Der mutmaßliche Attentäter wollte mit dem Anschlag auf die Mannschaft von Borussia Dortmund Geld machen. Er nahm einen Kredit auf und setzte auf fallende Kurse der BVB-Aktie.
Es ist eine gespenstische Szenerie. Als um viertel vor neun Uhr eigentlich die Champions-League-Hymne im Dortmunder Fußball-Tempel erklingen soll, stehen die Profis von Borussia Dortmund sichtlich geschockt neun Kilometer entfernt vor ihrem Teambus. Immer wieder greifen die Spieler am Mannschaftshotel L’Arrivée im Dortmunder Süden zum Handy, diskutieren miteinander. Splitter liegen auf der Straße an der rechten Seite des Busses, zwei Scheiben sind eingedrückt – von der Wucht einer Explosion. Was als großer Champions-League-Abend mit dem Viertelfinal-Hinspiel gegen den AS Monaco geplant war, endet für Spieler, Team und Fans in Entsetzen und Fassungslosigkeit.
Kurz nach 19 Uhr macht sich die Mannschaft am 11. April auf den Weg Richtung Signal-Iduna-Park. Plötzlich explodieren drei Sprengsätze neben dem Bus – ein gezielter Angriff auf das BVB-Team. „Der Bus bog auf die Hauptstraße ein, als es einen Riesenknall gab – eine regelrechte Explosion“, sagt Torwart Roman Bürki später. „Nach dem Knall haben wir uns alle im Bus geduckt und wer konnte, auf den Boden gelegt.“
Die genauen Hintergründe bleiben zunächst unklar. Knapp anderthalb Stunden nach der Attacke wird die Partie abgesagt. 22 Stunden nach dem eigentlich vorgesehenen Anstoß wird die Partie doch noch angepfiffen. Trotz Protesten von Teilen der Mannschaft und massiver öffentlicher Kritik an der Vereinsführung. Dortmund verliert das Spiel 2:3 – für fast alle Nebensache.
Relativ schnell gelingt der Polizei ein Fahndungserfolg, und es zeigt sich, dass der Anschlag keinen terroristischen Hintergrund hatte, wie zunächst angenommen, sondern einen viel profaneren: Geldgier. Der gefasste Verdächtige soll mit dem Angriff auf einen Kursverlust der BVB-Papiere gesetzt haben, wie die Bundesanwaltschaft mitteilt. Mit den Börsen-Spekulationen habe der 28-Jährige wohl viel Geld kassieren wollen. Anhaltspunkte für mögliche Gehilfen und Mittäter bei dem Anschlag gebe es bislang nicht, sagt die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke Köhler. Die Behörde behalte diese Frage aber weiter im Blick. Dem Verdächtigen Sergej W. wird versuchter Mord, Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Der Mann hat laut Bundesanwaltschaft die deutsche und die russische Staatsangehörigkeit. Er soll nach einem Medienbericht gleich bei der Festnahme ein Geständnis abgelegt haben. „Ich bin es, ihr habt den Richtigen“, habe er gesagt, als ihn ein sechsköpfiges Team der Anti-Terroreinheit GSG 9 auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle verhaftet habe. Der in Freudenstadt wohnende W. war seit Mitte 2016 als Elektriker in einem Tübinger Heizwerk tätig.
79.000 Euro in Aktienoptions-scheine investiert
Wie viel Geld der Verdächtige im Fall des Anschlags auf den BVB-Mannschaftsbus maximal an der Börse hätte gewinnen können, ist nicht klar. Der 28-Jährige habe drei verschiedene Derivate auf die Aktie von Borussia Dortmund erworben – die meisten davon am Tag des Angriffs selbst. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft nahm er für den Kauf der Derivate einen Verbraucherkredit in Höhe von mehreren Zehntausend Euro auf. Nordrhein-Westfalens damaliger Innenminister Ralf Jäger (SPD) erklärt: „Der Täter hat nach meinem jetzigen Stand 79.000 Euro investiert, um entsprechende Aktienoptionsscheine zu kaufen.“
Nach Informationen des Nachrichten-Magazins „Der Spiegel“ soll sich der 28-Jährige einen Verbraucherkredit über 40.000 Euro besorgt haben. Sicher ist: Je tiefer die Aktie des Fußballvereins gefallen wäre, desto höher wäre der Gewinn für den Verdächtigen ausgefallen. Der BVB war im Jahr 2000 als erster deutscher Sportverein an die Börse gegangen.
Der Kauf der Derivate wurde den Angaben zufolge über einen Online-Anschluss des Mannschaftshotels abgewickelt, in dem der Tatverdächtige bereits am 9. April – zwei Tage vor der Tat – ein Zimmer im Dachgeschoss bezogen habe. Mit Blick auf den späteren Anschlagsort. Der Prozess hat kurz vor Weihnachten am 21. Dezember begonnen. Das Dortmunder Landgericht hat die Anklage gegen den Tatverdächtigen zugelassen und 18 Verhandlungstage bis Ende März 2018 festgelegt.