Mit Platz zwei im USA-Grand Prix hat sich Lewis Hamilton vorzeitig seinen sechsten WM-Titel gesichert. Sieger in Austin, Texas, wurde sein Mercedes-Teamkollege Valtteri Bottas. Am Sonntag wird in Brasilien das vorletzte Saisonrennen gestartet.
Es ist vollbracht. Jetzt fehlt dem sechsmaligen Weltmeister Lewis Carl Davidson Hamilton nur noch eine Krone, um mit Rekordchampion Michael Schumacher gleichzuziehen. Den Argentinier Juan Manuel Fangio hat er überholt und ist der einzige Sechsfach-Titelträger. „Es war niemals mein Ziel, Michael einzuholen. Ich habe nie an die Rekorde gedacht und schon gar nicht an die Zahl sieben", bleibt der Mercedes-Pilot selbst nach dem Titelgewinn im texanischen Austin bescheiden. „Ich dachte immer, dass es viel zu weit hergeholt wäre, auch nur daran zu denken, in die Nähe von Michael zu kommen", so der zweiterfolgreichste Formel-1-Fahrer.
Für den alten und neuen Weltmeister war sein sechster Titel „einfach überwältigend". Nach seiner Zieldurchfahrt jubelte er an den Boxenfunk: „Ich kann es einfach nicht glauben." Von dort bekam ein emotionaler Hamilton zu hören: „Das hast du mit viel Stil zu Ende gebracht, Lewis, Champion der Welt."
Seine Gefühle seien nur schwer zu beschreiben, gestand Hamilton, der auf Wolke sieben schwebte. „Es war das schwierigste Jahr, an das ich mich erinnern kann. Es war eine echte Herausforderung mit Höhen und Tiefen. Deshalb überwältigen mich die Emotionen", so der Dominator, der gesteht: „Ich vermisse Niki (Lauda) sehr. Er hätte seine Kappe gezogen. Ohne Niki hätte ich meine Leistung nie geschafft. Ihm widme ich diesen Titel." Für ihn, Hamilton, ist es „eine große Ehre, mit den ganzen Legenden auf einer Stufe zu stehen."
„Er war auf einem unglaublichen Level"
Aktuelle und ehemalige Rivalen sowie Legenden verneigen sich vor Hamilton und seiner neuen Bestmarke. Zu den ersten Gratulanten gehörte Texas-Sieger Bottas. „Lewis war auf einem unglaublichen Level. Er hat nur wenige Schwächen, begeht beinahe keine Fehler und fährt sehr konstant. Riesenglückwunsch", so der Finne. Toto Wolff, Boss der beiden Mercedes-Alphatiere, in der Mercedes-Presseaussendung: „Seinen sechsten WM-Titel zu gewinnen, ist eine wirklich bemerkenswerte und besondere Leistung von Lewis. Man kann sehen, wie motiviert er noch immer ist. Er möchte jedes Rennen gewinnen und das bestmögliche Ergebnis erzielen." Eine große Geste zeigte Dauer-Erzrivale Sebastian Vettel, der auf einen vorzeitigen Rückflug verzichtete und bis Rennende wartete, um dem frisch gekürten Weltmeister im Separee, dem Vorzimmer der Formel-1-Ehrung, zu seinem sechsten Titel zu gratulieren. „Wenn jemand sechsmal den Titel gewinnt, dann verdient er das. Ich freue mich sehr für ihn."
