Er hat Formel-1-Rentner Sebastian Vettel bei Aston Martin beerbt und startet mit 41 Jahren in seine 20. Grand-Prix-Saison. Auch bei seinem neuen Rennstall bleiben Kampfes- und Siegeswille von Fernando Alonso ungebrochen.
Fast 42 Jahre und kein bisschen leise. Aber weise. Altmeister Fernando Alonso wird der Formel 1 mindestens noch zwei Jahre erhalten bleiben. Sein Vertrag beim neuen Arbeitgeber Aston Martin läuft ab der Saison 2023 (Auftakt 5. März in Bahrain) über mehrere Jahre. Der „Matador im Cockpit“ zweifelt deshalb auch nicht daran, dass er es auf 400 Rennen bringen wird. „Diese Zahl kann ich knacken“, so der Dauerbrenner der Formel 1 nach seiner Vertragsunterzeichnung. 400 Grands Prix – eine Zahl, die der alleinige Rekordstarter (aktuell 356 Grand Prix) wahrscheinlich gegen Ende der Saison 2024 erreichen wird.
„Diese Zahlen und Fakten interessieren mich aber nicht so sehr. Viel wichtiger ist für mich: Ich habe noch immer den Hunger und den Ehrgeiz, an der Spitze mitzukämpfen. Ich bin einfach nur glücklich, seit so vielen Jahren in der Formel 1 zu sein und alles erreicht zu haben, was ich erreichen wollte. Und das sogar sehr erfolgreich“, bilanziert der Egozentriker mit dem enormen Selbstbewusstsein. So ganz prallen die Rekordjagden und Auszeichnungen aber nicht an dem Starpiloten ab. „Sie zeigen meine Leidenschaft für den Sport und auch meine Disziplin, um auf höchstem Niveau Rennen zu fahren. Wenn du keine Leistung bringst, dann lassen die Teams dich auch nicht 400 Rennen fahren“, stellte der Methusalem im jugendlichen Boyclub in einer Medienrunde klar. Nebenbei: Das Durchschnittsalter der 22 Piloten, die 2022 im Einsatz waren, betrug 28,41 Jahre. Sein Alter bereitet Alonso keine Sorgen. „Ich sehe es eher als Vorteil an, solange die jungen Fahrer dir nicht um die Ohren fahren. Ich kann aus einem riesigen Erfahrungsschatz schöpfen“, so Alonso über zwei Jahrzehnte F1-Erkenntnis.
Große Stücke auf Alonso
Alonsos neuer Teamkollege heißt Lance Stroll und ist 24 Jahre jung. Der Kanadier ist der Sohn von Lawrence Stroll, Multimilliardär und Eigentümer des F1-Rennstalls Aston Martin. Der 63-Jährige hält große Stücke auf seine Neuerwerbung und ist voll des Lobes über Alonso. „Ich kenne und bewundere Fernando seit vielen Jahren“, ließ Stroll Senior in einem Interview wissen und teilte weiter mit: „Er ist ein Siegertyp wie ich, deshalb war es ein logischer Schritt, ihn in unser Team zu holen.“ Alonso selbst urteilt nach seiner Verpflichtung, nachdem er als „Veteran“ das Stammcockpit seines Vorgänger-„Veterans“ (Vettel) übernommen hatte: „Aston Martin ist eines der aufregendsten Teams in der Formel 1, und es ist offensichtlich, dass sie den Anspruch und die Leidenschaft mitbringen, um in der Formel 1 erfolgreich zu sein.“ Teamchef Mike Krack ist überzeugt, dass fast jeder Mitarbeiter von Fernandos Kaliber und Erfahrung lernen kann.“ Der Luxemburger weiter: „Wenn man jemanden mit dieser Leidenschaft und diesem Siegeswillen hat, dann denke ich, dass er sich auf das Team auswirkt. Ich denke auch, dass mit seiner eigenen Leidenschaft und seinem Siegeswillen ein weiterer Funken auf das Team überspringen kann.“ Die ersten Testfahrten nach dem Finale in Abu Dhabi 2022 seien sogar viel besser gelaufen als erwartet, berichtete Alonso nach seiner ersten Bekanntschaft mit dem neuen Dienstwagen. „Ich bin bereit, auf meiner Seite etwas Besonderes zu leisten, und ich erwarte vom Team das Gleiche. Ich will nicht nur in der Formel 1 bleiben, um in der Startaufstellung zu stehen und um die Plätze fünf bis zehn mitzufahren“, stellte der ehrgeizige Spanier kompromisslos in den sozialen Netzwerken klar. Klar ist dem Renault-Doppelweltmeister (2005, 2006) auch, dass ihn die Zeit einholt. „Solange es nur ein Prozent Chance gibt, den dritten Titel zu holen, mach ich weiter“, so der neue Aston-Martin-Pilot in einem Interview des Fachmagazins „Auto Motor und Sport“ (AMS).
