat der Traditionsclub aus dem Ruhrpott, der bis dahin gerade mal mickrige 13 Pünktchen sammeln konnte, auch rechnerisch keine Möglichkeit mehr, vier Spieltage vor Schluss das rettende Ufer doch noch zu erreichen. Es war gewissermaßen ein Abstieg mit Ansage, denn saisonübergreifend waren die Knappen in sage und schreibe 30 Matches in Folge sieglos geblieben. Nur der Erfolg gegen Hoffenheim Mitte Januar bewahrte S04 davor, den uralten Pleiten-Negativrekord von Tasmania Berlin zu brechen. Dafür wurde aber eine andere Negativmarke in dem hektisch-vergeblichen Versuch, das sinkende Vereinsschiff doch noch zu retten, eingestellt: Denn das Kunststück, gleich fünf Cheftrainer in einer einzigen Spielzeit zu verschleißen, war bis dahin nur dem MSV Duisburg gelungen.
Wütende Fans attackieren Spieler
Auf den bitteren Abstieg folgen hässliche Szenen. An der heimischen Arena wurden die Schalker Spieler am frühen Morgen nach der Rückkehr aus Bielefeld mit Wut empfangen. 500 bis 600 Menschen warteten laut Polizei auf die Mannschaft, einige Spieler seien mit „massiven Aggressionen" konfrontiert worden, wie es hieß. Eier flogen, zwei Profis wurden getreten. Durch das Einschreiten der Beamten sei eine weitere Eskalation vermieden worden, hieß es. Kurz danach seien die Fans abgezogen und Strafverfahren eingeleitet worden. Sportvorstand Peter Knäbel klagte am Tag danach, es sei desaströs, wenn man um Leib und Leben der Mitarbeiter fürchten müsse.
Zusätzlich zur sportlichen Talfahrt hatte man sich im Abstiegskampf auch noch von Sportvorstand und Teammanager getrennt, ein Zeichen von Hilflosigkeit und fehlender Vereinsführungsqualitäten. Denn seit dem Abschied des starken Mannes und langjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies im Sommer 2020 hatte sich an der Spitze des Clubs ein Machtvakuum aufgetan, das von Ehrenamtlichen mit größtenteils kaum vorhandener Fußball-Kompetenz selten gefüllt werden konnte. Für den Anfang April 2021 von S04 vermeldeten Umsatzabsturz für das Geschäftsjahr 2020 um rund 100 Millionen Euro auf nur noch rund 175 Millionen Euro waren die neuen Chefs allerdings nicht verantwortlich zu machen. Da spielten coronabedingte Einnahmeverluste die wesentliche Rolle. Das war letztlich auch eine Erklärung für den gewaltigen Schuldenstand von 217 Millionen Euro. Ohne die vom Land NRW übernommene Bürgschaft für einen Kredit von 35 Millionen Euro wäre Schalke, einer der größten Arbeitgeber Gelsenkirchens, kaum finanziell über die Runden gekommen.
Während sich die früheren Bundesliga-Abstiege des Traditionsvereins in den Saisons 1980/1981, 1982/1983 und 1987/1988 erst auf den Zielgeraden der Spielzeiten entschieden hatten, war der die rund 160.000 Mitglieder zu Tränen und Wutausbrüchen veranlassende Gang in die Zweite Liga diesmal schon am 30. Spieltag harte Realität geworden. Neben Fehlern in der Führungsetage war dafür vor allem die unzureichende Qualität des Spielerkaders verantwortlich zu machen. Vor allem in der personellen Besetzung des Sturms hatte Schalke in den letzten drei Spielzeiten ein wenig glückliches Händchen bewiesen. Selbst die Vize-Meisterschaft in der Saison 2017/2018 hatte der Club einem perfekt funktionierenden Abwehrbollwerk zu verdanken gehabt.
Schalke 04 galt über die Jahre in Kickerkreisen dank recht üppiger Gehälter als erste Adresse. Mit einem Spieleretat von rund 80 Millionen gehörte S04 in der Saison 2020/2021 zum oberen Drittel der Liga. Allerdings kamen auswärtige Stars nur zum Geldverdienen in die triste Ruhrstadt mit der höchsten Arbeitslosenquote der Republik. Mit der von den treuen Schalke-Fans immer wieder geforderten Identifizierung mit dem Mythos des Clubs als Verein der knochenhart schuftenden Kumpel konnten sie nichts anfangen. Die im internationalen Fußball weit verbreitete Söldner-Manier hatte auch vor Schalke nicht haltgemacht.
Anfangs auch Startschwierigkeiten in Liga zwei
Entsprechend wurden am Saisonende zehn auslaufende Verträge nicht verlängert, darunter Steven Skrzybski, Alessandro Schöpf, Ex-Weltmeister Shkodran Mustafi und Nabil Bentaleb. Zudem kehrten die Leihspieler William (VfL Wolfsburg), Goncalo Paciencia, Frederik Rönnow (beide Eintracht Frankfurt) und Kilian Ludewig (RB Salzburg) zu ihren Stammvereinen zurück. Auch von Benjamin Stambouli und Bastian Oczipka trennte sich der Verein. Anfang Juni gab Sportvorstand Knäbel zudem bekannt, dass die Zukunft in der 2. Liga auch ohne Sead Kolasinac und Klaas-Jan Huntelaar geplant werde. Das Engagement könne nach intensiver Prüfung nicht fortgesetzt werden. Beide Spieler haben eine langjährige Vergangenheit beim FC Schalke und kehrten im Januar 2021 zurück, um den Club vor dem Abstieg zu bewahren. Huntelaar kam allerdings nur auf neun Einsätze, Kolasinac wurde in 17 Spielen eingesetzt. „Sportlich wie menschlich schmerzt uns diese Entscheidung. Mit Blick auf die derzeitige Budget- und Kaderstruktur – all die bekannten und öffentlich diskutierten Herausforderungen – war sie alternativlos. So ehrlich müssen wir sein", sagte Knäbel.
In der Zweiten Liga bleibt dem Verein, der immerhin siebenmal die deutsche Meisterschaft und 1997 den UEFA-Cup gewinnen konnte, daher nichts anderes übrig, als einen Neuanfang zu wagen. Knäbel holt für die Zweite Liga 13 neue Spieler, der rigorose Umbruch fordert seinen Tribut. Nach 30 Jahren Bundesliga, Champions League und Triumphen in UEFA-Cup und DFB-Pokal tut sich „Königsblau" beim Start in die Zweitklassigkeit anfangs entsprechend schwer. Magere vier Punkte aus den ersten drei Spielen machen schnell deutlich, dass die als Saisonziel ausgegebene Rückkehr in die 1. Liga kein Selbstläufer wird. Und schon einen Spieltag später, nach einer weiteren Niederlage, beginnen bereits wieder die Trainerdiskussionen.
Doch die Schalker schaffen es im Verlauf der Hinrunde, sich langsam aber sicher aus der Krise zu spielen, rücken Ende November sogar zwischenzeitlich bis auf Tabellenplatz vier vor und bleiben in Schlagdistanz zu den Aufstiegsplätzen. Es bleibt also auch im neuen Jahr spannend, wohin Schalkes Weg führt.