Auch andere Motorsport-Größen ließen es sich nicht nehmen „König Lewis VI" nach dessen erneuter Krönung zu huldigen. So hielt RTL-Experte Nico Rosberg bei Twitter eine Eloge auf seinen einstigen Mercedes-Erzrivalen, die sich aus gemeinsamen Kindertagen im Kart kennen. „Wer hätte gedacht, dass wir beide eines Tages Formel-1-Weltmeister sind. Du hast das jetzt sechsmal geschafft, auf dem Weg, der Größte aller Zeiten zu werden. Mein größter Respekt, hochverdient!", twitterte der Champion von 2016. Fernando Alonso, Weltmeister 2005 und 2006, schrieb: „Glückwunsch! Wieder Weltmeister. Fantastisch gefahren und die ganze Saison konstant. Bravo!" Ein anderer Stallrivale, Jenson Button, twitterte: „Gratulation für einen phänomenalen sechsten WM-Titel." Vom Brasilianer Emerson Fittipladi, Champion 1972 und 1974, gab es ebenfalls anerkennende Worte: „Du bist ein herausragender Champion und ein großartiger Botschafter unseres Sports. Du motivierst und inspirierst die kommenden Generationen auf der ganzen Welt." Titel-Glückwünsche erhielt Hamilton auch von seinen Fußball-Kumpels Neymar und Beckham sowie von vielen Stars anderer Sportarten.
Die internationale Presse von England bis Italien feiert „King Lewis VI." ebenfalls entsprechend. So schreibt der „Guardian": „Hamilton hat unterstrichen, dass er nicht auf Glück oder Zufälle angewiesen ist. Er arbeitet schlicht auf einem höheren Level als Normalsterbliche." Die „Sun" ist der Meinung, dass „Hamilton sein Vermächtnis als einer von Großbritanniens Größten zementiert. Eine kontrollierte Fahrt mit Phasen purer Brillanz genügten in Texas." Die „Times" kommentiert: „Hamilton hat seinen Platz im Pantheon der sportlichen Größen bestätigt, nicht nur in der Formel 1. Seine bemerkenswerte Leistung ist nun für immer in die Rekordbücher gebrannt, ohne dass ein Ende dazu in Sicht ist."
Kein Ende von Hamiltons Siegesserie in Sicht
In Italien sieht die „Gazzetta dello Sport" Hamilton als „den stärksten und versiertesten Piloten seiner Epoche. Er verbindet taktische Intelligenz mit mentaler Stärke." Der „Corriere dello Sport": „Hamilton kann jetzt Schumachers Mythos in den Schatten stellen." Der „Corriere della Sera" vertritt die Meinung, dass „Hamilton Schumacher wahrscheinlich noch überragen wird. Er ist solide, konzentriert, und die Konkurrenz junger Talente setzt ihn nicht wirklich unter Druck." In Spanien hat „El Mundo Deportivo" erkannt: „Hamilton wollte sich nicht ausruhen, er wollte den Sieg. Die Silberpfeile sind das Nonplusultra der Formel 1. Und Hamilton sieht schon Schumacher am Horizont." Für die spanische Zeitung „Marca" „bilden Mercedes und Hamilton eine perfekte Ehe."
Doch jetzt zum sportlichen Aspekt der beiden vergangenen Rennen, die wir für die FORUM-Leser noch aufzuarbeiten haben. Seinen zweiten „Matchball" hat Lewis Hamilton in den USA eiskalt verwandelt, nachdem er die ersten acht Tage zuvor in Mexiko-Stadt trotz seines Sieges nicht nutzen konnte. Spielverderber im Autodrome Hermanos Rodriguez in der dünnen Luft auf 2.285 Meter über dem Meeresspiegel war ausgerechnet sein Mercedes-Teamgefährte Valtteri Bottas mit Platz drei hinter Sebastian Vettel im Ferrari. Der Finne hatte damit Hamiltons „Fiesta Mexikana" vertagt. Die WM-Entscheidung ist noch einmal auf Austin in Texas verschoben worden. Um sein Ziel schon im Land der Azteken zu erreichen, hätte Hamilton 14 Punkte mehr als Bottas einfahren müssen, der vor dem Grandprix in den USA rechnerisch noch einmal seine Minimalchance auf den Titel wahrte. So feierte Hamilton in Mexiko lediglich seinen zehnten Sieg im 18. Saisonrennen. Mit seinem insgesamt 83. Formel-1-Karrieretriumph (Schumacher 91) bescherte er Mercedes als Werksteam deren 100. Formel-1-Erfolg. Nebenbei: Für dieses Jubiläum benötigte das Silberpfeil-Team nur 207 Rennen, während Ferrari für ebenfalls 100 F1-Siege in 464 Rennen an den Start gehen musste. Mit einem Polster von
74 Punkten reiste Mexiko-Sieger Hamilton zu seinem Lieblingsrennen ins texanische Austin. Mexiko und USA waren die letzten von insgesamt drei sogenannten „Back-to-Back"-Veranstaltungen im Kalender 2019. Darunter versteht man Rennen, die an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden durchgeführt werden. Zuvor hatte die Formel 1 innerhalb weniger Tage schon Frankreich/Österreich und Belgien/Italien als „Back-to-Back"-Rennen veranstaltet. Zurück in die USA.