Was soll „El Nando“ auch weiter machen? Außer Rennfahren kann er nichts. Unverblümt, frank und frei gesteht der „Nur“-Rennfahrer Alonso dem renommiertesten Journalisten im deutschsprachigen Raum, Michael Schmidt, im gleichen „AMS“-Interview: „Ich bin mein ganzes Leben lang Rennfahrer gewesen und bin nur gut in dieser Disziplin, weil ich nichts anderes gelernt habe. Mein Leben war immer dem Motorsport gewidmet. Und was ich in diesem Sport am besten kann, ist fahren. Wenn ich eines Tages mit der Formel aufhören muss, werde ich andere Rennen fahren.“ Hat er schon gemacht. Und das kam so:
Leben für den Motorsport
Von 2015 bis 2018 war der Spanier aus Oviedo 77 Rennen wieder in Diensten seines Ex-Rennstalls McLaren. Dort lief es aber mit den Honda- und Renault-Motoren überhaupt nicht rund. Alonso war es leid hinterherzufahren. Es knirschte gewaltig zwischen Teamleitung und dem Starpiloten. Der „Prinz von Asturien“ avancierte zur Persona non grata. Mit nur 50 WM-Zählern und als WM-Elfter hat einer der größten Charakterköpfe die Lust an der Formel 1 verloren. „Ich glaube, das Finale in Abu Dhabi 2018 wird mein letztes Rennen sein. Dann ist Schluss mit der Formel 1“, beteuerte Alonso. Und er hielt Wort. Freiwillig war dieser McLaren-Abgang aber nicht. Fakt ist: Nach jedem Wechsel hat der begnadete Steuerkünstler verbrannte Erde hinterlassen. „Jetzt geht ein Kapitel zu Ende, und ein neues beginnt“, so die Abschiedsworte des McLaren-Piloten nach 17 Saisons und 312 Grands Prix.
2019 tauchte der kompletteste und talentierteste Fahrer in den USA unter. „Ich brauche neue Herausforderungen“, begründete er sein neues Abenteuer – und tobte sich in anderen Motorsportarten aus. Zum Beispiel in der Triple-Crown, also den Siegen in Monaco, beim Indianapolis 500 und bei den 24 Stunden von Le Mans. Monaco hatte er schon 2006 und 2007 gewonnen. Mit Toyota wurde er 2018 und 2019 Gesamtsieger von Le Mans. Aber Indianapolis blieb ihm verwehrt. 2019 gewann er die 24 Stunden von Daytona. Die Dakar-Rallye 2020 beendete der Wüsten-Rookie mit Toyota auf dem 13. Gesamtplatz. Diese Herausforderung sei besonders aufregend gewesen. „Als Mensch ist die Dakar besonders, 15 Tage extremes Abenteuer, nicht nur für dich als Fahrer, sondern als Mensch“, schwärmte der Spanier.
