Während die Konkurrenz beim Russland-GP in Sotschi am Schwarzen Meer „baden" ging, „schwamm" Lewis Hamilton zu seinem historischen 100. Grand Prix-Sieg. Mit seinem fünften Saisontriumph knöpfte er seinem Erzrivalen Max Verstappen auch die WM-Führung ab.
Manchmal muss es poetisch sein. „Im Olymp der Formel 1 glänzt ein Polarstern: Sir Lewis Hamilton blickt von der Höhe seiner 100 Siege herab. Er ist der Einzige, und diesen Rekord wird lange niemand brechen können." Mit dieser Anerkennung würdigte die italienische Sportzeitung „Gazzetta dello Sport" die außergewöhnliche Leistung dieses Ausnahmerennfahrers.
Vor dem 16. Saisonlauf am Sonntag (15 Uhr/Sky) in der Türkei auf dem Istanbul Circuit kommt auch FORUM an dem „Nimmersatt" Lewis Hamilton nicht vorbei. Der Brite, 2020 von der Queen als Sir geadelt, 36 Jahre alt, siebenmaliger Formel-1-Weltmeister und „lebende Legende" (La Republica, Italien) hat ihn erreicht: den magischen Meilenstein von 100 Rennsiegen in der höchsten Klasse des Motorsports. „Eine Zahl, die nur ein Genie erreichen kann" (As, spanische Sportzeitung). „Sein Sieg Nummer 100 ist wie ein Donner" (Corriere dello Sport, Italien).
Der Rekordsieger schreibt damit wieder einmal Geschichte: 5222 Tage oder 14 Jahre und 108 Tage lagen zwischen seinem ersten Sieg (2007 Kanada/McLaren) und dem GP-Triumph Nummer 100 in Sotschi, Hochburg von Mercedes mit acht Siegen bei acht Rennen. Mit einer Siegquote von 36 Prozent (100 Siege aus 281 Rennen) liegt Jubiläums-GP-Sieger Hamilton auf Platz drei der ewigen Bestenliste der F1-Fahrer. Vor ihm sind nur noch Juan Manuel Fangio mit 47 Prozent (24 aus 51) und Alberto Ascari mit 41 Prozent (13 aus 32) platziert. Hinter Hamilton liegen Jim Clark mit 35 Prozent (25 aus 72) und Michael Schumacher mit 30 Prozent (91 aus 306) auf den Plätzen vier und fünf. Das Russland-Rennen war gleichzeitig der 1.050. Grand Prix seit der modernen Zeitrechnung (erster GP am seit 13. Mai 1950). Statistisch gesehen (und gerundet) hat Hamilton davon jedes zehnte Rennen gewonnen. Mit seinem fünften Sieg an der Schwarzmeerküste und gleichzeitig seinem fünften Saisontriumph eroberte Hamilton vom Titelrivalen Max Verstappen die WM-Führung mit zwei WM-Pünktchen Vorsprung (246,5:244,5) zurück. Nach vier sieglosen Rennen seit Silverstone oder 70 Tage hatte „Überflieger" Hamilton immerhin warten müssen, um seinen historische Meilenstein zu erreichen. Nach Rennsiegen führt Rivale Verstappen vor dem 16. WM-Lauf noch mit 7:5. Soweit die nackten Fakten. Und so denkt „Überflieger" Hamilton über seine neue, magische Bestmarke: „Es hat lange gedauert, und ich war mir gar nicht mehr so sicher, ob der 100. Sieg überhaupt noch kommen würde. Ich konnte nur davon träumen, so spät in meiner Karriere immer noch hier zu sein und die Möglichkeit zu haben, Rennen zu gewinnen." Seinen jüngsten Sieg stufe er als „gut, aber nichts Außergewöhnliches" ein.
Verstappen überrascht von seiner Leistung
Rivale Max Verstappen wird nix unversucht lassen, den Kampf weiter auf die Spitze zu treiben. Das hat der Red Bull-Pilot erneut bewiesen, als er als „fliegender Holländer" vom letzten Startplatz (Strafe wegen Motorenwechsel) durch das ganze Feld pflügte, sich einen Gegner nach dem anderen krallte, ihn „vernichtete" und auf Platz zwei landete. „Es war wie ein kleiner Sieg", freute man sich im „Bullen"-Lager. „Ich habe dieses Resultat nicht erwartet", bekannte der Chefpilot. Tragischer Held in Sotschi aber war Lando Norris. Das Nachwuchstalent im McLaren-Rennstall, der von der Pole Position (erster Startplatz) startete, führte das Rennen bis kurz vor dem einsetzenden Regen an. Der Brite konnte sich kaum noch auf der Strecke halten, rutschte kreuz und quer und segelte auf Platz sieben ins Ziel. Dritter wurde Ferrari-Fahrer Carlos Sainz. Sebastian Vettel hatte im Aston Martin nichts Zählbares aufzuweisen, verpasste zum vierten Mal in Folge die Punkteränge und wurde Zwölfter. Mick Schumacher schied wegen eines Defekts an seinem Haas-Auto vorzeitig aus.
Nach einer aufregenden Corona-Pandemie-Rückkehr in den F1-Kalender im vergangenen Jahr ersetzt der Große Preis der Türkei auf dem Intercity Istanbul Park Circuit den abgesagten taghellen Nacht-Grand-Prix in Singapur. Die Türkei war im vergangenen Jahr nach acht Jahren Pause in den F1-Kalender zurückgekehrt, nachdem die Saison aufgrund der ersten Phase der Pandemie durcheinandergewirbelt wurde. Für die Saison 2021 hatte die Türkei ursprünglich keinen Platz im Kalender gefunden, war allerdings eines der Ersatzrennen und ist sozusagen als Notnagel als 16. von 22 WM-Läufen in die Terminliste gerutscht.
