Fünf Siege in Folge, das ist die stolze Bilanz der Wasserball-Legenden von Spandau 04 aus der Bundeshauptstadt. Fünf Siege – nicht irgendwo, sondern in der Len-Wasserball-Champions-League. Das ist die europäische Spitzenklasse, in der deutsche Teams schon seit Jahrzehnten keine gute Figur mehr gemacht haben. Wobei von Teams gar nicht die Rede sein kann, da es sich immer nur um eine Mannschaft handelte: eben Spandau 04. 1988 gewannen die Berliner den Wettbewerb zum letzten Mal, davor bereits drei weitere Male. Und dann passierte 30 Jahre lang nicht viel – bis heute. Wie gesagt, fünf Siege aus sechs Partien, eine kleine Sensation. Momentan bedeutet es Platz drei in der Gruppe B, punktgleich mit dem Tabellenführer aus Recco, dem europäischen Spitzenteam und Champions-League-Seriensieger aus dem italienischen Ligurien. Nur das Torverhältnis spricht gegen die Spandauer, ansonsten spielen sie in dieser Saison auf absoluter Augenhöhe mit den ganz Großen.
Fünf Siege aus sechs Champions-League-Partien für Spandau
Es ist eine Überraschung. Denn die Saison ging anders los, weniger aussichtsreich, weniger erfolgreich. Eigentlich deutete sich eine Wachablösung im deutschen Wasserball an. Die aufstrebende Konkurrenz aus Hannover von der Waspo 98 schickte sich an, ihren lang gehegten Traum zu verwirklichen. Endlich einmal Erster, endlich besser als die ewig Ersten aus dem Berliner Stadtteil Spandau. 1993 war es zuletzt einmal gelungen, vor einer halben Ewigkeit. Seitdem warten die Hannoveraner auf ein weiteres nationales Erfolgserlebnis und haben ihre Anstrengungen in den letzten Jahren deutlich verstärkt. Der finanzkräftige Sponsor Karsten Seehafer ist gleichzeitig Trainer, früher war er Spieler in der Meistermannschaft von 1993. Er und der Präsident Bernd Seidensticker sind wild entschlossen, Hannover nachhaltig auf der deutschen Wasserball-Landkarte zu verorten. Nicht als zweite Kraft oder unter ferner liefen, sondern ganz weit oben und nicht nur in Deutschland. Es sind ehrgeizige Ziele. Mit Hilfe von politischen Winkelzügen haben die Bosse der Waspo es bereits geschafft ihrem Verein eine Wildcard für die Champions League zu verschaffen, also eine Qualifikation, die nicht auf sportlichem Wege zustande kam. Zusätzlich findet das Finale der europäischen Spitzenliga 2019 und 2021 in der niedersächsischen Landeshauptstadt statt. Die Hannoveraner hatten allen Grund, die Korken knallen zu lassen. In dieser Saison sollte zusätzlich der nationale Thron auf sportlichem Wege bestiegen werden. Die Investitionen, die Verpflichtungen vieler ausländischer Spieler und die forschen Sticheleien der letzten Jahre gegen den Branchenprimus aus Berlin sollten Früchte tragen. Das erste Spiel der Saison nährte diese Hoffnung, denn Waspo schlug die Berliner im Deutschen Supercup mit 9:8 und sicherte sich den ersten Titel der Saison bereits im Oktober. Das Momentum schien bei den Niedersachsen – schien.
Denn drei Monate später stellt sich die Situation deutlich anders dar. Waspo hat zu kämpfen, Spandau 04 steht so gut da, wie zu seinen besten Zeiten in den Achtzigern nicht mehr. Mitte Dezember musste sich Hannover bereits in der eigenen Schwimmhalle mit 7:10 gegen Spandau geschlagen geben, die Führung in der Bundesliga war weg. Am 3. Februar 2018 tritt die Waspo in Schöneberg an. Die Schwimmsporthalle im Westen Berlins, in der Olympiaheld Mark Spitz vor Ewigkeiten bereits Weltrekorde schwamm, soll auch dann für die Berliner eine Festung bleiben. Inzwischen spricht alles für die 04er. Sie könnten ihre kurzfristig ins Wanken geratene Spitzenposition wieder zementieren und die Hannoveraner nachhaltig frustrieren. Für die Waspo wäre das der zweite deutliche Downer in der laufenden Saison, denn auch in der Champions League läuft es bescheiden. Und das in dem Wettbewerb, in dem die Niedersachsen sich als deutscher Leuchtturm etablieren wollten.
Sollte es mit dem Meistertitel im eigenen Land nicht funktionieren, wäre ein gutes Abschneiden auf dem Kontinent mehr als eine adäquate Kompensation. Denn alles, was die Spandauer ärgert, kommt den Hannoveranern gerade recht. Doch diese Rechnung scheint einmal mehr nicht aufzugehen.
Die Berliner kommen immer besser in die Spielzeit. Das liegt daran, dass die Schwächen aus den ersten Saisonspielen inzwischen erfolgreich abgestellt werden konnten. Es hilft, dass vormals verletzte Spieler, wie Mateo Cuk oder Maurice Jüngling, wieder besser im Wasser liegen. Zudem sei die Mannschaft insgesamt auch die beste des Jahrtausends, wie Präsident Hagen Stamm, die Spielerlegende aus den 80er-Jahren, unlängst verkündete – seine Zeiten als Spieler klammerte er trotz epochaler Begrifflichkeit mit einem Augenzwinkern aus. Sein Sohn Marko, aktueller Teamkapitän der Spandauer, präzisierte die Aussagen seines Vaters vor einigen Wochen in einem Interview für die „Berliner Zeitung“.
Grüppchenbildung ist passé
Dort pries Marko Stamm die neue Ausgeglichenheit seiner Mannschaft. Jüngere und ältere Spieler würden in diesem Jahr besser zusammenarbeiten, eine Grüppchenbildung, wie sie in den Jahren zuvor durchaus vorkommen konnte, ist passé. Jeder könne mit jedem auch mal einen Kaffee trinken. Stamm machte aber noch einen weiteren Punkt als Erfolgsgarant aus: „Ben Reibel, der aus Uerdingen kam, hat gerade sein erstes Länderspiel gemacht und ist bei uns schon eine große Nummer. Obwohl er hier erst angefangen hat, richtig Wasserball zu spielen.“ Zudem haben die Berliner sich für die neue Saison bis zur Decke gestreckt und sich etwas geleistet: Tiberiu Negrean. Er war ein Wunschspieler von Präsident Stamm. Der Nationalspieler kam vom rumänischen Dauerchampion Oradea. Laut Spandau-04-Trainer Petar Kovacevic sei er „einer der besten Konterspieler in Europa“.
Und das kann man in der Schöneberger Schwimmsporthalle jetzt auch sehen. Marko Stamm jedenfalls hatte noch nie solch einen Mitspieler, „der nicht nur hochprofessionell arbeitet, sondern menschlich so unglaublich gut passt“. Schlechte Aussichten für die Konkurrenz aus Hannover also weiterhin, die Spandauer ins Hintertreffen zu bringen.