Nach zwei Jahren in Amerika lockte der alte Partner Renault den Aussteiger für 2021 wieder als Einsteiger – jetzt unter dem Namen Alpine – in die Formel 1 zurück. Sein Alpine-Premiere-Jahr war ein Jahr im Mittelfeld zum Vergessen. Als WM-Zehnter verabschiedete sich Alonso mit dem Team als WM-Fünfter in der Konstrukteurs-WM in die Saison 2022. Dort waren drei fünfte Plätze das höchste der Gefühle. Alonso verbesserte sich in der Fahrer-WM auf Rang neun, sein Alpine-Team rutschte auf Rang vier vor. Alonso wurde im Saisonverlauf aber immer unzufriedener und teilte am Ende heftig aus. Dass sein Vertrag mit Alpine nicht über 2022 hinaus verlängert wurde, hatte einen Knackpunkt, der die Verhandlungen scheitern ließ. Die Franzosen wollten ihren Starfahrer nur mit einem Einjahresvertrag und einer Option für 2024 ausstatten. Dieses Angebot war für Alonso inakzeptabel. Nachdem feststand, dass Sebastian Vettel bei Aston Martin aussteigt und die Formel 1 freiwillig verlässt, schlug der britische Rennstall mit einem mehrjährigen Kontrakt zu. Über die Laufzeit von Alonsos Vertrag ist in der offiziellen Mitteilung nichts bekannt. Mehrjährig bedeutet aber mindestens zwei Jahre. Nach Minardi, Renault, McLaren, Ferrari und Alpine ist Aston Martin jetzt der sechste Arbeitgeber von Alonso in der Königsklasse. Mit Aston Martin hofft Alonso in der neuen Saison auf ein kräftiges und heftiges WM-Hurra. Blicken wir auf die wichtigsten Stationen, Zahlen und Rekorde in der Formel-1-Zeit des Alterspräsidenten zurück:
Formel-1-Debüt 2001 in Melbourne
Seit seinem Formel-1-Debüt (4. März 2001 in Melbourne/Australien) mit 19 Jahren und 219 Tagen im Hinterbänkler-Team Minardi stand der stolze Spanier 356-mal am Start eines Grand Prix, wobei er 22-mal von der Poleposition ein Rennen aufnahm. Mit 32 Siegen (letzter Erfolg 2013 beim Heim-Grand Prix in Spanien), 37 zweiten und 29 dritten Plätzen kam er 98-mal auf einen Podestplatz. 231-mal raste er in die Punkteränge (bis Platz zehn), 68-mal sah er keine Zielflagge. Höhepunkte aber waren seine zwei WM 2005 und 2006 mit Renault.
Sein Traum, ein dritter WM-Titel in „Rot“, blieb ihm allerdings verwehrt. Von 2010 bis 2014 bestritt Alonso 96 Rennen für Ferrari, bescherte der Scuderia elf Siege, wurde dreimal „roter“ Vizeweltmeister (2010, 2012, 2013), scheiterte aber jedes Mal an Champion Sebastian Vettel. Nach eigener Aussage wollte Alonso seine Formel-1-Karriere bei den Italienern beenden. Doch das völlig vermurkste Jahr 2014 änderte alles: Ohne Sieg und mit nur zwei Podestplätzen wandte sich Alonso von Ferrari ab und dockte von 2015 bis 2018 wieder beim früheren Team McLaren (2007) an. Von McLaren ging’s dann nach seinem Amerika-Abenteuer bekanntlich für zwei Jahre zu Alpine (2021 – 2022) und von dort ab 2023 zum neuen Arbeitgeber Aston Martin.
Seinem Dauerrivalen knöpfte Alonso die Bestmarke der Grand-Prix-Starts ab. Beim Grand Prix Italien in Monza 2022 zog der Spanier mit den 349 Grand-Prix-Starts des Finnen gleich und setzte sich in Singapur mit seinem 350. Rennstart am letzten Ferrari-Weltmeister von 2007 vorbei. Alterspräsident bis zu seinem Formel-1-Abgang nach dem Saisonfinale in Abu Dhabi Ende 2021 war Kimi Räikkönen. Nach 19 Saisons mit 21 Siegen hängte der „Iceman“ mit 42 Jahren seinen Helm an den Nagel. Sebastian Vettel verabschiedete sich nach 16 Saisons im Pulverdampf der Formel 1 mit 299 Grands Prix, vier WM-Titeln und 53 Siegen Ende 2022 mit 35 Jahren ebenfalls in die Formel-1-Rente. Und was macht der mit 41 Jahren aktuelle F1-„Methusalem“ Alonso? Wenn der älteste Fahrer nicht mehr in der F1-Startaufstellung steht und mit der Formel 1 aufhören muss, werde er andere Rennen fahren. „Ein Sieg bei der Dakar, das wäre noch eine Herausforderung. Aber zu Hause herumlungern, das macht mir Angst“, so der Oldie im „AMS“-Interview. Er hat ja nichts anderes gelernt, als Rennen zu fahren.