Von seiner Premiere 2005 bis 2011 war der Türkei-GP fester Bestandteil des F1-Rennkalenders. Der Istanbul Park liegt auf der asiatischen Seite, etwa 80 Kilometer östlich von Istanbuls Altstadt. Der 5,338 Kilometer lange Circuit umfasst insgesamt acht Links- und sechs Rechtskurven und verfügt über ein abwechslungsreiches Höhenspiel. Dieses topographische Potenzial wurde genutzt, um eine anspruchsvolle Rennstrecke mit vielen Highlights für Fahrer und Zuschauer zu entwickeln. Im Gegensatz zu vielen Retortenkursen zeichnet sich die Strecke am Bosporus, der Meerenge zwischen Europa und Asien, durch viele Eigenheiten aus. So wird die Strecke entgegen dem Uhrzeigersinn befahren. Eine Eigenschaft, die der Istanbul Speed Park nur noch mit Imola (Italien) und Interlagos (bei São Paulo/Brasilien) gemein hat.
Berg- und Tal-Charakter in der Türkei
Aber auch der Berg- und Tal-Charakter gibt der Strecke ein eigenes Flair, das durch einige Bodenwellen im neuen Asphalt sogar noch verstärkt wird. Die Fahrer vergleichen den Kurs deshalb ehrfürchtig mit der legendären Ardennen-Achterbahn von Spa-Francorchamps in Belgien und gaben dem Speed Park gleich einen Beinamen: Adrenalinpumpe am Bosporus. Als eine der großen fahrerischen Herausforderungen ist die Kurve acht am anspruchsvollsten. Sie wird eingangs bei hoher Geschwindigkeit von 270 km/h durchfahren, mit 280 „Sachen" am Ausgang, dazwischen vier Scheitelpunkte und nahezu Vollgas! Lange Geraden wechseln sich mit harten Bremszonen ab. Auf dem Stundenplan der Piloten stehen am Sonntag 58 Runden (309,396 Kilometer). Am Bosporus will sich Jubiläums-GP-Sieger Hamilton erneut „freischwimmen" und die Gegner baden schicken und nass machen. Rekordsieger auf dem Istanbul Park Circuit ist Felipe Massa. Der Brasilianer hat mit drei Erfolgen von 2006 bis 2008 den GP der Türkei gewonnen. Massa schaffte es zudem als einziger Fahrer drei Mal auf die Pole Position. Von den aktuellen Piloten feierten Kimi Räikkönen (2005), Lewis Hamilton (2010 McLaren-Mercedes/2020 Mercedes) und Sebastian Vettel (2011/Red Bull) in Istanbul bereits einen Sieg. Zur Erinnerung: Hamilton hatte 2020 mit seinem Türkei-Sieg in weltmeisterlicher Manier seinen siebten WM-Titel eingefahren und den Rekord von Michael Schumacher eingestellt. Der Vollständigkeit halber: 2009 hieß der Sieger am Bosporus Jenson Button im Brawn-Mercedes.
Im kommenden Jahr kein Rennen in Deutschland
Kurzer Ausblick auf die Saison 2022. Dann wird die Formel 1 einen Bogen um die deutschen Rennstrecken machen. Es werde kein Rennen in Hockenheim oder am Nürburgring geben, sagte Formel-1-Chef Stefano Domenicali der Sport Bild. „Ich habe das Gefühl, dass sich die Veranstalter nicht richtig trauen, einen Grand Prix auszutragen", so der Italiener. Dabei habe Deutschland in Mercedes das erfolgreichste Team der vergangenen Jahre und zudem mit dem viermaligen Weltmeister Sebastian Vettel und Mick Schumacher zwei Piloten im Fahrerfeld. Vettel, über dessen Zukunft heftig spekuliert wurde, setzt 2022 seine Karriere neben Teamkollege Lance Stroll (22/Kanada), Sohn des milliardenschweren Teambesitzers Lawrence Stroll, für ein weiteres Jahr im Aston Martin fort. „Ich glaube an die Stärke unseres neuen, wachsenden Teams", wurde der 34 Jahre alte Hesse in einer Mitteilung von Aston Martin zitiert. Vettel sieht durch die umfassende Regelreform für 2022 mit stark veränderten Autos eine Chance für mehr Chancengleichheit und wieder näher an die Spitze des Feldes heranzurücken. „Die Änderungen sind so groß, dass sie für jedes Team einen Neuanfang bedeuten. Das ist eine große Chance für uns", sagte Vettel. Er freue sich jedenfalls auf die neue Generation der F1-Rennwagen und aufregendere Rennen, beteuerte Vettel. „Wir sind froh, mit so einer exzellenten Mischung von jugendlichem Talent und Erfahrung weiterzumachen", ließ Papa Stroll verlauten. Vettel soll demnach mit seiner Routine die Entwicklung des brandneuen Autos beschleunigen und zugleich weiter den Fahrlehrer für Strolls Sohnemann geben. Teamchef Otmar Szafnauer ist froh, Vettel weiter dabeizuhaben. „Sebastian ist eine große Bereicherung für unser Team", versicherte der gebürtige Rumäne.
Zuletzt hatte sich schon bei Teamwechseln und Verlängerungen einiges getan: Die Wechsel von Valtteri Bottas von Mercedes zu Alfa Romeo und Jungstar George Russell von Williams zu Mercedes und die Verlängerungen von Pierre Gasly sowie Yuki Tsunoda bei Alpha Tauri gingen kurz hintereinander über die Bühne. Der Deutsche Nico Hülkenberg hatte seine Hoffnungen auf ein Comeback in der Königsklasse deshalb schon relativ früh begraben müssen.