Auf dem Circuit of the Americas würde dem Briten ein achter Platz (vier Punkte) schon reichen, um sich seinen sechsten WM-Titel aus eigener Kraft zu sichern. Fünfmal hat Hamilton in den bisher sieben Rennen in Austin dominiert, dreimal schon krönte er sich in Texas vorzeitig zum Champion. „Mir ist es egal, wo ich es schaffe, Hauptsache, ich schaffe es, auch wenn ich nach Mexiko noch warten musste. Sein achter Auftritt auf seiner Paradestrecke erwies sich als totaler Triumph für Mercedes. Das Rennen im Eiltempo: Bottas geht von Startplatz eins in Führung, Vettel kommt von Position zwei ganz schlecht weg, wird noch vor Kurve eins von Verstappen (Startplatz drei) ausbeschleunigt und kurz darauf auch von Hamilton und Charles Leclerc im zweiten Ferrari (Startplatz vier) aufgeschnupft. Vettel hat ein massives Problem: Mit einer gebrochenen Hinterradaufhängung muss er in Runde acht (von 56 Umläufen) seinen Ferrari am Streckenrand abstellen. Leclerc wird immerhin noch Vierter.
Chef Toto Wolff lobt den Willen, sich zu verbessern
Zu Hamilton: Im Stil eines wahren Champions kämpft sich der Mercedes-Überflieger von Startplatz fünf bis an die Spitze des Feldes und hätte seine Triumphfahrt fast mit seinem sechsten Sieg in Texas beendet. Am Ende musste er nur seinem Teamkollegen Bottas den Vortritt lassen, der ihn fünf Runden vor Schluss noch aufschnappte. Der große Traum, sich mit einem Sieg zum Weltmeister zu krönen, blieb Hamilton verwehrt. Dies gelang ihm bei seinen jetzt sechs Titeln erst zweimal: 2014 in Abu Dhabi und 2015 in Austin.
Bei nun 67 Punkten Vorsprung ist Hamilton in den beiden verbleibenden Saisonläufen rechnerisch uneinholbar. In Brasilien an diesem Sonntag (18.10 Uhr RTL/Sky) und in Abu Dhabi (1. Dezember, 14.10 Uhr, RTL/Sky) hat Hamilton noch die Möglichkeit, seine diesjährigen Saisonsiege auf zwölf zu erhöhen. „Ich will so weitermachen wie bisher", sagte der 34-Jährige. Diese Einstellung unterscheide ihn von vielen anderen, sagte sein Chef Toto Wolff. „Talent trifft bei ihm den Willen, sich selbst ständig zu verbessern. Diese Kombination lässt ihn aus seiner Generation herausstechen."
Bottas hat seinen Platz vorzeitig als Vize-Weltmeister gefestigt. Voll des Lobes ist Team-Boss Wolff auch über Hamiltons Adjutanten: „Mit Valtteris Auftreten bin ich sehr zufrieden, vor allem wie selbstbewusst und gut er fährt. Er treibt Lewis mächtig an. Die beiden profitieren voneinander. Das ist der beste Fall, den man mit zwei Fahrern haben kann."
Bei dem Gerangel um den Gesamt-WM-Dritten haben drei Fahrer noch eine Chance. Aktuell liegt auf Rang drei Leclerc (249 Punkte) vor Verstappen (235) und Vettel (230). Weit abgeschlagen führt Alex Albon (84) im Red Bull das Mittelfeld an. Die Formel 1 – eine Zwei-Klassen-Gesellschaft.